Die politische Ausgangslage
Im Wahlkreis Pforzheim hat seit 60 Jahren - bis auf eine Ausnahme - immer die CDU das Direktmandat geholt. Der Wahlkreis wird derzeit von Gunter Krichbaum (CDU) und Katja Mast (SPD) in Berlin vertreten. Beide gelten auch bei dieser Wahl als gesetzt. Außerdem könnte der Wahlkreis mindestens eine weitere Abgeordnete dazugewinnen, da Grünen-Kandidatin Stephanie Aeffner, obwohl sie Newcomerin ist, einen erfolgversprechenden Listenplatz ergattern konnte.
Spannend dürfte bei dieser Wahl werden, wie gut die AfD abschneidet, die in der Region Pforzheim eine ihrer Hochburgen hat und bei der vorletzten Landtagswahl dort sogar das Direktmandat erzielte. Bei der Bundestagswahl vor vier Jahren holte der damalige AfD-Kandidat Waldemar Birkle, bis dahin ein unbeschriebenes Blatt, gut 16 Prozent der Zweitstimmen - so viel wie die SPD. Obwohl die CDU ihr bisher schlechtestes Ergebnis einfuhr, sicherte sich Gunter Krichbaum erneut das Direktmandat.
Die größten Herausforderungen vor der Bundestagswahl
Für die CDU dürfte es ebenso wie für die SPD darum gehen, Antworten zu finden auf die Frage, wie man aus einer Stadt mit hoher Arbeitslosigkeit und dem größten Migrantenanteil im Land eine prosperierende, multikulturelle Metropole schafft.
Entgegen dem Landestrend erreichten die Grünen im Raum Pforzheim bei der letzten Bundestagswahl nur knapp ein zweistelliges Ergebnis. Das Thema Klimawandel tritt in der finanziell notorisch klammen Stadt eher in die zweite Reihe. Können die Grünen das ändern? Immerhin gingen sie im März aus der Landtagswahl als Sieger in Pforzheim hervor.
Pforzheim soll sich noch stärker zur Smart City entwickeln, in der auch viele kreative Start-Ups ein Zuhause finden. In der Stadt und im angrenzenden Enzkreis gibt es zudem einige Automobilzulieferer. Kann die FDP daher mit ihren Themen Bildung und Digitalisierung sowie der Verteidigung des Verbrennungsmotors punkten?
So stark die AfD bei Wahlen in Pforzheim und im Enzkreis in den letzten Jahren abschnitt - bei der Landtagswahl Anfang des Jahres gab es einen kleinen Dämpfer, als die AfD von ihrer Spitzenposition auf Rang vier verdrängt wurde.
Die Direktkandidatinnen und Direktkandidaten
Die Reihenfolge der Kandidierenden ergibt sich aus dem Endergebnis der Bundestagswahl 2017 in Baden-Württemberg.
Unter den großen Parteien schickt die CDU Gunther Krichbaum ins Rennen, seit 2002 der direkt gewählte Abgeordnete der Christdemokraten. Ein Schwerpunkt des 57-jährigen ist die Europapolitik.
Mit Listenplatz fünf ist Katja Mast (SPD) der fünfte Einzug in den Bundestag so gut wie sicher. Dort soll sich die 50-jährige weiter als Fraktionsvize für die Bereiche Arbeit und Soziales engagieren.
Für viele ist Grünen-Kandidatin Stephanie Aeffner noch ein unbeschriebenes Blatt. Dennoch steht die 45-jährige schon seit fünf Jahren in engem Kontakt zur Landespolitik - als Behindertenbeauftragte des Landes Baden-Württemberg.
Rainer Semet kann nicht gerade mit seinem Bekanntheitsgrad punkten. Der 63-jährige Berufsschullehrer ist Polit-Neuling und tritt für die FDP an.
Mit Diana Zimmer schickt die AfD die mit Abstand jüngste Kandidatin ins Rennen um einen Sitz im Bundestag. Auch im Pforzheimer Gemeinderat ist die 22-Jährige die Jüngste.
Für die Linke kandidiert die Kauffrau Meltem Çelik.
Alle Kandidatinnen und Kandidaten im Vergleich SWR Kandidatencheck zur Bundestagswahl 2021 in Baden-Württemberg
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Die Top-Themen vor der Wahl
Die finanzielle Not der in vielerlei Hinsicht sozial schwierigen Stadt Pforzheim ist ein Dauerthema. Der anhaltende Strukturwandel nach dem Niedergang der Schmuckindustrie brachte auch eine Bugwelle von Langzeitarbeitslosen mit sich, die die Stadt noch immer vor sich herschiebt. Es fehlt an allem: an funktionierenden Bädern, an genügend Kita-Plätzen und an Gewerbeflächen.
Corona hat die Situation eher noch verschärft. Insofern wollen sich alle Parteien für mehr Unterstützung aus Berlin einsetzen, etwa in Form von Förderprogrammen für Sanierungsmaßnahmen oder Integration. Der Verkehr, der sich durch die Innenstadt quält, zu wenige Radwege und eine unbefriedigende Anbindung an den Bahnfernverkehr sind Dauerärgernisse für die Pforzheimer Bevölkerung, für die die Politik in ihren Augen noch keine Lösung gefunden hat.
Immerhin: Ab Ende 2023 soll die neue Westtangente einen Teil des Durchgangsverkehrs aus der Innenstadt fernhalten. Ein paar Jahre länger wird es noch dauern, bis eines der letzten Nadelöhre auf der A8 verschwindet. Nach mehreren Verzögerungen soll es Ende dieses Jahres mit dem sechsspurigen Ausbau zwischen Pforzheim-Süd und -Ost losgehen - worauf die stau- und lärmgeplagten Anwohnerinnen und Anwohner seit vielen Jahren sehnsüchtig warten.
Besonderes aus dem Wahlkreis
Spannend wird die Frage, welche Rolle die erst im Februar im Raum Pforzheim gegründete "Bürgerbewegung für Fortschritt und Wandel" um den ehemaligen Sozialdemokraten und Ex-Portsche-Betriebsratschef Uwe Hück spielt.
Hück hatte die SPD im Streit verlassen und für viel Wirbel in der Region gesorgt. Er selbst tritt nicht als Direktkandidat in Pforzheim an, sondern führt die Landesliste an. Trotzdem könnte die "Bürgerbewegung" gerade in ihrem Heimat-Wahlkreis die etablierten Parteien die ein oder andere Stimme kosten.