"Jetzt reicht es uns", sagt Peter Gauweiler, seit mehr als 20 Jahren parteiloser Ortsbürgermeister von Freisbach (Kreis Germersheim). Er und die 16 Ratsmitglieder sind frustriert. Der Finanzhaushalt für dieses und kommendes Jahr wurde von der Kommunalaufsicht immer noch nicht genehmigt, weil die Ausgaben des Ortes die Einnahmen deutlich übersteigen. Freisbach soll die Steuern anheben, sagt die Kommunalaufsicht. Doch das wollen Gemeinderat und Ortsbürgermeister nicht.
"Unser Haushalt in Freisbach ist seit vielen Jahre nicht ausgeglichen", sagt Ortsbürgermeister Gauweiler. Bisher sei das für die Kommunalaufsicht, die beim Kreis Germersheim angesiedelt ist, kein Problem gewesen. Bis jetzt.
Kommunalaufsicht: Das Minus im Freisbacher Haushalt soll weg
Die Gemeinde Freisbach soll einen ausgeglichenen Doppelhaushalt vorlegen. Doch 2023 und 2024 hat der kleine Ort eigentlich ein Minus von 1,25 Millionen Euro. "Für unsere Pflichtausgaben haben wir eben mehr Kosten, als das, was wir einnehmen", sagt Noch-Ortsbürgermeister Peter Gauweiler.
"Und von unseren 1,2 Millionen Euro an Einnahmen bleibt uns sehr wenig. Eine Million geben wir als Umlage weiter an unsere Verbandsgemeinde Lingenfeld und den Kreis Germersheim", so Gauweiler.
Gemeinderat weigert sich, Steuern zu erhöhen
Weder könnte der 1.100-Einwohner-Ort zwischen Landau, Neustadt und Speyer bei den Ausgaben einsparen noch auf die Forderung der Kommunalaufsicht eingehen, die Steuern für Einwohner und Unternehmen anzuheben. "Das will der Gemeinderat auf keinen Fall", sagt Gauweiler. Das würde zum einen den Haushalt auch nicht ausgleichen - ein Großteil der Mehreinnahmen würde wieder an Kreis und Verbandsgemeinde wandern. Und zum anderen hätten die Steuererhöhungen keinen Mehrwert für die Bürger.
Städte- und Gemeindebund: Freisbach wird kein Einzelfall bleiben
Es ist das erste Mal in Rheinland-Pfalz, dass ein Gemeinderat und ein Ortsbürgermeister geschlossen zurücktreten. Aber es wird nicht dabei bleiben, schätzt der Städte- und Gemeindebund (GStB) Rheinland-Pfalz. Der GStB fordert: Gemeinde und Städte in Rheinland-Pfalz bräuchten eine deutlich bessere Finanzsituation. Die angekündigten Rücktritte in Freisbach könnten kein Einzelfall bleiben. "Bereits jetzt haben wir die Rückmeldung von immer mehr Ortsbürgermeisterinnen und Ortsbürgermeistern, dass sie aufgrund dieser Umstände nicht mehr bereit sind, bei der Kommunalwahl im nächsten Jahr für das Amt zur Verfügung zu stehen". 2.260 Ortsgemeinden in Rheinland-Pfalz werden laut Verband von ehrenamtlichen Ortsbürgermeistern geführt.
Haushalte müssen ausgeglichen sein
Mit "diesen Umständen" ist die Neuregelung des Kommunalen Finanzausgleichs gemeint, die seit 1. Januar dieses Jahres gilt und die Finanzbeziehungen zwischen Land und Kommunen regelt. Laut rheinland-pfälzischer Gemeindeordnung muss jeder Haushalt ausgeglichen sein. Die Kommunalaufsicht ist zuständig fürs Einhalten dieser Regel.
Wenn eine Kommune nachweisen kann, dass sie alle Einsparmöglichkeiten ausgeschöpft hat, so kann ihr Haushalt auch genehmigt werden, wenn er nicht ausgeglichen ist, also noch immer ein Minus aufweist. Das hat der Rechnungshof dem SWR bestätigt.
Auch zwei Südpfälzer CDU-Politiker melden sich zu Wort. In einer gemeinsamen Mitteilung schreiben der Bundestagsabgeordnete Thomas Gebhart und der Landtagsabgeordnete Martin Brandl, Freisbach sei mehr als ein Hilferuf: "Seit Jahren stattet das Land die Städte, Gemeinden und Landkreise zu schlecht aus." Wenn die Ampel-Regierung aus SPD, Grünen und FDP nicht "massiv umsteuert", werde es immer weniger Menschen geben, die bereit sind, sich kommunalpolitisch zu engagieren. Ähnlich sieht das Joachim Streit, haushaltspolitischer Sprecher der Freien Wähler im Landtag. "Wir steuern auf ein demokratiegefährdendes Szenario zu. Ohne Kommunalpolitiker droht Stillstand vor Ort."
Der Chef der CDU-Landtagsfraktion, Gordon Schnieder, sprach von einer "nie dagewesenen Zäsur zwischen den rheinland-pfälzischen Gemeinden und der Landesregierung." Fritz Brechtel, CDU-Landrat sagt, viele Kommunen im Land befänden sich in einer ähnlichen Situation wie Freisbach. "Die eigenen Steuereinnahmen reichen nicht aus, die Landesvorgaben sind hier nicht zielführend." Selbst wenn die Gemeinde die Grundsätze oder Hebesätze bis an die Obergrenze anheben und damit Ihre Bürger und ansässige Unternehmen belasten würde, reichten die Finanzmittel nicht aus.
Kita im Container - aber ohne Möbel
Die desolate Finanzlage und die Hängepartie mit der Kommunalaufsicht hat unmittelbare Auswirkungen auf Freisbach. Beispiel: die Kita. Eigentlich will die Gemeinde wegen Platzproblemen eine neue Kita bauen. Doch das fünfeinhalb-Millionen-Euro-Projekt ist aufgeschoben. Immerhin ein neuer Container soll Platz schaffen. Da der Haushalt noch nicht genehmigt ist, musste der Ort auf grünes Licht der Kreisverwaltung warten, um Möbel für Kinder und Erziehende anzuschaffen. Diese Genehmigung liegt nun vor.
Am nächsten Dienstag wollen Gemeinderat und Bürgermeister auf einer Sitzung zurücktreten. "Wir hoffen, dass das in Mainz gehört wird", sagt Freisbachs Bürgermeister. Mit Mainz meint er die rheinland-pfälzische Landesregierung. So wie viele andere Städte und Gemeinden fordert auch Freisbach, dass das Land den Kommunen mehr Geld geben muss - verbunden mit dem Rücktritt als Hilferuf.
Zuständiges Ministerium: Teil des Entschuldungsprogramms
Auf SWR-Anfrage schreibt das Innenministerium: "Wir hoffen, dass die Ankündigungen und möglichen Entscheidungen noch einmal zum Wohle der örtlichen Gemeinschaft überdacht werden." Das Ministerium kündigte an, voraussichtlich eine Million Euro Schulden von Freisbach im Rahmen der Partnerschaft zur Entschuldung der Kommunen zu übernehmen. Das Verfahren dazu laufe noch. Gleichzeitig müsse die Gemeinde auch selbst dazu beitragen, ihren Haushalt zu sanieren.