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Lithium-Förderung in Deutschland – Ressource und Umweltrisiko

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Autor/in
Thomas Hillebrandt
Thomas Hillebrandt, Redakteur und Reporter bei SWR Wissen aktuell

Lithium ist der Stoff, der die Energie- und Verkehrswende vorantreiben soll. Das leichteste Metall der Erde steckt in allen modernen Akkus für die Elektro-Mobilität und auch unsere moderne Kommunikation funktioniert nicht ohne lithiumhaltige Energiespeicher.

Oberrheingebiet soll weltweit bedeutendes Lithium-Fördergebiet werden

Das silbrig weiß-graue Metall ist technologischer Hoffnungsträger und ökonomisches Spekulationsobjekt und immer mehr Gegenstand erbitterter Auseinandersetzungen. Dabei geht es um grundlegende ökonomische und ökologische Fragen, um gewinnorientierte Unternehmen und umfassenden Bürgerprotest. Noch sind es Australien, Chile, China und Argentinien, die als Hauptförderländer die Welt versorgen. Nun soll auch Deutschland in dieser Reihe stehen.

"Wir glauben, dass wir langfristig 25 Prozent der europäischen Nachfrage an Lithiumhydroxid befriedigen können und die ganze deutsche Produktion."

Das sagt Horst Kreuter, Geschäftsführer der Firma Vulcan Energy Deutschland mit Sitz in Karlsruhe. Die börsennotierte Firma hat 2021 ein Geothermiekraftwerk im pfälzischen Insheim vom örtlichen Energieversorger übernommen, will in großem Stil Lithium aus dem bis zu 160 Grad heißen Tiefenwasser filtern und das Oberrheingebiet zwischen Basel und Karlsruhe bis in die Pfalz hinein zu einem der größten Lithium-Fördergebiete der Welt entwickeln.

Bürgerinitiative hält Pläne für ökonomisch blauäugig und befürchtet Erdbeben

Dieser ökonomischen Euphorie des Unternehmens Vulcan Energy steht in der Region eine wachsende Zahl von Bürgern entgegen, die dem Versprechen der so perfekt klingenden Kombination aus Wärmeproduktion, Stromerzeugung und Lithium-Förderung misstrauen. Für Thomas Hans, Vertreter der Bürgerinitiative Tiefengeothermie in Karlsruhe sind die Pläne ökonomisch viel zu blauäugig, die Fernwärme funktioniere nur in ganz nahem Umfeld, der Strom aus diesen Kraftwerken sei zu teuer und die Lithiumförderung viel zu energieintensiv, um rentabel zu sein. Vor allem aber gäbe es die reale Gefahr von Erdbeben, die von solchen Bohrungen ausgehen.

Seismologen: Risiken bestehen, sind aber akzeptabel

Dem schließt sich Stefan Wiemer an, Seismologe und Professor für Erdwissenschaften an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich zum Thema "Erdbebengefahr".

"Ich glaube, man muss so Sorgen auf jeden Fall ernst nehmen. Es hat Beben in der Vergangenheit gegeben und es kann Beben in der Zukunft auch geben."

Für den Seismologen Stefan Wiemer ist die Frage, ob bei geothermischen Bohrungen die Chancen oder die Risiken mehr zählen, letztendlich nur politisch beantwortbar.

"Es ist nicht die Frage, ob die Geothermie an sich ein Risiko ist, sondern ob die Gesellschaften bereit sind, solche Risiken zu akzeptieren."

Für Professor Jörg-Detlef Eckhardt ist, nach eigenen Angaben, das Risiko akzeptabel. Der Präsident des baden-württembergischen Landesamts für Geologie, Rohstoffe und Bergbau (LGRB) in Freiburg ist mit seinem Team verantwortlich für die Genehmigung von Geothermieprojekten auf der deutschen Seite des Oberrheingrabens.

Der Oberrheingraben gehört zu den am intensivsten untersuchten Regionen Europas. Hier gibt es in drei bis vier Kilometern Tiefe durchlässige Gesteinsformationen, in denen heißes Tiefenwasser mit darin gelöstem Lithium zirkuliert. Wenn seine Behörde hier eine Bohrung genehmige, betont Jörg-Detlef Eckhardt, sei das aus geologischer Sicht auch vertretbar.

"Die Bohrverfahren sind ausgereift. Es gibt Zigtausende von Erdölbohrungen in Deutschland, die in diese Tiefen gegangen sind. Wir sind uns sicher, dass wir genügend Systeme vorschreiben können, um Erdbeben zu verhindern."

Anwohner sind besorgt und sprechen sich gegen Tiefengeothermie aus

Solche Worte beruhigen viele Bewohner der Region nicht. So gab es etwa in Honau, nördlich von Offenburg, zahlreiche Schäden an Häusern, als in Zusammenhang mit Bohrungen im französischen Geothermiekraftwerk Vendenheim bei Straßburg die Erde bebte. Große Unterschriftenaktionen belegen, dass sich 95 Prozent der Einwohner der Region gegen die Tiefengeothermie aussprechen. In der Bewertung der Sicherheit geothermischer Bohrungen treffen die Meinungen also hart aufeinander.

Alternativ: Lithiumhydroxid selbst produzieren und Wertschöpfung nach Deutschland verlagern

Zum Gesamtbild gehört auch die Frage, welche Rolle die Lithium-Förderung am Oberrhein für die Versorgung Deutschlands überhaupt spielen kann. Die am Oberrhein aktiven Lithium-Firmen kommen bei den ökonomischen Chancen ins Schwärmen, an anderer Stelle sieht man das deutlich skeptischer.

Für Rolf Wehrspohn, Geschäftsführer des Deutschen Lithium-Instituts in Halle an der Saale, macht es zum Beispiel wenig Sinn, auf eine möglicherweise irgendwann anlaufende Lithiumförderung am Oberrhein zu setzen:

"Das ist technologisch sehr anspruchsvoll, ist bis jetzt global noch nicht wirklich wirtschaftlich gelaufen, geothermisches Lithium rauszufiltern."

Das Deutsche Lithium-Institut will daher die Wertschöpfung für den wertvollen Rohstoff nach Deutschland verlagern und hier eigene Produktionsstätten aufbauen, um aus Lithiummineralen batteriefähiges Lithium-Hydroxid zu produzieren. Ein Prozess, der aktuell vor allem in China stattfindet. Dazu wird in Guben, südlich von Eisenhüttenstadt an der polnischen Grenze, erste sogenannte Konverter gebaut, der 2026 in Betrieb gehen soll. Damit soll aus angeliefertem Lithium aus Kanada jährlich rund 24.000 Tonnen Lithiumhydroxid produziert werden, genug, um rund 500.000 Elektroautos mit Lithium-Ionen-Batterien auszustatten. Vier weitere dieser Anlagen sind in Deutschland geplant, insgesamt 20 braucht man in ganz Europa, um unabhängig vor allem von asiatischen Produzenten zu werden.

Auf dieser im Juni 2022 noch leeren Fläche am Rande eines Industriegebietes in Guben ist die Ansiedlung eines Werkes des kanadischen Rohstoff-Unternehmens Rock Tech Lithium geplant
Auf dieser im Juni 2022 noch leeren Fläche am Rande eines Industriegebietes in Guben ist die Ansiedlung eines Werkes des kanadischen Rohstoff-Unternehmens Rock Tech Lithium geplant

Recycling: Lithium lässt sich zu 90 Prozent aus alten Batterien zurückgewinnen

Eine weitere Strategie für die zukünftige Lithiumversorgung Deutschlands heißt: Wiederverwertung. Die notwendige Recyclingtechnik ist auf dem Weg zur Marktreife. Inzwischen lassen sich 90 Prozent des in alten Batterien enthaltenen Lithiums zurückgewinnen und zur Herstellung neuer Batterien verwenden.

Für den Ingenieur Reiner Sojka der Aachener Firma Accurec Recycling GmbH ist daher die Wiederverwendung von Lithium das wirkliche Zukunftsthema:

"Bei den weiter steigenden Zahlen an Lithium-Batterien bekommen wir das Material frei geliefert in einer Konzentration von zwei, drei, vier, fünf Prozent. Warum aus der Natur sehr mühselig extrahieren, wenn ich es im Recycling kostenfrei geliefert bekomme?"

Fronten am Oberrhein sind verhärtet

Wenn es in Zukunft also immer mehr wiederverwendetes Lithium und immer mehr in Deutschland hergestellte Batterierohstoffe aus sicheren Lithium-Quellen gibt – dann bringt das die Pläne zur Lithium-Förderung im Oberrheingebiet wirtschaftlich unter Druck.

Für Unternehmen wie Vulcan Energy, die Lithiumgewinnung aus dem heißen Tiefenwasser des Oberrheingebietes als Geschäftsmodell betreiben wollen, geht es um eine Menge. Man hat schon viel Geld in der Region investiert, die Aktionäre müssen bei Laune gehalten und der Ausbau geplanter Geothermieanlagen vorangetrieben werden. Die Argumente gegen die eigenen Aktivitäten, erzählt Vulcan-Energy-Geschäftsführer Horst Kreuter, vor allem die immer wieder angeführte Erdbebengefahr, nehme er durchaus ernst, auch wenn er vieles nicht nachvollziehen könne:

"Es gibt Menschen, die sich wirklich sich informieren oder überzeugen lassen wollen. Und dann gibt es die, da kommt man dann wirklich ins Gespräch."

Zu denen, mit denen Geothermie-Unternehmen kaum noch oder gar nicht mehr ins Gespräch kommen, gehören mittlerweile die Vertreter der Bürgerinitiative Tiefengeothermie wie Thomas Hans aus Karlsruhe:

"Wenn das alles so verwirklicht wird, wie es geplant wird, dann haben wir 50 Geothermiekraftwerke im Oberrheingraben. Dann wird es Erdbeben geben, dann wird es Schäden geben. Die Pläne der Unternehmen dürfen nach unserer Ansicht nicht verwirklicht werden."

Die Fronten am Oberrhein sind verhärtet, Unternehmen und Bürgerinitiativen haben sich nur noch wenig zu sagen. Letztendlich geht es um die Frage, wie man beim Thema "Lithium-Gewinnung durch Geothermie" auf die Zukunft schaut. Unternehmen halten sie für sicher und sehen große ökonomische Möglichkeiten, Aktivisten der Bürgerinitiative Tiefengeothermie wollen nicht mit der Gefahr von Erdbeben leben. Die Auseinandersetzung um die Lithium-Förderung am Oberrhein wird weitergehen.

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