Corona-Pandemie

Ende der Corona-Maßnahmen aus wissenschaftlicher Sicht

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Autor/in
Anja Braun
Anja Braun, Reporterin und Redakteurin SWR Wissen aktuell.
David Beck
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Onlinefassung
Ralf Kölbel
Ralf Kölbel, Online-Redakteur bei SWR Wissen aktuell sowie Redakteur bei Redakteur bei SWR Kultur DAS Wissen.

Seit dem 3. April sind viele der Corona-Schutzmaßnahmen weggefallen. So gilt beispielsweise in den meisten Bundesländern beim Einkaufen und in Schulen keine Maskenpflicht. Sind diese Lockerungen wissenschaftlich vertretbar?

In fast allen Bundesländern sind nun nach mehr als zwei Jahren Pandemie die meisten Corona-Beschränkungen weggefallen. Ob das zum jetzigen Zeitpunkt eine gute Idee ist, darüber streiten sich nicht nur Expert*innen. Besonders kontrovers diskutiert wird der Wegfall der Maskenpflicht.

In den Bundesländern, die nicht als "Hotspot" eingestuft wurden, müssen Masken jetzt nur noch in Bus und Bahn, in Arztpraxen und in Pflegeeinrichtungen getragen werden.

Ladeninhaber, Theater oder Konzertveranstalter können ihr Hausrecht nutzen und weiter auf dem Tragen von Masken bestehen. Und natürlich ist jedem freigestellt, eigenverantwortlich weiter eine Maske zu tragen, wenn sie oder er es für notwendig hält.

Die Infektionsgefahr ist in Innenräumen am größten. Den Wegfall der Maskenpflicht z.B. in Supermärkten sehen einige daher kritisch.
Die Infektionsgefahr ist in Innenräumen am größten. Den Wegfall der Maskenpflicht z.B. in Supermärkten sehen einige daher kritisch.

Maske tragen schützt

Wer im Supermarkt oder im Kino weiter eine FFP2-Maske trägt, ist damit sehr gut geschützt – auch wenn die anderen im Raum keine tragen. Ein deutsches Forscherteam hat im Dezember 2021 den Schutzeffekt noch einmal untersucht.

Das Ergebnis: Wenn ein infizierter und ein gesunder Mensch mit FFP2-Maske 20 Minuten dicht beieinander waren, war das Ansteckungsrisiko mit 0,1 Prozent sehr gering. Aber nur, wenn die Maske optimal saß - bei einer lockeren Maske stieg die Infektionsgefahr auf vier Prozent. Und bei einer gutsitzenden OP-Maske lag das Risiko bei zehn Prozent.

Auch wenn alle anderen keine Maske mehr tragen, kann man selbst durch das Tragen einer gut sitzenden FFP2-Maske das Risiko einer Infektion deutlich verringern.
Auch wenn alle anderen keine Maske mehr tragen, kann man selbst durch das Tragen einer gut sitzenden FFP2-Maske das Risiko einer Infektion deutlich verringern.

Allerdings wurden die Testreihen noch mit Viren der Delta-Variante durchgeführt. Die aktuell vorherrschende Variante Omikron ist zwar deutlich ansteckender, laut den Studienautoren könnten Masken bei ihr jedoch effektiver sein, da sich hier die Viren offenbar vor allem in den oberen Atemwegen befinden: Denn Masken seien besonders geeignet um die großen Partikel abzufangen, die aus den oberen Atemwegen stammen.

With masks for Omicron, the upper bound of infection risk is lower than Delta. We assumed that Omicron is three times more infectious than Delta and is mainly in the URT. 😷😷 We ran the same model as https://t.co/E7BOuF1GoZ for Omicron. https://t.co/NrfTk8rFZT

Das Risiko, sich anzustecken, ist von mehreren Faktoren abhängig:

  • Wie lange hält man sich im selben Raum mit einer infizierten Person auf?
  • Wie voll es ist?
  • Gibt es eine gute Belüftung?

Kritik am Ende der Maskenpflicht

Patientenschützer, Lehrkräfte und Kinderärzte kritisieren das Ende der Maskenpflicht. Burkhard Rodeck, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin schreibt in einer Pressemitteilung:

Die Verpflichtung zu Selbsttests in Schulen bei gleichzeitigem Verzicht auf Masken in Schulen ist fachlich nicht nachvollziehbar.

Demnach seien Tests unzuverlässig und würden häufig erst eine Infektion anzeigen, wenn das betroffene Kind schon andere angesteckt hat, während OP-Masken zuverlässig Infektionen verhindern würden.

Schnelltests sind nicht immer zuverlässig und werden möglicherweise erst positiv, nachdem man bereits unbemerkt andere infiziert hat.
Schnelltests sind nicht immer zuverlässig und werden möglicherweise erst positiv, nachdem man bereits unbemerkt andere infiziert hat.

In der kürzlich veröffentlichten Stellungnahme zu Entscheidungen, die in einer Pandemie getroffen werden, schreibt der Deutsche Ethikrat, dass Chancen und Gefahren von Schutzmaßnahmen offen und umfassend diskutiert werden müssen.

Allerdings sei eine Maskenpflicht auch eine “vergleichsweise geringe Beeinträchtigung”. In einem Statement bezüglich der Veröffentlichung des Berichts schreibt Andreas Lob-Hüdepohl, zweiter Vorsitzender des Ethikrats, eine solidarische Gesellschaft sei eine wesentliche Voraussetzung, um individuelle Freiheiten zu behalten oder wiederzuerlangen.

Spätestens im Herbst könnten einige Maßnahmen wieder zurückkommen

Im Freien ist das Ansteckungsrisiko insgesamt eher gering. Im “Coronavirus- Update” des NDR empfielt die Frankfurter Virologin Prof. Sandra Ciesek, weiterhin im Privaten in den Situationen eine Maske zu tragen, in denen es erforderlich sei. Das gelte beispielsweise für Innenräume, in denen Abstände nicht eingehalten werden könnten oder die schlecht belüftet würden. Ciesek empfiehlt, unbedingt auch im öffentlichen Nahverkehr weiter eine Maske zu tragen.

In Bussen und Bahnen, wo viele Menschen zusammenkommen, ist das Tragen einer Maske auch weiterhin sinnvoll.
In Bussen und Bahnen, wo viele Menschen zusammenkommen, ist das Tragen einer Maske auch weiterhin sinnvoll.

Christian Drosten, Chefepidemiologe der Berliner Charité, geht davon aus, dass wir im Herbst noch einmal die Corona-Schutzmaßnahmen bekommen werden. Aber dass es möglicherweise auch der letzte Herbst ist, in dem wir in Innenräumen Masken tragen werden, um uns und andere vor der Infektion zu schützen.

An den Wegfall vieler Corona-Schutzmaßnahmen muss man sich erst wieder gewöhnen.
An den Wegfall vieler Corona-Schutzmaßnahmen muss man sich erst wieder gewöhnen. Die Wahrscheinlichkeit, sich im Freien, wenn man alleine unterwegs ist, zu infizieren, ist allerdings auch ohne Maske sehr gering.

In den europäischen Nachbarländern sind fast überall die Corona-Beschränkungen weggefallen

Auch wenn viele Expert*innen das Ende vieler Maßnahmen eher kritisch sehen, im europäischen Ausland ist ein Großteil der Corona Beschränkungen bereits gefallen. Österreich bildet hier eine Ausnahme: Dort wurde am 24. März die Maskenpflicht in nahezu allen Innenräumen wieder eingeführt. Österreich hatte bereits am 6. März alle Corona-Vorsichtsmaßnahmen gelockert.

Doch die Regierung hat zurückgerudert, als das Personal in den Kliniken Alarm schlug und die Infektionszahlen wieder rapide anstiegen. So musste der grüne Gesundheitsminister Johannes Rauch im ORF eingestehen, die Lockerungen seien zu früh gekommen.

rreich mussten aufgrund dramatisch gestiegener Infektionszahlen viele Lockerungen wieder zurückgenommen werden.
Maske adé! In Österreich mussten aufgrund dramatisch gestiegener Infektionszahlen viele Lockerungen wieder zurückgenommen werden.

In der Schweiz sind die meisten Corona-Schutzmaßnahmen bereits Mitte Februar beendet worden. Auch Dänemark, Schweden, Norwegen, Island und Finnland haben nach und nach ihre Beschränkungen aufgehoben. Als Gründe werden einerseits die hohen Impfzahlen genannt, wie auch die milderen Krankheitsverläufe bei einer Omikron-Infektionen.

In Großbritannien läuft das öffentliche Leben ebenfalls wieder ohne Einschränkungen. Nicht einmal nachweislich Infizierte müssen sich noch isolieren. Auch in Frankreich fielen bereits Mitte März die meisten Corona-Beschränkungen wie zum Beispiel die Maskenpflicht in Innenräumen außer in Verkehrsmitteln.

In Spanien sind ebenfalls fast alle Corona-Einschränkungen aufgehoben worden. Nur in öffentlichen Innenräumen und in Bussen und Bahnen gilt noch die Maskenpflicht. Und jüngst hat auch Italien am 31. März den Corona-Ausnahmezustand beendet und damit die meisten Restriktionen abgeschafft.