Was bedeutet "Militärische Bedrohungslage"?
Generalleutnant André Bodemann ist einer von Deutschlands höchsten Soldaten. Er ist unter anderem verantwortlich für den "Operationsplan Deutschland", der umfassend nicht nur militärische Zuständigkeiten in Deutschland regelt. Was tun, wenn Deutschland angegriffen wird? Die sogenannte Bedrohungslage, sagt Bodemann, sei kein Horrorszenario, sondern gehöre zur Realität.
Wir befinden uns nicht im Krieg, aber wir befinden uns schon lange nicht mehr im Frieden.
Diese Lage habe sich schon 2014, mit der Annexion der Krim durch Russland verändert, und sei seit 2022 mit Russlands Überfall auf die Ukraine nochmals gewachsen. Erstmals seit dem Kalten Krieg wird die Verteidigung in Deutschland neu aufgestellt. Bundeskanzler Olaf Scholz rief 2022 die Zeitenwende aus und versprach 100 Milliarden Euro für den Ausbau der Bundeswehr.
Sicherheitslage: So gefährdet ist Deutschland aktuell
André Bodemann sieht derzeit vier besonders wichtige Entwicklungen, die die Sicherheitslage in Deutschland gefährden:
- Eine deutliche Zunahme von Fake-News und Desinformation, die letztendlich sogar Regierungsentscheidungen beeinflussen könnten.
- Immer mehr Cyberangriffe, insbesondere auf kritische Infrastruktur, Bundeswehr und Bundesregierung.
- Deutlich mehr Spionage
- Deutliche Zunahme von Sabotage
Wir müssen da resilienter sein, unabhängig davon, ob es ein Staat wie Russland oder China ist, ob es eine Terrororganisation oder organisierte Kriminalität ist. Wir haben deutliche Hinweise, dass diese Bedrohungen ansteigen. Und wir haben auch nachrichtendienstliche Hinweise, dass Russland [...] seine Streitkräfte völlig neu aufstellt mit einer Produktion von 1.500 Panzern im Jahr, die nicht alle in die Ukraine, sondern in Depots gehen.
Wie steht es um den Frieden in Europa?
Rechnet er also mit Angriffen auf Deutschland oder NATO-Verbündete? Zumindest werde Russland künftig das Potenzial dafür haben, einen Krieg in großem Maßstab zu führen, gibt Bodemann zu bedenken. Alle Pläne der NATO, inklusive des "Operationsplans Deutschland", hätten vorrangig ein Ziel:
Wir wollen verhindern, dass es zum Krieg kommt. Das sind Pläne zur Abschreckung. Und je besser diese Pläne sind, je besser sie geübt werden, desto glaubwürdiger sind sie und halten Russland hoffentlich davon ab, einen solchen Schritt zu tun.
Das steckt hinter dem "Operationsplan Deutschland"
Die NATO verlange auch von Deutschland einen Beitrag zur Sicherung ihrer Ostflanke. "Zur Abschreckung, notfalls aber auch zur Verteidigung", wie Bodemann betont. Wenn es an der NATO-Ostflanke ein Manöver Russlands gäbe mit dem Potenzial – Bodemann betont das Wort "Potenzial" – das NATO-Bündnis-Gebiet anzugreifen, würde die NATO mit ihren Verteidigungsplänen reagieren. Pläne, an denen Bodemann direkt beteiligt ist.
Da sitzen sie dann plötzlich in einem geheimen Raum mit 80 Menschen und sagen: 'Jetzt ist er [der Operationsplan Deutschland] scharf, jetzt tun wir das für die Sicherheit Deutschlands, für den Schutz von Freiheit und Demokratie'. Da kann man schon eine Gänsehaut kriegen.
Abschreckung durch Bundeswehr: Russland ein Signal der Stärke senden
Als besonders wichtig bezeichnet Bodemann die Tatsache, dass dieser Operationsplan komplett mit allen Behörden und Organisationen in Deutschland vernetzt ist, bis hinunter auf Landes- und Kommunal-Ebene – sei es Polizei, Feuerwehr, Rettungsdienste, Technisches Hilfswerk und sogar der Industrie: "Am Ende gesamt-staatlich und gesamt-gesellschaftlich".
Wir wollen verhindern [...], dass Russland jemals in die Überlegung kommt, das NATO-Bündnisgebiet und damit möglicherweise Deutschland anzugreifen. Russland baut ein Potenzial auf und wir wollen verhindern, dass Russland dieses Potenzial jemals gegen uns nutzt. Das Ziel ist: Abschreckung, dass es nicht zum Krieg kommt – was tun wir vorher, dass es nicht dazu kommt?