Zwei junge Männer gehen über den weitläufigen Hof des Jugendgefängnisses in Adelsheim (Neckar-Odenwald-Kreis). Die Kleinstadt nördlich von Heilbronn hat die einzige Justizvollzugsanstalt nur für Jugendliche in Baden-Württemberg. Die beiden haben eine Stunde Hofgang am Tag. Sie sitzen teils seit Jahren im Gefängnis, während Gleichaltrige einen Schulabschluss machen, eine Ausbildung oder ein Studium beginnen.
Auch Fabian (Name von der Redaktion geändert) wollte eigentlich Abitur machen und studieren. Jetzt sitzt er seit dreieinhalb Jahren im zweitgrößten Jugendgefängnis in Deutschland, wegen Totschlags. "Es war an einem Bahnhof, und da war ein Obdachloser. Der hat mit einem Mann Stress gemacht, der in die Bahn einsteigen wollte. Ich bin dazwischengegangen, habe gesagt, der soll die Leute in Ruhe einsteigen lassen. Dann hat er mit mir Stress gemacht", schildert Fabian die Situation. Erst habe er versucht, den Mann zu beruhigen - das habe aber nichts gebracht.
Jugendkriminalität wieder auf Vor-Corona-Niveau
Die beiden jungen Männer stehen stellvertretend für Jugendliche, die straffällig werden, aus "normalen" oder "schwierigen Verhältnissen", mit Migrationshintergrund und ohne. Die Jugendkriminalität im Land hat im vorigen Jahr um 7,7 Prozent zugenommen. Mit mehr als 52.000 Fällen hat sie in etwa das Niveau des letzten Vor-Corona-Jahres 2019 erreicht, heißt es im "Sicherheitsbericht Baden-Württemberg", für den das Innenministerium die polizeiliche Kriminalitätsstatistik auswertet. Knapp zwei Drittel der Tatverdächtigen unter 21 Jahren sind Deutsche, gut ein Drittel sind Nichtdeutsche, davon wiederum ein Drittel Geflüchtete und Personen im Asylverfahren. Verstöße gegen das Ausländerrecht sind in dieser Statistik nicht berücksichtigt, da es sich um spezifische Vergehen handelt, die Menschen mit deutschem Pass nicht begehen können.
Ivan (Name von der Redaktion geändert), Fabians Zellennachbar im Jugendgefängnis, ist in der Corona-Zeit kriminell geworden. Er ist wegen versuchten Totschlags verurteilt. Zu seiner Tat will er sich nicht äußern - zu den Umständen und der wieder gestiegenen Kriminalität sagt er nur so viel: "Ich glaube, es war der Lockdown. Die Jungs waren zu lange eingeschlossen zu Hause. Dann ist alles herausgeplatzt."
Katja Fritsche ist die Leiterin der JVA Adelsheim, in der Fabian und Ivan ihre Haft absitzen. Sie weist darauf hin, dass viele Insassen erst einmal Deutsch lernen müssten. Als ehemalige Jugendrichterin weiß sie: "Die wenigsten können aus politischen oder rechtlichen Gründen abgeschoben werden. Das heißt, viele werden hierbleiben, und die Gesellschaft muss dann mit diesen Menschen hier umgehen. Und wir wollen die Gesellschaft auch darauf vorbereiten und natürlich mit diesen Menschen daran arbeiten, dass es gelingt", so die JVA-Leiterin.
Herausforderung Integration: Jugendgefängnis fordert mehr Personal
Bei vielen jugendlichen Kriminellen jeder Herkunft gehe es auch um Suchtprobleme oder Aggressionen, viele hätten keinen Schulabschluss. Um so viele junge Menschen mit ganz unterschiedlichen Problemen angemessen betreuen zu können, wäre laut Katja Fritsche wesentlich mehr Personal nötig. Eine angemessene Betreuung der Jugendlichen sei nur dann möglich, wenn Betreuer deren Probleme kennen.
In Adelsheim bekommen Verurteilte wie Fabian Sozialtherapie, auch um sich mit ihrer Schuld auseinanderzusetzen. Außerdem gibt es gefängniseigene Betriebe, in denen sie eine Ausbildung machen können. Letztlich ist das Ziel, dass sie am Ende wieder Teil der Gesellschaft werden können.