610 Bürgermeister hatten bei der SWR-Umfrage im Herbst geantwortet. Ein Drittel von ihnen schloss damals aus weiterzumachen. 160 überlegten noch. Als Gründe wurden die schwierigen Gemeindefinanzen, immer mehr Pflichtaufgaben, finanzielle Probleme und die Bürokratie genannt. Oftmals fehle die Unterstützung der höheren Ebenen, wie etwa des Landes. Alle diese Aufgaben seien ehrenamtlich kaum noch zu stemmen, hieß es in fast allen Regionen des Landes.
Bürgermeister hoffen auf Entlastung
Die meisten der damals Befragten treten nun doch wieder an. Das ergab eine aktuelle Nachfrage des SWR. Viele möchten nach eigenen Angaben begonnene Projekte beenden und sicherstellen, dass ihr Dorf eigenständig und lebenswert bleibt. Oft habe die Dorfgemeinschaft inzwischen Unterstützung bei der Arbeit signalisiert.
In anderen Dörfern soll die Arbeit des Bürgermeisters auf mehrere Schultern verteilt werden, indem Beigeordnete eigene Geschäftsbereiche übernehmen. Einige Bürgermeister stellen sich nicht mehr der Urwahl durch die Bürger und Bürgerinnen, wollen aber weitermachen, wenn der Gemeinderat sie wählt.
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Am 9. Juni 2024 werden in RLP viele Bürgermeister und Bürgermeisterinnen und viele kommunale Parlamente gewählt. Doch wie wird man eigentlich selbst Kandidat?
Rücktritt des Gemeinderates in Freisbach sorgte für Aufsehen
Im August 2023 machte der Rücktritt des ehrenamtlichen Bürgermeisters und des kompletten Gemeindesrates der hochverschuldeten Gemeinde Freisbach im Kreis Germersheim bundesweit Schlagzeilen. Die Gemeinde hätte laut Kommunalaufsicht für die Jahre 2023 und 2024 ausgeglichene Haushalte vorlegen müssen, sah sich aber dazu nicht in der Lage.
Auch eine weitere Erhöhung der Grund- und Gewerbesteuern wollte man den Bürgerinnen und Bürgern nicht zumuten. Im November gab es dann Neuwahlen. Viele der Neugewählten nahmen die Wahl nur für den Fall an, dass sich die finanzielle Situation verbessern würde. Einige sind schon wieder zurückgetreten.
Nun hatte die Gemeinde doch noch Erfolg. Neun Monate später wurde der Haushalt genehmigt. Das bestätigt die zuständige Kreisverwaltung. "Wir sind wieder handlungsfähig", sagt der neue Ortsbürgermeister Jochen Ricklefs (parteilos). "Damit haben wir noch keine Sport- und Kulturhalle saniert und noch keine Wohnprojekte umgesetzt - aber wir sind einen Schritt weiter."
Die Gemeinde musste dafür keinen ausgeglichenen Haushalt vorlegen und auch nicht wie ursprünglich gefordert die Grundsteuer erhöhen.
Im folgenden Video erklärt Antonia Hofmann, welche Aufgaben die Kommunen für die Bürgerinnen und Bürger erledigen müssen.
Bürgermeister fordern bessere Arbeitsbedingungen
Im April sorgte eine Petition ehrenamtlicher Bürgermeister für Aufsehen. Darin forderten sie bessere Arbeitsbedingungen. Denn eigentlich leisteten sie einen Vollzeitjob, obwohl sie als Ehrenamtliche noch einer Erwerbsarbeit nachgehen müssten. Das sei kaum noch zu schaffen.
Die Petition richtete sich an die Landesregierung. Konkret forderten die Kommunalpolitiker darin Entlastungen in Form von Freistellungen, zusätzlichem Personal und höheren Aufwandsentschädigungen. Ein Treffen am 14. Dezember mit Innenminister Michael Ebling (SPD) habe keine konkreten Zusagen gebracht, so die Bürgermeister.
Keine einheitliche Datenlage bei Bürgermeister-Umfrage
Wie aber sieht es nun mit der Bereitschaft zu einer erneuten Kandidatur in den verschiedenen Regionen des Landes aus? Die Frage ist nicht einheitlich zu beantworten. Die Tendenz ist zwar eindeutig. Fast überall will eine Mehrheit der Befragten weitermachen, aber nicht überall gab es die gleiche Zahl an Rückmeldungen. Hier ein Überblick.
Westpfalz
Region Koblenz
Region Trier
Rheinhessen/Nahe
Vorder- und Südpfalz
Westen der Pfalz: Alternative zu AfD-Kandidat bieten
In der Region Kaiserslautern hatten knapp 90 Ortsbürgermeisterinnen und Ortsbürgermeister an der SWR-Umfrage teilgenommen. 31 gaben damals an, noch unentschlossen zu sein. Wir haben diese noch einmal angeschrieben. Davon haben sich 18 zurückgemeldet, dass sie wieder kandidieren, zwei werden nicht mehr kandidieren und eine Ortsbürgermeisterin wird erst einmal nicht zur Urwahl antreten. Offen ist noch, ob sie sich vom Gemeinderat wählen lässt.
Oftmals fehlt es an Alternativen Trotz Zweifeln: Bürgermeister im Westen der Pfalz treten doch zur Wahl an
Im Herbst waren zahlreiche Ortsbürgermeister aus der Westpfalz bei einer SWR-Umfrage noch unsicher, ob sie erneut kandidieren. Nun ist klar: Die meisten treten wieder an.
Auch im Westen der Pfalz gaben die Befragten meist an, dass sie Projekte weiterführen und sich trotz der schwierigen Rahmenbedingungen nicht entmutigen lassen wollten. Aber auch, weil es sonst keine anderen Kandidaten gebe und man mit dem Ort verbunden sei.
In Gauersheim (Donnersbergkreis) nennt Reiner Schlesser (SPD) noch einen anderen Grund, warum er trotz der angespannten Finanzlage wieder kandidieren will. Er wolle den Menschen im Ort eine Alternative zu einem AfD-Ortsbürgermeisterkandidaten bieten, der ebenfalls in Gauersheim antritt.
Region Koblenz: Unsachliche Kritik ein Grund zum Aufhören
Auch im nördlichen Rheinland-Pfalz war der Frust in den vergangenen Monaten deutlich spürbar. Von den 185 Bürgermeistern aus dem Norden des Landes, die an der Umfrage teilnahmen, waren 38 Teilnehmende noch unsicher, ob sie noch einmal kandidieren wollten. Der SWR hat bei den Unentschlossenen noch einmal nachgefragt.
35 haben sich nun zurückgemeldet. 23 kandidieren erneut, viele davon auch aus Pflichtgefühl und weil es sonst keinen Nachfolger gebe. Außerdem sagten viele, dass sie angefangene Projekte gerne fertigstellen möchten. Drei kandidieren zwar nicht bei der Direktwahl, haben sich aber nach eigener Aussage dazu bereit erklärt, sich vom Gemeinderat erneut zum Bürgermeister wählen zu lassen, sollte sich kein anderer Kandidat finden. Neun Bürgermeister haben sich endgültig gegen eine erneute Kandidatur entschieden.
Zunehmend unsachliche Auseinandersetzungen treiben einige aus dem Amt, zum Beispiel eine Bürgermeisterin aus dem Kreis Cochem-Zell, die ihren Namen nicht genannt haben will. Sie sagt, sie sei mehrfach sehr unsachlich angegangen worden: "Ich nehme mir das alles zu sehr zu Herzen. Vielleicht sieht es irgendwann nochmal anders aus. Aber im Moment geht es nicht mehr."
Kommunalwahl im nördlichen RLP Warum viele Bürgermeister trotz Überforderung weitermachen
Geldsorgen, komplizierte Prozesse und unzufriedene Bürger überfordern viele Bürgermeister im nördlichen RLP. Trotzdem treten die meisten wieder an.
Region Trier: Teamarbeit ist gefragt
Die Aufgaben der Ortsbürgermeister sind vielfältig und komplex. Deshalb ist Teamarbeit gefragt. Unter diesen Vorzeichen hat sich auch Ortsbürgermeister Norbert Sproß (WG) aus Veldenz an der Mosel motivieren lassen, weiter zu machen. Es wird künftig nur noch eine Liste für den Gemeinderat geben - unabhängig von der Parteizugehörigkeit. Man werde an einem Strang ziehen, um beispielsweise den Dorfkern weiter zu entwickeln. Außerdem setze man auf erneuerbare Energien.
Sproß ist schon seit Jahrzehnten im Amt. In seine Zeit fiel unter anderem ein schweres Hagelunwetter, bei dem fast alle Dächer im Dorf zerstört wurden.
In der Region Trier waren ursprünglich 24 befragte Bürgermeister unentschieden, ob sie bei der Kommunalwahl am 9. Juni nochmals antreten sollen. Auf die erneute Nachfrage haben nun 19 geantwortet. Nur einer von ihnen tritt nicht mehr an. Ein weiterer hatte schon im Herbst hingeworfen. Dort übernahm die Beigeordnete das Amt. Sie kandidiert nun auch als Bürgermeisterin.
Kommunalwahl in der Region Trier Trotz Frust - viele Bürgermeister in der Region Trier wollen weitermachen
Leere Gemeindekassen, schwieriger Kita-Ausbau, überbordende Bürokratie. Vielen Bürgermeistern langt es. Trotzdem werden viele sich erneut zur Wahl stellen.
Rheinhessen: Zu viele Regeln und Vorschriften beklagt
Wenn in Rheinland-Pfalz die Kommunalwahlen stattfinden, steht auch Matthias Becker (CDU) aus Ober-Olm in Rheinhessen wieder auf dem Wahlzettel. Im vergangenen Jahr hatte er daran gezweifelt, ob er sich das nochmal antun soll: Die vielen Regeln und Vorschriften, deren Sinn er oft nicht sieht - und den Mangel an Veränderungswillen, der aus seiner Sicht herrscht, gab er als Gründe bei der SWR-Umfrage im vergangenen Jahr an, warum er sich noch nicht entschieden habe, ob er wieder antreten wolle.
Trotz Bürokratie und Finanzproblemen Viele Bürgermeister in Rheinhessen-Nahe treten wieder zu Kommunalwahl an
Die meisten der Ortsbürgermeister in Rheinhessen haben sich entschieden, nochmal zu kandidieren – doch ihre Kritik an den kommunalen Strukturen bleibt.
Damit gehörte er zu den 19 von insgesamt mehr als 80 teilnehmenden Ortsbürgermeistern in den Landkreisen Alzey-Worms, Mainz-Bingen und Bad Kreuznach, die noch unsicher waren. Die meisten aus ähnlichen Gründen wie Becker: Zu viel Bürokratie, zu wenig Geld, um Projekte umzusetzen, zu viel Arbeitsaufwand für ein Ehrenamt.
Der SWR hat nun bei den Unentschlossenen noch einmal nachgefragt, wie sie sich am Ende entschieden haben. Das Ergebnis: Von 19 treten 14 Bürgermeister wieder an, fünf geben ihr Amt auf. Becker denkt bei seinem Engagement vor allem an die Zukunft der kommenden Generation - also der Kinder. Andere machen einfach weiter, weil sich sonst niemand findet.
Hauptamtliche Bürgermeister gefordert
Claudia Bläsius-Wirth (CDU), noch Bürgermeisterin von Guntersblum, fordert eine Kommunalreform. Gemeinden mit mehr als 3.500 Einwohnern sollten von hauptamtlichen Bürgermeistern geleitet werden.
Dass sie nun nicht mehr als Ortsbürgermeisterin antritt, will sie auch als Zeichen verstanden wissen: "Es ist eine rote Karte an die Verbandsgemeinde, an den Kreis und eine dunkelrote Karte an das Land."
Vorder- und Südpfalz: Gemischte Reaktionen
Vor der Kommunalwahl am 9. Juni haben sich in der Vorder- und Südpfalz 14 bislang Unentschlossene auf SWR-Nachfrage gemeldet. Dabei ergab sich bei den befragten Ortsbürgermeistern ein gemischtes Bild. Wegen dieses geringen Rücklaufs ist es hier schwierig, ein repräsentatives Bild zu gewinnen.
"Meine Akkus sind leer", sagt etwa Ralf Lorenz aus Niederhorbach (parteilos) im Kreis Südliche Weinstraße. Der Job koste zu viel Kraft, habe ihm aber viel Spaß gemacht.
SWR-Umfrage Trotz Überforderung: Viele Pfälzer Bürgermeister wollen weitermachen
Bürokratie, knappe Kassen und Anfeindungen. Bei einer SWR-Umfrage im Oktober fühlten sich viele Ortsbürgermeister in der Pfalz überfordert. Vor der Kommunalwahl ist die Stimmung geteilt.
Johann Kumpfmüller (parteilos), Ortsbürgermeister im benachbarten Gleiszellen-Gleishorbach, will dagegen weitermachen. Viele Mitglieder des Gemeinderats hätten ihn dazu ermutigt. Außerdem habe sich eine Gegenkandidatin beworben und er freue sich auf den Wahlkampf. "Falls ich gewinnen sollte, ist das auch eine schöne Bestätigung für meine Arbeit."
Hätte es andere Bewerber gegeben, hätte Hans-Peter Carius aus Münchweiler am Klingbach im Kreis Südliche Weinstraße sofort aufgehört. Jetzt tritt der Einzelbewerber doch wieder an. "Irgendjemand muss sich ja um das Wohl der Gemeinde kümmern", sagt Carius.