"Meilenstein" oder "Murks"?

Neues Schulgesetz in BW verabschiedet: Diese Reformen hat der Landtag beschlossen

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Barbara Reeder
SWR Aktuell-Redakteurin Barbara Reeder

Die flächendeckende Rückkehr zu G9 war nur einer der Streitpunkte, über die Grüne und CDU in BW gerungen hatten. Jetzt hat der Landtag eine Reihe von Bildungsreformen beschlossen.

Die Bildungsreformen der Landesregierung in Baden-Württemberg haben die letzte Hürde genommen: Der Landtag stimmte den nötigen Änderungen des Schulgesetzes mit den Stimmen der grün-schwarzen Regierungskoalition zu. Die Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium, mehr Sprachförderung in Kitas und Grundschulen und eine verbindlichere Grundschulempfehlung können also kommen. SPD, FDP und AfD stimmten gegen die Reformen.

Bildungsreformen: "Meilenstein" oder "Murks"?

Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) sprach von einer wichtigen Zäsur. Die Reformen seien ein "echter Meilenstein" auf dem Weg, den Bildungserfolg von der Herkunft zu entkoppeln, sagte sie. Die Opposition kritisierte die Änderungen im Landtag erneut scharf. Der SPD-Bildungsexperte Stefan Fulst-Blei nannte die Reformen "völlig undurchdacht" und "planlosen Murks". Die FDP in Baden-Württemberg sieht gravierende Fehler bei der Umsetzung der verbindlicheren Grundschulempfehlung. Es sei falsch, dass diese nur für die Gymnasien gelte. Kritik daran kommt auch von der AfD. 

G9 soll neu gestaltet werden

Das neue Schulgesetz regelt unter anderem die Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium ab dem Schuljahr 2025/2026. Außerdem legt es fest, wie das neue G9 aussehen soll. Dabei sollen vor allem die Grundlagenfächer Deutsch, Mathematik und die erste Fremdsprache gestärkt werden. Außerdem sollen die sogenannten MINT-Fächer, also Mathe, Informatik, Naturwissenschaften und Technik mehr Bedeutung bekommen, ebenso wie Kompetenzen, die in Zukunft gefragt sind, wie der Umgang mit Medien oder Künstlicher Intelligenz. Demokratiebildung, berufliche Orientierung und ein individuelles Unterstützungsprogramm für Schülerinnen und Schüler sollen ebenfalls Inhalt des neu gestalteten neunjährigen Gymnasiums sein.

Viele Diskussionen gab es um die Einführung einer verbindlicheren Grundschulempfehlung, die jetzt mit dem Gesetz verabschiedet wurde. Anstelle des reinen Elternwillens gibt es künftig ein Modell aus drei Teilen: Die Lehrerempfehlung, ein Kompetenztest, der sogenannte Kompass -4-Test, und der Wunsch der Eltern. Stimmen zwei davon überein, soll das den Ausschlag geben. Wollen die Eltern ihr Kind dennoch aufs Gymnasium schicken, soll das Kind künftig einen weiteren Test absolvieren müssen. Verbindlich ist die Empfehlung allerdings nur für das Gymnasium. 

Alles Wichtige zum "Kompass 4"-Test gibt es hier:

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Verbindliche Förderung für Kinder mit Sprachproblemen

Viele Schulkinder haben Förderbedarf in Deutsch. Mit dem Gesetz bringt die Landesregierung ein millionenschweres Paket zur Sprachförderung an Kitas und Grundschulen auf den Weg. Das Programm sieht am Ende eine verbindliche Sprachförderung vor. Kinder, die bei Schulstart noch immer Sprachprobleme haben, sollen zunächst in sogenannten Juniorklassen auf die Grundschule vorbereitet werden. 

Außerdem schafft die Landesregierung mit dem Gesetz den Werkrealschulabschluss ab, was besonders die FDP kritisiert. Zudem wird die sogenannte Orientierungsphase an den Realschulen um ein Jahr verkürzt. Die Gemeinschaftsschulen sollen mit dem Reformpaket künftig zwei Wochenstunden pro Zug für individuelle Coachings zugewiesen bekommen.

"Kompass 4"-Test: Rotes Tuch für Eltern und Lehrerverband

Bildungsgewerkschaften und Eltern kritisieren das neue Gesetz. Aus Sicht der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) fehlt der nötige Reformschub. Zwar seien einige Vorhaben richtig, wie die Investitionen in die Sprachförderung. Sie nützten allerdings wenig, wenn weiter Unterricht ausfalle, sagte die GEW-Landesvorsitzende Monika Stein.

Die Grundschulempfehlung mit dem Leistungstest "Kompass 4" hält Stein für gescheitert. Der Realschullehrerverband kritisiert, dass es die Grundschulempfehlung nur für Gymnasien gibt und fordert sie für alle Schularten. Der Landeselternbeirat wirft dem Kultusministerium vor, die Reformen unter hohem Zeitdruck eingeführt zu haben. Dies habe zu Pannen wie bei "Kompass 4" geführt, wodurch in den Augen der Elternvertreter 97.000 Viertklässler zu Versuchskaninchen bei der Grundschulempfehlung geworden seien.

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