Am Montagabend haben sich in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Adelsheim erneut Inhaftierte mit Opfern getroffen. Das Projekt "Opfer und Täter im Gespräch" (OTG) des Seehaus e.V. läuft nun in der dritten Runde im Gefängnis im Neckar-Odenwald-Kreis.
Täter und Opfer sprechen in der JVA über Erlebtes
In einem Stuhlkreis sitzen jugendliche Täter und Opfer zusammen und sprechen gemeinsam über ihre Erlebnisse. Die jungen Männer, die in der JVA einsitzen, nehmen freiwillig an den Gesprächen teil. Das Projekt verkürzt auch nicht ihre Haft. Die Täter sind beispielsweise wegen versuchten Mordes, Banküberfälle oder Betrugsdelikte im Gefängnis. Geleitet werden die Treffen von Sozialpädagogin und Projektleiterin Minke Burkhardt.

Treffen in Adelsheim sollen Versöhnung bringen
Die Opfer und Täter stehen allerdings nicht in Verbindung miteinander und kennen sich bis zu diesem Zeitpunkt nicht. Die Taten liegen teilweise schon viele Jahre zurück. Die Opfer nehmen an dem Projekt teil, um ihr Schicksal mit den Häftlingen teilen zu können.
In insgesamt sechs Treffen können Täter und Opfer miteinander sprechen. In den Gesprächen geht es um Themen wie Schuldeingeständnis und Reue, aber auch um Vergebung. Ziel der Gespräche ist die gemeinsame Versöhnung.
Sozialpädagogin: Opfer kommen oft zu kurz
Projektleiterin Minke Burkhardt erklärt, es sei wichtig, auch den Opfern der Taten zuzuhören. Denn diese kämen im System oft zu kurz. Nach ihrer Aussage im Gerichtssaal spielten sie oft keine Rolle mehr, so Burkhardt. Durch das Programm bekommen die Opfer die Möglichkeit, sich mitzuteilen und "zu heilen". Außerdem werden die Täter durch die Gespräche nochmals mit ihren Taten konfrontiert. Burkhardt sagt, sie erlebe häufig, dass die Gespräche die Täter zum Nachdenken bringen.
Die Geschädigten haben oft gar keine Stimme.

Opfer eines Banküberfalls helfen die Gespräche
Auch wenn die Taten teilweise Jahre zurückliegen, bleiben sie vielen Opfern für immer im Kopf. Ines Agert ist eine Teilnehmerin des Projekts. Sie wurde vor vielen Jahren Opfer eines Banküberfalls. Der Täter hatte ihr angedroht, sie zu erschießen. Sie nimmt wahr, dass ihr Schicksal durch ihre Erzählungen zu den Tätern durchdringe. Agert hat schon häufiger an dem Projekt teilgenommen. Sie erzählt, dass die Gespräche für sie eine Befreiung gewesen seien. Heute habe sie fast keine Angst mehr.
In dem Augenblick, wo wie erzählen, wie wir uns heute noch fühlen, da bricht was durch bei diesen Jugendlichen.
Jugendliche Täter sollen verstehen, was sie anderen antun
Die Leiterin der JVA Adelsheim, Katja Fritsche, betont, dass die inhaftierten jungen Männer erkennen sollen, was sie mit ihren Taten "wirklich angerichtet haben". Denn nur, weil sie vor Gericht standen und nun im Gefängnis sitzen, heiße dies nicht, dass sie ihr Verhalten wirklich reflektieren. Sie machten sich häufig keine Gedanken darüber, was sie "diesen Menschen antun", so Fritsche.
Oft seien die Männer erst mit sich selbst beschäftigt und sähen sich selbst als Opfer ihrer Situation, sagt Fritsche. Erst im Gefängnis begännen die Täter über ihre Taten nachzudenken. Es sei wichtig, dass der Dialog weit ab von Gerichtssälen und Bestrafung stattfinde. Denn es gehe auch um Bearbeitung der Taten und Aussöhnung.
Häftlinge sollen keine Wiederholungstäter werden
Durch die Gespräche sollen laut Fritsche beide Seiten profitieren. So können die Opfer über ihr Schicksal sprechen. Besonders aber sollen die Häftlinge spüren, was sie anderen angetan haben. Dadurch soll verhindert werden, dass sie nach ihrer Entlassung noch einmal zum Täter werden.