Kommentar

Best of der Saison 2022/23 bei „Theater heute“: Was bleibt außer Berlin?

Stand
Autor/in
Michael Laages

Wie jedes Jahr veröffentlicht die monatliche Zeitschrift „Theater heute“ eine Art
Hitparade und kürt so die Besten aus dem zurückliegenden Theaterjahr. Allerdings: Langweiliger als die Hitparade dieses Jahres war lange keine mehr, findet Michael Laages.

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Keine Chance gegen das Deutsche Theater in Berlin

Natürlich hatte diesmal kein Theater eine reelle Chance gegen das Deutsche Theater in Berlin, dessen Intendant Ulrich Khuon sich ja gerade verabschiedet hat, nach vierzehn Jahren.

Khuons Karriere bleibt einzigartig, mit dem Start in Konstanz, den Wechseln nach Hannover, Hamburg und Berlin, mit der Erfindung und Durchsetzung des wichtigsten Festivals für Autorinnen und Autoren, dessen Geschichte in Hannover begann.

Ähnlich weit vorn in der Gunst von 46 Kritikerinnen und Kritikern lagen „Ophelia’s got talent“, das Tanz-, Technik- und Wasser-Spektakel der Choreographin Florentina Holzinger, und die „Theaterbeschimpfung“ der Dramatikerin Sivan Ben Yishai: Am Holzinger-Kraftakt hat die Berliner Volksbühne beträchtlichen Anteil (obwohl das eine reisende Festival-Produktion ist), und Yishais durchaus umstrittener Text am Berliner Gorki-Theater uraufgeführt.

„Schauspieler des Jahres“ ist Joachim Meyerhoff geworden – für eine Produktion an der Schaubühne; und auch die ist in Berlin zu Hause.

Was repräsentiert diese Hitparade?

Spätestens hier muss gefragt werden, was diese „Hitparade“ eigentlich repräsentiert – außer Berlin. Immerhin stößt aus Zürich die Schauspielerin Wiebke Mollenhauer zum Kreis der Gekürten, der Ruhm für die aufregendste Bühne teilt sich Berlin immerhin mit Rieke Süßkows Handke-Uraufführung in Wien, den für die schönsten Kostüme erhalten anteilig wieder Süßkows Wiener Handke und der „Sommernachtstraum“ von Antu Romero Nunes aus Basel.

Erst mit den Namen des künstlerischen Nachwuchses tauchen (neben noch mehr Wien und Berlin) auch mal die Namen einiger anderer wichtiger Theaterstädte auf – aber in Stuttgart, Freiburg und Münster, Frankfurt, Köln und Hamburg, generell eigentlich im weiten Theaterland zwischen Konstanz und Kiel, Aachen und Nürnberg, Dresden und Düsseldorf wird offenbar Theater gespielt, dass keinerlei Erwähnung wert ist.

Die Hauptstadt kann alles alleine

Langweiliger also als die Hitparade dieses Jahres war lange keine mehr. Sie sagt niemandem (außer den Geehrten natürlich!) irgendetwas über den Zustand, die Komplikationen und Perspektiven darstellender Theaterkunst in diesem Land.

Sollte irgendwann mal ernstlich über die Aufnahme des Theatersystems im deutschsprachigen unter die Leuchttürme des Weltkulturerbes diskutiert werden, könnte sich die Jury den Weg über Berlin hinaus eigentlich sparen – die Hauptstadt kann alles alleine.

Die Hitparade einfach überblättern

Was natürlich blanker Unfug ist. Und darum schadet es nicht viel, den Leerlauf der Hitparade im Jahrbuch von „Theater heute“ zügig zu überblättern. Nicht mal das „Ärgernis der Saison fordert ernsthaft heraus. Denn natürlich liegt die Hundekot-Attacke des hannoverschen Choreographen Marco Goecke auf eine Kritikerin vorn… gähn.

Wem wirklich an der Fort- und Weiterentwicklung des Theaters gelegen ist, des städtischen wie des staatlichen und dem Theater der sogenannten „Freien Szene“, der findet reichlich Futter zum Nachdenken (und zum Widerspruch!) in den Beiträgen unter dem zentralen Heft-Motto „Knappheit“ und in der Umfrage darüber, worauf das Theater im Alltag ganz gut verzichten könnte.

Kann es auf das starke Stück verzichten – zu Gunsten der Performance? Auf besondere Schauspielerinnen und Schauspieler? Kann es auf Regie-Konzepte oder politische Diskurse verzichten? Auf eindrucksvolle Bühnen oder auf sozial verantwortlich agierende Theater-Betriebe und Tarifverträge?

Darum geht’s, nicht um die Hitparade.

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