Soldaten und Reservisten aus BW zur Verteidigungsfähigkeit

Diskussion um Wehrpflicht: Immer weniger Soldaten für den Ernstfall

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Gunilla Laatsch
Gunilla Laatsch ist Teil des Teams von "Zur Sache! Baden-Württemberg".
Jürgen Rose
Jürgen Rose ist Teil der Redaktion von "Zur Sache! Baden-Württemberg".

Die Mehrheit der Deutschen fordert, die Wehrpflicht wieder einzuführen. Selbst zur Waffe greifen, um im Ernstfall das Vaterland zu verteidigen, wollen allerdings die wenigsten.

Die neuesten Umfragen rufen bei Oberstleutnant Kieron Kleinert nur noch Kopfschütteln hervor: Lediglich 17 Prozent der deutschen Bevölkerung sind "auf jeden Fall" bereit, Deutschland im Falle eines militärischen Angriffs mit der Waffe zu verteidigen. Dies ergab eine Forsa-Umfrage von Anfang März. Die Mehrheit von 60 Prozent wollen das "auf keinen Fall" oder "wahrscheinlich nicht". Und das, obwohl sich viele Bürgerinnen und Bürger große Sorgen um die Sicherheit in Europa machen. Für den Oberstleutnant vom Landeskommando Baden-Württemberg ist das "bitter", denn "wir haben eine konkrete Gefährdung, das ist virulent". Und dafür braucht es seiner Meinung nach dringend mehr Soldatinnen und Soldaten, "das müsste wirklich schneller gehen", sagte er am Donnerstag in der SWR-Sendung "Zur Sache! Baden-Württemberg".

Hier finden Sie die ganze Sendung "Zur Sache! Baden-Württemberg" zum Thema "Waffen schmieden für den Frieden - was bedeutet die Aufrüstung fürs Land?" vom 13. März 2025:

Bundeswehr schrumpft: Derzeit rund 181.000 Soldaten

Mehr Geld und mehr Soldaten, das ist schon lange eine Forderung der Bundeswehr. 203.000 Soldaten bis 2031 sind das Ziel. Doch wie das erreicht werden soll, ist völlig unklar. Denn bisher ist eher das Gegenteil der Fall - die Bundeswehr schrumpft. Das hat diese Woche auch die Wehrbeauftragte des Bundestages, Eva Högl, in ihrem Jahresbericht bestätigt. Deutschland habe zu wenig Soldaten. Sie werden immer älter und die Zahl sinke. "Diese Entwicklung muss dringend gestoppt und umgedreht werden", forderte sie. Etwas mehr als 181.000 Soldatinnen und Soldaten sind es derzeit, 13 Prozent davon Frauen. Die Wehrpflicht  - und damit auch die Wahl zwischen Wehrdienst und Zivildienst - war 2011 in Deutschland ausgesetzt worden. Seither gibt es eine Berufsarmee aus Freiwilligen. 

Vom Kriegsdienstverweigerer zum Reservisten

Freiwillig gemeldet hat sich auch Daniel Gay, allerdings als Reservist. Es war der Krieg in der Ukraine, der ihn zum Umdenken gebracht hat. Bilder des Grauens, wie das von dem Mann aus Butscha, der erschossen neben seinem Fahrrad auf der Dorfstraße liegt. Das Bild lässt ihn nicht mehr los: "Das war mein Moment, in dem ich gesagt habe, ich muss hier was tun." Der ehemalige Kriegsdienstverweigerer und Chef einer Karlsruher Werbeagentur bewarb sich bei der Heimatschutzreserve der Bundeswehr.

20 Jahre zuvor, als junger Mann, wollte er mit Militär und Bundeswehr nichts zu tun haben. Den Dienst an der Waffe hat er aus Gewissensgründen verweigert. Ein Fehler, meint der 40-jährige Vater von drei Töchtern heute mit Blick auf die Ukraine:  "Denn verdammt, das kann genauso auch bei uns passieren." Eine Wiedereinführung der Wehrpflicht ist für ihn deshalb unumgänglich.

Sollte die Wehrpflicht wieder eingeführt werden?

Wie denken die Menschen in Deutschland darüber? Mehrere Umfragen aus dieser Woche zeigen eine deutliche Tendenz: Bis zu 70 Prozent der Befragten befürworten eine Wiedereinführung der Wehrpflicht. Vor allem die Älteren denken so. Die Jungen, unter 30-Jährigen, sind skeptischer. Sie, die am ehesten dem Wehrpflichtalter entsprechen, lehnen zu 39 bis 45 Prozent die Rückkehr in eine Wehrpflicht ab.

Auf die Befürchtungen der Jungen verwies auch die Linken-Politikerin Sahra Mirow in der Sendung "Zur Sache! Baden-Württemberg". Diesen betroffenen Stimmen müsste man zuhören: "Wir brauchen keine Militarisierung der Gesellschaft." Die Bundeswehr müsse vielmehr so umgebaut werden, dass sie auch wirklich auf Landesverteidigung ausgerichtet sei.

Joachim Fallert, Oberst der Reserve, in Uniform
Joachim Fallert, Oberst der Reserve, hält nichts vom Prinzip Freiwilligkeit. Darauf setze die Bundeswehr schon seit Jahren - ohne Erfolg.

Joachim Fallert, Oberst der Reserve, hielt dagegen: "Was wir brauchen, ist eine Armee, die unser Land notfalls auch ohne US-Amerikaner verteidigen könnte." Es gehe jetzt um Abschreckung. Sein Eindruck sei, dass in Deutschland zu wenige junge Menschen ein Gefühl für die Bedrohungslage haben. Nur mit Freiwilligkeit würde es deshalb nichts werden. "Die Bundeswehr versucht das jetzt schon seit Jahren." Und persönlich gibt er zu: "Ich hätte mich auch nicht für die Bundeswehr entschieden, wenn ich die Wahl gehabt hätte, gar nichts zu tun."

Im Gesellschaftsjahr kann man zur Bundeswehr - muss aber nicht

Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) ist hier nicht so streng. Er sieht durchaus ein gesellschaftliches Umdenken. Aber er fordert keine Wehrpflicht, sondern ein verpflichtendes Gesellschaftsjahr, für Männer wie Frauen. Das könne man bei der Bundeswehr absolvieren oder genauso im sozialen Bereich oder in der Entwicklungshilfe und dabei wertvolle Erfahrungen fürs Leben sammeln.

Um Selbsterfahrung hingegen geht es der Militärexpertin der Grünen, Agnieszka Brugger, in der derzeitigen Diskussion um die Verteidigungsfähigkeit überhaupt nicht. Leidenschaftlich appellierte sie in der Sendung: "Unsere Freiheit, unser Frieden, unsere Sicherheit, die muss uns deutlich mehr wert sein!" Sie habe großen Respekt und riesige Hochachtung vor den Menschen, die sich hier freiwillig melden würden.

Am Wochenende für den Ernstfall üben

Damit meint Brugger auch Menschen wie Daniel Gay. Im Ernstfall wird er kritische Infrastruktur bewachen, Kraftwerke, Krankenhäuser oder Pipelines. Seit seiner Ausbildung für den Heimatschutz verbringt er regelmäßig ein Wochenende im Wald, versteckt unter einem Tarnnetz. Zusammen mit anderen Reservisten-Kameraden aus Karlsruhe übt er dann zum Beispiel, wie man ein Gebiet mit Drohnen überwachen kann. Die Übung ist freiwillig. Doch wer es ernst meint, sollte mindestens ein, zwei Wochen im Jahr die Uniform überziehen.

Seine Entscheidung für den Heimatschutz hat sich Daniel Gay nicht leicht gemacht. Das Vaterland zu verteidigen heißt für ihn vor allem, demokratische Werte zu verteidigen. "Und für die zu sterben, das wäre es wert."

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