Frauen, die die Kunst geprägt haben

Zwischen Hofmalerei und Avantgarde: Bedeutende Künstlerinnen aus dem Südwesten

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Autor/in
Carolin Baumgart
Carolin Baumgart
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Dominic Konrad
Dominic Konrad, Autor und Redakteur bei SWR Kultur und SWR Musik
Clemens Zoch
Clemens Zoch, Autor und Redakteur, SWR Kultur

Die Liste bekannter Künstler ist lang, die bekannter Künstlerinnen hingegen kurz. Wir stellen drei Frauen aus dem Südwesten vor, die die Geschichte der Kunst geprägt haben: die Pop-Art-Avantgardistin Lil Picard, die badische Hofmalerin Marie Ellenrieder und die Porträtmalerin und Schiller-Freundin Ludovike Simanowiz.

Männer können Kunst, Frauen nicht?

Die künstlerische Fähigkeit wurde Frauen früher abgesprochen und ihre Kunst nicht ernst genommen. 1908 meinte beispielsweise der Kunsthistoriker Karl Scheffler, dass der Mann seine Natur steigere, wenn er Künstler wird, die Frau dagegen verringere sie.

Frauen durften auch Jahrhunderte lang keine Akademie besuchen, um sich auszubilden. Davon ließen sich manche Künstlerinnen aber nicht beirren und gingen ihrer Leidenschaft trotzdem erfolgreich nach.

Zwischen Dada und Pop-Art: Lil Picard

Sammlung Richter | Sammlung RichterLB
Lil Picard (1899 - 1994), geborene Lilli Elisabeth Benedict, war eine umtriebige und sehr erfolgreiche Künstlerin, die die Kunstrichtung Pop Art mitentwickelte.

Lil Picard wird 1899 in Landau geboren. Sie ist das einzige Kind eines jüdischen Winzer-Ehepaars, ihre Kindheit verbringt sie vor allem im damals deutschen Elsass-Lothringen. Mit ihrem Mann Fritz Picard zieht sie in den frühen 1920er-Jahren nach Berlin. Hier studiert sie Kunst und Literatur und legt den Grundstein für ihr künstlerisches Schaffen.

Besonders fasziniert Lil Picard die Kunst der Dadaisten. Die Mitgründer dieser Kunstströmung – Richard Huelsenbeck, Georg Grosz, Emmy Hennings und Hugo Ball – gehören in Berlin zu ihren engsten Freunden. Picard schließt sich selbst der Bewegung an.

Installation  „Homecoming“ von Lil Picard, mit verschiedenen Techniken und Stilen im „Iowa Stanley Museum of Art“ 2022.
Installation „Homecoming“ von Lil Picard, mit verschiedenen Techniken und Stilen im „Iowa Stanley Museum of Art“ 2022.

Eine Tausendsassa par excellence

Die umtriebige Künstlerin nimmt in ihrer Berliner-Zeit auch Ballett- und Gesangsstunden, kurz ist sie als Schauspielerin beim Film tätig.

1926 lässt sich Lil Picard von ihrem Mann Fritz scheiden und wendet sie sich dem Journalismus zu. Sie schreibt für das Feuilleton des Berliner Börsenkuriers, für die Zeitschrift für Deutsche Konfektion und Beiträge zu den Mode- und Frauenseiten des Berliner Tagblatts.  

In New York erschafft Lil Picard die Pop Art

Mit ihrem zweiten Ehemann, dem Bankier Hans Felix Jüdell, emigriert Picard 1936 wegen der zunehmenden Judenverfolgung nach New York. Ihren Erlebnisse und Empfindungen versucht Lil Picard in ihren Bildern Ausdruck zu verleihen.

Sie verbindet diverse Techniken und Ansätze aus der Berliner und Pariser Avantgarde und schafft Werke, die in ihrem Stil für die Pop Art prägend werden.

Kreative Zusammenarbeit mit Andy Warhol

Zur Eröffnung ihrer Ausstellung „Bett - Buch - Bilder“ im Neuen Berliner Kunstverein 1978 präsentierte sich Lil Picard mit der Performance „Bedtease“.
In ihren Performances macht Lil Picard gerne selbst mit und schlüpft in extravagante Rollen. Zur Eröffnung ihrer Ausstellung „Bett - Buch - Bilder“ 1978 in Berlin präsentierte sie sich mit der Performance „Bedtease“.

In den 1960er-Jahren trifft Lil Picard Andy Warhol, der ihre Talente erkennt und unterstützt. Ihre Performance „Construction-Deconstruction-Construction“ verfilmt und veröffentlicht er in seinem Underground Experimentalfilm „Four Stars“ (1968). In diesem autobiografischem Film spielt Lil Picard seine Mutter. Auch für Warhols Lifestyle-Zeitschrift „Interview“ schreibt sie regelmäßig Beiträge.

Die künstlerische Bandbreite von Lil Picard ist enorm. Ob als Schauspielerin, Journalistin oder Malerin, was Lil Picard anpackt, hat großen Erfolg. 1994 stirbt sie im hohen Alter von 95 Jahren in New York.

Hofmalerin Marie Ellenrieder: Die erste Frau an der Kunsthochschule

Marie Ellenrieder, Selbstbildnis von 1818.,  Oel auf Leinwand, 53 x 43,2 cm.
Marie Ellenrieder war die erste Frau, die in Baden an einer Kunstschule studierte und sakrale Bilder für Kirchen malte – damals ein Novum. Selbstbildnis von 1818., Oel auf Leinwand, 53 x 43,2 cm.

Marie Ellenrieder wird 1791 in Konstanz als jüngste von vier Töchtern einer wohlhabenden Bürgerfamilie geboren. Ihr Großvater ist der Barockmaler Franz Ludwig Hermann.

Nach ihrer Lehre beim Konstanzer Miniaturmaler Joseph Einsle wird sie 1813 als erste Frau an der Königlichen Akademie der Bildenden Künste in München aufgenommen – auch dank der Fürsprache ihres Förderers Ignaz Heinrich von Wessenberg.

Wessenberg vermittelt ihr auch die ersten Aufträge nach ihrem Studium. So wird sie als Porträtmalerin an verschiedenen Fürstenhöfen in Südwestdeutschland tätig.

Marie Ellenrieder , „Knieendes Maedchen“ von 1841
Marie Ellenrieder hatte ein außerordentliches Gefühl für Farben und sanfte Übergänge, die ihren Bilder Lebendigkeit verleihen, wie das Bild „Knieendes Mädchen“ von 1841 zeigt.

Der große Traum der Italienreise

1820 malt Ellenrieder für die Nikolauskirche in Ichenheim drei Altarbilder. Sie ist die erste Frau in Baden, die Kunst für eine katholische Kirche fertigen darf.

Mit dem Erlös aus diesem Auftrag finanziert sich die Künstlerin ihre Italienreise. In Rom studiert Ellenrieder intensiv die Werke alter Meister und produziert auch eigene Werke. Prägend wird für sie die Zusammenarbeit mit den sogenannten Nazarenern, einer Gruppe von Malern um Friedrich Overbeck.

Ein ganzes Leben für die Kunst und Gott

Nach drei Jahren Auslandsaufenthalt kehrt Marie Ellenrieder zurück nach Konstanz und widmet sich nun ganz religiösen Sujets: Sie malt Altarbilder, die sakrale Kunst ist für sie Dienst an Gott.

Marie Ellenrieder malte in ihrer künstlerischen Hochzeit hauptsächlich sakrale Werke, unter anderem dieses von 1824  auf dem „Maria mit dem Jesusknaben an der Hand“ zu sehen ist.
Marie Ellenrieder malte in ihrer künstlerischen Hochzeit hauptsächlich sakrale Werke, unter anderem dieses von 1824 auf dem „Maria mit dem Jesusknaben an der Hand“ zu sehen ist.

Großherzog Ludwig verleiht ihr für ihr künstlerisches Werk den Vaterländischen Verdienstorden und ernennt sie zur Badischen Hofmalerin. Dadurch bekommt Marie Ellenrieder erstmals ein festes Gehalt und kontinuierliche Aufträge.

Marie Ellenrieder ist überzeugt davon, für die Kunst geboren zu sein. Da bleibt kein Platz für etwas anderes – schon gar nicht für einen Mann und Kinder. Sie ist durch ihre Arbeit finanziell unabhängig.  Ihrer Heimatstadt Konstanz bleibt sie ihr ganzes Leben lang treu.

Eine vergessene Ausnahmekünstlerin: Ludovike Simanowiz

Ein Selbstbildnis der Künstlerin Ludovike Simanowiz, geborene Reichenbach, das im 1827 entstand.
Ein Selbstbildnis der Künstlerin Ludovike Simanowiz, geborene Reichenbach, das im 1827 entstand. Eine Künstlerin, die auch Dank ihrer Freundschaft zu Friedrich Schiller nicht in Vergessenheit geraten ist.

Dass Künstlerinnen in Vergessenheit geraten, kann auch ein hausgemachtes Problem sein. So ist es bei der Künstlerin Ludovike Simanowiz, die keines ihrer Werke signierte. Wäre nicht ihre Freundschaft zu Friedrich Schiller und seiner Familie gewesen, würden wir heute wohl nichts über sie und ihre Kunst wissen.

Als Ludovike Reichenbach kommt sie 1759 zur Welt. Ihr Vater ist Militärarzt, ihre Mutter Tochter eines Apothekers. Die Familie zieht 1762 nach Ludwigsburg in die Mömpelgardstraße 26.

Dort zieht vier Jahre später auch die Familie Friedrich Schillers ein. Zwischen den Kindern entwickelt sich eine lebenslange Freundschaft. Vor allem zu Friedrich Schiller und seiner älteren Schwester Christophine ist die Beziehung innig.

Dank vieler Ausnahmen zur professionellen Künstlerin

Ludovikes Maltalent fällt früh auf. Ihr Onkel, der als Leibarzt des Herzogs Carl Eugen Geld und Kontakte besitzt, holt seine Nichte nach Stuttgart. Kunstschulen oder Akademien gibt es für Frauen nicht, deswegen bekommt sie Privatunterricht beim hochangesehenen Hof- und Theatermaler Nikolas Guibal.

Guibal empfiehlt Ludovike, ihr Kunststudium in Paris fortzusetzen. Mit finanzieller Unterstützung durch den Herzog und seine Frau Franziska von Hohenheim geht Ludovike 1787 für zwei Jahre nach Paris, wo sie sich vom französischen Hofmaler Antoine Vestier weiter ausbilden lässt.

Ludovike Simanowiz malte Friedrich Schiller, als sich der Dichter von September 1793 bis Mai 1794 ein letztes Mal in seinem Herkunftsland aufhielt.
Ludovike Simanowiz malte Friedrich Schiller, als sich der Dichter von September 1793 bis Mai 1794 ein letztes Mal in seinem Herkunftsland aufhielt.

Reise nach Paris inmitten der Revolution

1788 erhält Ludovike sie ihren ersten großen Auftrag: Sie soll die Familie von Friedrich Eugen von Württemberg malen. Anschließend kehrt sie zurück nach Stuttgart und heiratet 1791 Leutnant Franz Simanowiz. Ihm ist sie bereits seit ihrem 17. Lebensjahr verfallen.

Trotz der Französischen Revolution reist Ludovike ein zweites Mal nach Paris, um ihre Kunststudien fortzusetzen. Dort wird ihr als Ausländerin der Pass entzogen, sodass sie nicht ausreisen kann. Erst im Frühjahr 1793 kann sie ihre Heimreise antreten.

Ludovike entscheidet sich, mit der Malerei aufzuhören und sich ganz dem Eheleben zu widmen. Sie malt noch eine Auftragsarbeit: ein Bild der Familie Schiller samt einem Porträt von Friedrich Schiller und seiner Frau Charlotte.

Von der Ehefrau zur Familienernährerin

Als ihr Mann einen Schlaganfall erleidet und seine Beine gelähmt bleiben, pflegt ihn Ludovike Simanowiz 28 Jahre lang. Sie finanziert den Unterhalt der Familie durch Malunterricht. Außerdem nimmt sie weibliche Schüler als Pensionsgäste in ihrem Haus auf. Im Juni 1827 stirbt ihr Mann, Ludovike folgt ihm nur drei Monate später.

Ich habe mich an die Nothwendigkeit die Kunst mitunter als Erwerb treiben zu müssen, gewöhnt und habe es durch meinen Fleiß so weit gebracht, daß wir unabhängig leben können. Was wäre aus unserm Schicksal geworden, wenn mir Gott nicht den Muth geschenkt hätte, meine Kunst auf eine, ich gestehe es, sehr unangenehme Art, zu treiben. Nun ist der Lohn doch süß.

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