Manch eine mag sich noch erinnern, wie das damals war. Damals, vor knapp zwei Jahren, als die ersten KI-Bildgeneratoren auf den Markt kamen. Ganz erstaunliche Tools waren das, visuelle Wunschmaschinen. Was konnte man damit nicht alles anstellen! Das neue Werkzeug schien genauso unschuldig wie die eigene Freude, mit ihm experimentieren zu können.
Trump und Musk lieben KI-Bilder
Das ist vorbei. Einige Papstbilder, KI-Debatten und Wahlen später haben Bildgeneratoren wie Midjourney oder Dall-E ihre Unschuld verloren. In bestimmten Marktbereichen sind sie inzwischen eine ernstzunehmende Konkurrenz für Künstlerinnen und Künstler geworden. Das ist allerdings nicht der härteste Vorwurf, mit dem sie gerade zu kämpfen haben.
Wer viel in sozialen Medien unterwegs ist, dem oder der mag schon aufgefallen sein: Während früher viele Accounts mit Bild-KIs gespielt haben, sind es heute ganz bestimmte Akteure, die auf KI-generierte Bilder setzen.
Am deutlichsten wird das auf der Musk-Plattform X, die einem mit schöner Regelmäßigkeit die Fantasien der MAGA-Bewegung in die Timeline spült.
Donald Trump als grimmiger Linebacker etwa, die Oberarme so dick wie Baumstämme. Oder Elon Musk als römischer Gladiator. Hyperrealistische Heldenbilder in satten, poppigen Farben, bizarre, Bild-gewordene Alte-Männer-Träume.

Auch die Rechte in Deutschland illustriert mit KI
Aber nicht nur die autoritäre Rechte in den USA, auch die AfD setzt auf KI. Er könne sich an ein Bild von Alice Weidel erinnern, in dem sie als Star Wars-Rebellin auftritt, erklärt Roland Meyer im Interview. „Solche Heldenbilder spielen dort also auch eine Rolle.“
Häufiger noch aber sehe man Darstellungen, in denen rechte Wunsch- und Angstbilder direkt miteinander konfrontiert würden. Hier weiße Familienidyllen, dort migrantischen Mobs. Reine „Affektbewirtschaftung“ sei das, sagt Meyer.
Tickt Bild-KI wirklich rechts?
Der Medienwissenschaftler und Professor für Digitale Kulturen beschäftigt sich schon länger mit der Vereinnahmung von Bild-KIs durch die politische Rechte. Und seine Analysen stoßen aktuell auf viel Resonanz.
Meyer ist der Überzeugung, dass es kein Zufall ist, dass ausgerechnet rechte Akteure so ein Faible für sie haben. Von einer „ideologischen und ästhetischen Affinität“ schreibt er in einem seiner jüngsten Essays. Ist Bild-KI also rechts?

Um zu erklären, was er damit meint, holt Meyer etwas weiter aus. Einerseits sei KI „strukturell nostalgisch“, sagt er. „Sie wird trainiert mit Bildern und Daten aus der Vergangenheit und ist deshalb besonders gut darin, Bilder zu generieren, die es hätte geben können.“
So gesehen ist sie ein idealer Schlüssel zu den alternativen, den idealisierten Vergangenheiten, von denen die politische Rechte träumt.
Zumindest hat sie einen Nostalgie-Fimmel
Man kann das auch selbst ausprobieren. Wer etwa von Midjourney verlangt, dass es eine glückliche deutsche Familie aus dem Hut zaubert, der bekommt mit einiger Wahrscheinlichkeit etwas ausgespuckt, was an Heimatfilme aus den Fünfzigern erinnert.
Vierköpfige, rein-weiße, pausbäckige Grinsegrimassen vor irgendeinem Alpenpanorama oder einer Hütte, die Carl Spitzweg gemalt haben könnte. Fehlt nur noch, dass im Hintergrund leise Humperdinck klimpert. Das 19. Jahrhundert lässt grüßen. Rechte lieben das.
KI und Bildende Kunst Künstliche Intelligenz ist retro
Bildende Kunst und Künstliche Intelligenz – wo liegen Chancen und wo stößt KI an Grenzen?
Und das Beispiel zeigt noch etwas: Nicht nur ist die KI ein Meister des histor(ist)ischen Remix. Außerdem ist sie ein „Klischeeverstärker“. Und zwar ein Verstärker der Klischees einer ganz bestimmten und ziemlich homogenen Personengruppe, sagt Roland Meyer.
Grund ist das Fine-Tuning der Bildgeneratoren. Um attraktivere Ergebnisse auszuspucken, werden sie mit Datenbanken besonders „schöner“ Bilder gefüttert. Sie bekommen sozusagen Geschmacksnachhilfe.

KI ist ein Klischeeverstärker
Um wessen Geschmack es sich da handelt, weiß Meyer auch: „Das sind vor allem Weiße, das sind vor allem Männer und das sind Angehörige der amerikanischen Mittelschicht. Deren ideologische Erwartungen, deren ästhetische Vorlieben werden der KI eintrainiert.“
Das sei kein Wunder, schließlich handle es sich dabei im Kern auch um die Kundschaft von Bildgeneratoren wie Midjourney: tech-affine, weiße Mittelschichtsmänner. Die KI orientiert sich also, wenig überraschend, am Geschmack des zahlenden Publikums.
Deshalb spuckt sie einen bebrillten grauhaarigen Mann aus, wenn man sie um das Bild eines Professors bittet. Und deswegen ist Whiteness generell die Norm, wenn es um die Darstellung von Personen geht. Rechte lieben das.
KI wird für die Rechte zur Wahrheitsinstanz
Die politische Rechte nimmt die KI längst nicht mehr nur als Wunschmaschine in Anspruch, sondern auch als Wahrheitsinstanz. Sichtbar wurde das etwa in den Diskussionen rund um die Google-KI Gemini. Um dem algorithmischen Bias gegenzusteuern, arbeitete die mit sogenannten „Shadow Prompts“, also versteckten Eingaben, die die Darstellungen diverser machen sollten.
Googles KI Bilder sorgen für Diskussionen
Nachdem die KI aber auch Bilder von indischen Päpstinnen, schwarzen Wikingern oder asiatischen US-Präsidenten generierte, kam es zu einem gewaltigen Backlash. „Woke Indoktrination“ lautete der Vorwurf. Musk nannte Gemini sogar „rassistisch“.
Der Bias der KI ist für die Rechten inzwischen ein schützenswertes Gut. Eine Bildwirklichkeit eigenen Rechts, die nicht „verzerrt“ werden darf.
Sollte man ein so mächtiges Tool aus der Hand geben?
Also Hände weg von der KI? Die Kulturwissenschaftlerin Annekathrin Kohout hat diesen (Kurz-)Schluss vor kurzem in der taz kritisiert. Die neue Technik sei „zu wichtig, um sie den Rechten zu überlassen“. Auch hält sie nicht davon, KI-Ästhetik generell als rechts abzustempeln, denn damit würde man der politischen Rechten ein „mächtiges ästhetisches Territorium“ überlassen.
Ein „interessanter Einwand“ sei das, antwortet Roland Meyer, angesprochen auf diese Kritik. Er sei allerdings der Überzeugung, dass die Popularität von Bild-KI in der Rechten „nicht mehr rückgängig zu machen“ sei.
„Aus dieser schon existierenden Polarisierung kommt man nicht mehr so einfach raus.“ Möglich, dass in Zukunft andere Bild-Technologien entwickelt werden, meint Meyer. „Aber im Augenblick ist es schwer, sich einen emanzipativen Gebrauch dieser Tools vorzustellen.“