Über 2033 hinaus

Rücktritt vom Elektro - plant Audi doch länger mit dem Verbrenner?

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Autor/in
Peter Wedig
Peter Wedig

Das letzte Auto mit Verbrenner soll 2033 vom Band laufen - so der Plan bei Audi. Der Hersteller will daran festhalten. Ein Bericht des "Handelsblatts" lässt Zweifel aufkommen.

Ab 2033 wollten mehrere deutsche Autohersteller nur noch auf Elektroantrieb setzen, zwei Jahre vor dem gesetzlichen Aus für die Verbrenner. Eigentlich. Denn nachdem Mercedes bereits vor rund einem Jahr seine "Electric only"-Strategie auf Eis gelegt hat, gibt es jetzt auch bei Volkswagen und den Tochterunternehmen Porsche und Audi mit einem Werk in Neckarsulm (Kreis Heilbronn) Überlegungen, länger auf Verbrennermotoren zu setzen. Das berichtet das "Handelsblatt" und verweist auf Informationen von Insidern. Audi selbst weist den Bericht auf SWR-Nachfrage zurück.

Facelifts bei Audi für einen längeren Verkaufszeitraum?

Der schwache Absatz im Elektrobereich und auch ein ungewisser Ausgang der Bundestagswahl ließen die selbst gesetzten Zeitpläne nicht mehr realistisch erscheinen, so das "Handelsblatt". Bei VW könnte beispielsweise der Golf noch ein weiteres Facelift erhalten, um dann bis 2035 weiterproduziert zu werden. Bei Audi kommt wohl konkret der A3 in Frage.

Das Erfolgsmodell von Audi ist eines von 20 Modellen, die im vergangenen und dem aktuellen Jahr eine neue Generation erhalten haben oder noch erhalten werden. Das hebt Audi auf SWR-Anfrage hervor und bekräftigt das Ziel, dass 2026 die letzte große Weltpremiere eines neuen Verbrenner-Modells anstehe - von dem dann wiederum 2033 der letzte Wagen vom Band laufe.

Eine Hintertür enthält die schriftliche Mitteilung aber: Über den genauen Zeitpunkt würden letztlich die Kundinnen und Kunden sowie die "regulatorischen Rahmenbedingungen" entscheiden. Damit ist gemeint: Sollte sich am geplanten Verbrenner-Aus 2035 durch die EU doch noch etwas ändern.

Wen man auch fragt: Verbrenner stehen hoch im Kurs

Die Entscheidung der Kundschaft - hört man sich in der Heilbronner Innenstadt um, dann ist die sehr eindeutig. Auf die Frage, ob sie heute eher ein E-Auto oder einen Verbrenner kaufen würden, gibt es in der nicht repräsentativen Umfrage keinen einzigen, der oder die uneingeschränkt auf Elektromobilität setzen würde.

Rene Wagner aus Bietigheim (Kreis Ludwigsburg) denkt, ein Elektroauto sei zwar auf den ersten Blick gut für die Umwelt. Aber man fahre wiederum auf die Kosten anderer Länder, in denen die seltenen Erden, die für die Batterien benötigt werden, gefördert werden. Deswegen bleibe er lieber bei seinem Diesel. Dass sich bei dem "Drumherum" noch etwas tun muss, findet auch Valentine Sigwart.

Häufig zu hören: Reichweite und Ladeinfrastruktur seien noch nicht ausgereift. Erst wenn es hier besser aussieht, könnten Verbrenner wirklich verboten werden. Dann aber wäre bei vielen die Bereitschaft für einen Umstieg auf Elektromobilität durchaus da. Beispielsweise die Beschleunigung eines E-Autos kommt bei Lennart aus Hohenlohe gut an. Aktuell seien sie aber einfach noch zu teuer, findet Nils aus Schwaigern (Kreis Heilbronn).

Maurice aus dem Heilbronner Umland betont, für ihn seien Verbrenner einfach "cooler zum Schrauben". Und für Mohammed ist es einfach der Sound, der ihm da besser gefällt. Aber auch bei ihm gilt: Bekomme man diesen Sound auch mit einem Elektromotor hin, dann ist er bereit umzusteigen.

Brandbrief der Autostädte an die EU-Kommission

Neben den Kundenwünschen könnte sich auch bei den erwähnten "regulatorischen Rahmenbedingungen" noch etwas tun - das hofft man zumindest in den Rathäusern der Städte mit großen Automobilherstellern und -zulieferern. Anfang der Woche haben 15 Bürgermeisterinnen und Bürgermeister die EU-Kommission zum Handeln aufgefordert: Sie solle Maßnahmen zum Schutz der deutschen Autoindustrie ergreifen. Konkret geht es um sieben Forderungen an Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU). Eine der Forderungen: Antriebstechnologien sollen nicht vorgegeben werden.

Friedrichshafen

Wettbewerbsfähigkeit der Autoindustrie soll gesichert werden Städte sprechen sich für Automobilstandorte aus - auch Friedrichshafen macht mit

15 Bürgermeister haben einen offenen Brief an die EU-Kommission geschrieben, um sich für die Autostädte einzusetzen. Die Initiative ging von Friedrichshafen, Stuttgart, Wolfsburg und Saarbrücken aus.

Unterzeichner des Briefs ist auch der Neckarsulmer Oberbürgermeister Steffen Hertwig (SPD). Er sieht keine konkrete Gefahr für das Audi-Werk in Neckarsulm (Kreis Heilbronn). Für die Autoindustrie insgesamt sei die Lage aber ernst.

So kann es nicht weitergehen. Wir brauchen politische Impulse zum Erhalt dieser Automobilstandorte und der Arbeitsplätze.

Für das Audi-Werk in Neckarsulm will Hertwig keine Untergangsstimmung verbreiten. "Ich mache mir um den Standort Neckarsulm weniger Sorgen", sagte Hertwig dem SWR. "Wir haben zwei absolut neue Modellreihen. Nichtsdestotrotz müssen auch die Mitarbeiter hier im Audi-Werk wissen, dass die Politik, auch die lokale Politik, auf ihrer Seite steht, wenn es darum geht, die Arbeitsplätze zukunftsfähig zu machen und sie zu verteidigen", argumentiert Hertwig.

Mit dem offenen Brief will Hertwig den Mitarbeitenden ein Signal geben. Denn: Erst vor wenigen Wochen wurde die "Liste des Grauens" durch die IG Metall bekannt. Demnach könnten die Sparmaßnahmen bei Audi um einiges umfangreicher ausfallen als gedacht. Laut eines Flugblatts der Gewerkschaft sollen ganz konkret Löhne gesenkt, Beschäftigte ohne Absprache versetzt und Jubiläumszahlungen gestrichen werden.

Das Flugblatt der IG Metall zu den Sparplänen bei Audi. Die Gewerkschaft spricht von einer "Liste des Grauens".
Das Flugblatt der IG Metall zu den Sparplänen bei Audi. Die Gewerkschaft spricht von einer "Liste des Grauens". Offiziell hält das Unternehmen an seinem Plan fest, ab 2033 rein auf Elektro zu setzen und keine Verbrenner mehr zu bauen.

Zahlreiche Zulieferer setzen auf Kurzarbeit

Die Sparmaßnahmen machen dabei nicht an den Werkstoren von Audi halt. Die schlechte Auftragslage hat genauso Auswirkungen auf die zahlreichen Zulieferbetriebe. In vielen Unternehmen ist Kurzarbeit die Folge. Das zeigen die jüngsten Zahlen der Bundesagentur für Arbeit für Baden-Württemberg. Rechneten im Juni die Betriebe mit rund 12.000 Personen in Kurzarbeit, wuchs die Zahl auf etwa doppelt so viele Ankündigungen im November. Manche Firmen sind jetzt schon im zweiten Jahr in Kurzarbeit.

Besonders im Maschinenbau bekommen die Firmen nicht genügend Aufträge. So auch LAUDA in Lauda-Königshofen (Main-Tauber-Kreis). 150 der 400 Mitarbeitenden sind in Kurzarbeit. Die Firma stellt Geräte her, die präzise kühlen und heizen können, doch die Kunden in der Pharma-, Chemie oder Raumfahrtindustrie schieben ihre Aufträge auf. Ebenfalls ein wichtiger Kunde: die Automobilbranche, zum Beispiel für die Forschung bei E-Auto-Batterien.

Kältethermostat und eine Frau im Laborkittel mit einer Pipette in der Hand. Das Unternehmen LAUDA setzt aktuell auf Kurzarbeit.
Angestellte des Maschinenbauers LAUDA sind im zweiten Jahr in Kurzarbeit. Die Firma stellt Maschinen zum Kühlen und Heizen sowie Messgeräte her. Kunden kommen aus der Pharma-, Chemie-, Raumfahrt- oder auch Automobilindustrie, zögern zurzeit allerdings ihre Aufträge heraus.

Main-Tauber-Kreis besonders von Kurzarbeit betroffen

Der Main-Tauber-Kreis hat innerhalb der Region Heilbronn-Franken den "Spitzenplatz" in Sachen Kurzarbeit eingenommen - denn hier gibt es besonders viele Maschinenbauer und Metallverarbeiter. Fest stehen die Zahlen bis Juni: 2,3 Prozent der Angestellten befanden sich hier in Kurzarbeit, mehr als doppelt so viele wie in Baden-Württemberg mit 1,2 Prozent der Beschäftigten.

Die Gewerkschaft IG Metall beobachtet aus den direkten Gesprächen, dass es seit dem Sommer nochmal schwieriger wurde. Sprecher Harald Gans sagt, von seinen 50 betreuten Firmen der Region seien fast alle in Kurzarbeit. In den weiteren Landkreisen in Heilbronn-Franken gibt es ebenfalls Kurzarbeit, aber laut Arbeitsagentur näher am Durchschnitt.

Könnte ein verschobenes Aus für den Verbrenner etwas ändern?

Ein nach hinten verschobenes Verbrenner-Aus könnte dem einen oder anderen Zulieferer da eventuell helfen. Laut "Handelsblatt" werden bei Audi momentan die Kosten analysiert, um die Werke auch für die Zukunft so aufzustellen, dass sowohl Elektroautos als auch Verbrenner und Plug-in-Hybride vom Band laufen können. Dann wäre Neckarsulm ab 2033 nicht allein auf E-Modelle angewiesen.

Das könnte auch den Mitarbeitenden wiederum Sicherheit geben, analysiert das "Handelsblatt". Denn: Sollte sich am in Brüssel anvisierten Ende des Verbrennermotors ab 2035 doch noch etwas ändern, wäre ein rein elektrifiziertes Werk im Nachteil. Und die Produktion könnte ins Ausland in Werke abwandern, die flexibler aufgestellt sind.

Neckarsulm

Gewerkschaft enthüllt bisher unveröffentlichte Sparpläne Sparhammer bei Audi: IG Metall spricht von "Liste des Grauens"

Die Sparmaßnahmen bei Audi sind wohl um einiges umfangreicher als gedacht. Die IG Metall bezeichnete die öffentlich gewordenen Pläne des Audi-Vorstands als "Liste des Grauens".

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