Die politische Ausgangslage
Olav Gutting (CDU) aus Oberhausen-Rheinhausen im Landkreis Karlsruhe hat seit 2002 fünf Mal hintereinander das Direktmandat im Wahlkreis Bruchsal-Schwetzingen für die CDU erobert. Eigentlich sollte die Lage klar sein, aber der Kandidat ist angeschlagen, weil ihm in der Aserbaidschan-Affäre zu enge Verbindungen ans Kaspische Meer nachgesagt werden. Gutting bestreitet diese Vorwürfe vehement und sieht sich als Opfer einer Verleumdungskampagne durch politische Gegner.
Seine Grüne Herausforderin ist Nicole Heger aus Waghäusel. Ihr Wahlkampfmotto "Alles ist drin" deutet schon an, dass der Ausgang dieser Wahl durchaus offen sein könnte. Sie selbst unterlag als Kandidatin für den Landtag knapp dem CDU-Granden Uli Hockenberger aus Bruchsal. Ob das ein Vorzeichen für die Bundestagswahl sein könnte?
Warum bei dieser Wahl trotzdem alles anders kommen könnte als bei vorangegangenen Bundestagswahlen? Weil die Grünen in den letzten Jahren auch hier deutlich zulegen konnten und im Wahlkreis 278 gleich zwei starke Persönlichkeiten hervorgebracht haben. So wurde der bisherige Grüne MdB und Finanzexperte Danyal Bayaz auch wegen seiner Verdienste bei der Aufklärung der Wirecard-Affäre zum Finanzminister in Baden-Württemberg berufen.
Zweite starke Persönlichkeit der Grünen im Wahlkreis ist der ehemalige Staatsekretär und Ex-NABU-Chef Andre Baumann. Er holte im Wahlkreis Schwetzingen zuletzt bei der Landtagswahl das Direktmandat für seine Partei. Inzwischen ist Baumann zum zweiten Mal Staatsekretär im Umweltministerium des Landes.
Die größten Herausforderungen vor der Bundestagswahl
Der Spargelwahlkreis 278 Bruchsal-Schwetzingen ist ein Kunstprodukt. Er entstand 2002 mit der Verkleinerung des Bundestages und einem damit verbundenen Neuzuschnitt der Wahlkreise. Mitten durch den Wahlkreis verläuft die Kreisgrenze zwischen dem Landkreis Karlsruhe und dem Rhein-Neckar-Kreis. Diese "Grenze" ist eine politische, keine kulturelle. Sie spielt aber bei der Betrachtung der Herausforderungen im Wahlkreis eine Rolle.
Keine zweite Kommune im Wahlkreis steht so stark für den ökologischen und wirtschaftlichen Wandel wie die Stadt Philippsburg. Der Rückbau des AKW und der Neubau eines Konverters für Strom aus Windkraft sind nicht nur Symbole der Energiewende in der Region. Sie werden auch von erheblichen wirtschaftlichen Veränderungen begleitet. Das produzierende Gewerbe weicht dem Dienstleistungssektor. Auf dem Philippsburger Goodyear-Gelände etwa entsteht jetzt Logistik-Infrastruktur.
Für die Stadt Schwetzingen mit ihrem berühmten Schlossgarten ist der pandemie-bedingte Einbruch beim Tourismus eine besonders schwere Bürde. Das Schloss und der Garten gehören zwar dem Land, aber von den Touristen profitieren normalerweise auch der örtliche Einzelhandel und die Gastronomie. Der Kampf gegen die Pandemie hat damit unmittelbare Auswirkungen vor Ort.
Die Direktkandidatinnen und Direktkandidaten
Die Reihenfolge der Kandidierenden ergibt sich aus dem Endergebnis der Bundestagswahl 2017 in Baden-Württemberg.
Sechs Kandidatinnen und Kandidaten bewerben sich für die größeren Parteien um das Bundestagsdirektmandat: Olav Gutting (CDU), Neza Yildirim (SPD), Nicole Heger (Grüne), Christopher Gohl (FDP), Ruth Rickersfeld (AfD) und Alena Schmitt (Linke).
Olav Gutting (CDU) ist der zumindest bislang unangefochtene Stimmenkönig im Wahlkreis 278. Seit 2002 sitzt er für die CDU im Bundestag. Mit einem Traumergebnis von über 98 Prozent wurde er auch diesmal wieder von den Delegierten seiner Partei nominiert. Die Partei stellt sich damit auf jeden Fall geschlossen hinter ihren Kandidaten, der in der Aserbaidschan-Affäre deutlich Federn lassen musste.
Neza Yildirim (SPD) ist eine Juristin aus Schwetzingen. Sie tritt bereits zum zweiten Mal für die SPD bei einer Bundestagswahl an und lag 2017 mit knapp 20 Prozent bei den Erststimmen auf dem zweiten Platz hinter Olav Gutting..
Nicole Heger (Die Grünen) ist die glücklose Kandidatin aus der Landtagswahl im Frühjahr. Sie unterlag dem CDU-Mann Hockenberger knapp und tritt nun als Bundestagskandidatin an. Politisch gesehen ist sie ein eher unbeschriebenes Blatt im Wahlkreis.
Christopher Gohl (FDP) ist zwar seit über 30 Jahren Mitglied der Liberalen, sitzt aber erst seit Mai im Bundestag. Er ist Nachrücker für den früheren MdB Christian Jung, der als Abgeordneter in den Stuttgarter Landtag wechselte.
Die AFD, bei den Bundestagswahlen im Jahr 2017 drittstärkste Kraft im Wahlkreis Bruchsal-Schwetzingen, setzt auf Betriebswirtin Ruth Rickersfeld aus Waghäusel.
Alena Schmitt (Linke) ist mit 20 Jahren die jüngste Kandidatin für diese Bundestagswahl im Wahlkreis 278. Sie ist Schülerin und kommt aus Bruchsal.
Wir stellen hier die sechs Kandidatinnen und Kandidaten der im Bundestag vertretenden Parteien vor. Alle weiteren Personen finden Sie im SWR Kandidatencheck.
Alle Kandidatinnen und Kandidaten im Vergleich SWR Kandidatencheck zur Bundestagswahl 2021 in Baden-Württemberg
Wer verbirgt sich hinter den Namen auf Ihrem Wahlzettel und welche Motivation steckt hinter der Kandidatur? Finden Sie die Kandidierenden in Ihrem Wahlkreis und vergleichen Sie die Positionen zu wichtigen politischen Themen.
Die Top-Themen vor der Wahl
Umweltpolitisch gesehen sind die geplanten zehn Windräder an der A5 zwischen St. Leon im Rhein-Neckar-Kreis und Bad Schönborn im Landkreis Karlsruhe das Aufregerthema im Spargelwahlkreis. Während sich der Grüne Bayaz und der CDU Mann Gutting für den Windpark Lußhardt ausgesprochen haben, gibt es Widerstand unter anderem von FDP und der AfD. Auch CDU-Ortsvereine in unmittelbarer Nachbarschaft gehen auf Distanz zu den Windkraftplänen im Hardtwald, etwa die CDU in St. Leon-Rot.
Längerfristig wird auch das Thema Geothermie die Region beschäftigen, denn die Energiekonzerne MVV und EnBW haben ein großangelegtes Projekt zur Erforschung der Erdwärme rund um Schwetzingen gestartet. Gebohrt werden soll unter anderem auch auch in Graben-Neudorf.
Für den südlichen Teil des Spargelwahlkreises spielt der geplante Ausbau der B35 von Bruchsal nach Bretten eine wichtige Rolle. Der Bund hat die Strecke in den sogenannten vordringlichen Bedarf aufgenommen und damit in der Region für erhebliche Diskussionen gesorgt. Wobei die Diskussionslinie eher kommual- und umweltpolitischen Überlegungen folgt als irgendwelchen Parteilinien.
Möglicherweise mitten durch den Wahlkreis 278 könnte auch die geplante neue Bahnverbindung zwischen Mannheim und Basel verlaufen. Zumindest wird ein solcher Trassenverlauf diskutiert. Allerdings ergeben sich allein durch die bauliche Verdichtung in der Region und durch politischen Widerstand vor Ort erhebliche Schwierigkeiten. Ein Langfristthema mit Zündstoff auf jeden Fall.
So gehen die großen Parteien in den Wahlkampf
Noch bei der Landtagswahl im März waren die Kandidaten eigentlich in der Öffentlichkeit nicht präsent. Das ändert sich gerade. Die Terminkalender von Nicole Heger oder Yildirim Nezaket sind voll gepackt in den nächsten Wochen. Mit Gesprächen und klassischen Marktplatz-Wahlkampf-Terminen etwa in Reilingen, Brühl, Ketsch, Waghäusel oder Bruchsal suchen diese Kandidatinnen offensiv den Kontakt zum Wahlvolk.
Christopher Gohl und Olav Gutting setzen weiter auf soziale Medien und sind unter anderem bei Twitter oder Facebook zu finden. Aber auch der Terminkalender von Olav Gutting füllt sich zusehends mit Vor-Ort-Terminen im Wahlkreis Bruchsal-Schwetzingen.