Coronavirus-Varianten

Reinfektion mit Omikron: wie gefährlich ist das?

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David Beck
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Anja Braun
Anja Braun, Reporterin und Redakteurin SWR Wissen aktuell.
Elena Weidt
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Immer mehr Menschen infizieren sich ein zweites Mal mit dem Coronavirus. Warum ist das so? Wie gefährlich ist das? Und wie sehr schützt die vierte Impfung?

Auch diejenigen, die vorab an einer Omikron-Variante (BA.1 / BA.2) erkrankt waren, können sich erneut anstecken mit den neuen Varianten BA.4 und BA.5, die laut dem neuesten Bericht des RKI die vorherrschende Variante in Deutschland ist. Gleiches gilt für Geimpfte: Im Grunde genommen kann sich jeder wieder neu anstecken. Hinzu kommt, dass gerade mindestens zwei Omikron-Varianten im Umlauf sind. Diese seien unterschiedlich genug, sodass wir uns kurz nacheinander mit beiden anstecken könnten, warnt Immunologe Carsten Watzl.

Omikron hinterlässt insgesamt eine schlechte "Immunitätsnarbe", das heißt nach einer Infektion mit Omikron kann man sich erneut infizieren, da unsere Immunzellen (sowohl B-Zellen als auch T-Zellen) kein gutes immunologisches Gedächtnis gegen Omikron-Varianten des Coronavirus aufbauen. Man spricht bei Omikron daher auch von einer Immun-Escape-Variante, erklärt Professor Clemens Wendtner, Chefarzt der Infektiologie an der München Klinik Schwabing.

Die Omikron-Subvariante BA.5 breitet sich auch hierzulande immer stärker aus.
Die Omikron-Subvariante BA.5 breitet sich auch hierzulande immer stärker aus.

Schlechterer Schutz gegen erneute Infektion

Durch den den meist milden Krankheitsverlauf werden weniger Antikörper und T-Gedächtniszellen gebildet, die eine Neuinfektion abwehren könnten. Eine kleine Studie aus den USA konnte das bereits nachweisen: So hatten Probanden mit Delta-Durchbrüchen im Vergleich zu Omikron über 10-fach höhere Antikörpertiter. Das heißt: Omikron-Infektionen bieten einen geringeren Schutz gegen eine erneute Infektion.

Die Infektion mit einer früheren Variante schützt weniger vor einer Infektion mit Omikron – laut einer Studie aus Qatar nämlich nur noch zu 56 Prozent. Andere Forschende gehen sogar von einem noch geringeren Schutz aus. Zum Vergleich: Bei der Delta-Variante lag der Schutz laut der Studie bei 92 Prozent.

Wie schnell kann ich mich wieder anstecken?

Wie schnell Reinfektionen passieren können, das ist derzeit Gegenstand der Forschung. Je nach Immunitätslage und Impfstatus können Reinfektionen früher oder später auftreten.

Wir haben Patienten mit Reinfektionen bereits nach 1-2 Monaten beobachtet, wenn das Immunsystem sehr geschwächt ist (z.B. durch eine Chemotherapie).

In der Regel steige das Risiko einer Reinfektion für Immungesunde ca. nach einem halben Jahr nach einer vorherigen Corona-Infektion, bei neuen Corona-Varianten kann es aber auch hier schneller zu erneuten Infektionen kommen, beobachtet Professor Wendtner. Diese US-amerikanischen Studie im Oktober 2021 kam auf das Ergebnis, dass man sich nach drei Monaten- bis 5 Jahren wieder anstecken kann, allerdings bezog sich das auf vorherige Varianten.

Die gute Nachricht: Wegen der bereits aufgebauten Immunität, verlaufen spätere Infektionen tendenziell milder. Denn neben den Antikörper bildet der Körper sogenannte T- und B-Zellen gegen den Erreger. Die sind sehr viel langlebiger als Antikörper – zum Teil bleiben sie ein Leben lang erhalten.

T-Zellen erkennen im Gegensatz zu Antikörpern nicht die Erreger selbst, sondern infizierte Zellen und zerstören diese. Das bedeutet, dieser Teil der Immunität läuft erst dann an, wenn man bereits infiziert ist. B-Zellen sind Antikörperproduzierende Zellen, aber auch sie müssen erst mit dem Erreger in Kontakt kommen, um neue Antikörper herzustellen. Obwohl diese Systeme erst hochfahren müssen, wird eine Infektion schneller abgewehrt als ohne Immunität, wodurch der Krankheitsverlauf bei einer Reinfektion in der Regel deutlich schwächer ausfällt. 

Sind Reinfektionen immer harmlos?

"Nein, mitnichten! Reinfektionen sollten nicht bagatellisiert werden. Wir sehen sowohl akute schwere Verläufe nach Reinfektionen als auch Patienten mit Post-Covid-Symptomatik nach Reinfektion, die quasi erst durch eine Reinfektion getriggert werden kann", sagt Professor Clemens Wendtner.

Das Risiko für unter 60-Jährige Immungesunde und dreifach geimpfte Personen schwer an Corona zu erkranken ist relativ gering, aber auch bei Reinfektionen können erhebliche Gesundheitsrisiken bestehen, wie eine noch preprint-Studie aus den USA nun belegen konnte. Der Immunologe Professor Andreas Radbruch von der Charité Berlin betonte in diesem Zusammenhang auch, dass geimpfte Genesene einen sehr viel effektiveren Schutz vor Reinfektionen hätten als nur Genesene oder nur Geimpfte.

Durch die Lockerungen haben die Mensch auch wieder deutlich mehr Sozialkontakte. Das hat natürlich auch einen Einfluss auf das Infektionsrisiko.
Durch die Lockerungen haben die Mensch auch wieder deutlich mehr Sozialkontakte. Das hat natürlich auch einen Einfluss auf das Infektionsrisiko.

Schützt vierte Impfung vor einer Infektion?

Die Impfungen sind nach wie vor der beste Schutz vor erneuten Infektionen, sind sich die ExpertInnen einig. Denn weiterhin schützen sie vor einem schweren Verlauf, auch bei Omikron.

Das zeigen auch Daten einer neuen Kohortenstudie aus Israel: Eine vierte Impfung mit dem Biontech/Pfizer-Impfstoff bietet einen höheren Schutz vor schweren Erkrankungen, die einen Krankenhausaufenthalt notwendig machen und vor Todesfällen im Vergleich zu Geimpften mit nur drei Dosen. Die Probanden mit vier Impfungen erkrankten seltener schwer an Corona, es gab 39 Todesfälle im Vergleich zu 89 bei Probanden mit nur drei Impfungen. Die Ergebnisse stützen auch die Annahme, dass die vierte Impfung die Menge der neutralisierenden Antikörper erhöht, was einen Kreuzschutz gegen die Omikron-Variante bieten kann.

"Man sollte auch nicht auf die vermeintlich besseren bivalenten Impfstoffe, die ohnehin erst frühestens ab September zur Verfügung stehen könnten, warten. Diese Impfstoffe, die für Omikron und Delta optimiert sind, sind gegebenenfalls gar nicht mehr so wirksam, wenn im Herbst neue Varianten auftreten", stellt Professor Wendtner klar.

Allerdings: Auch die vierte Impfung bietet laut dieser Studie nur einen minimal höheren Schutz vor einer generellen Corona-Infektion. Für diese Studie wurden Daten von fast 44.000 Pflegeheimbewohnenden gesammelt.

Mehr Reinfektionen durch Omikron-Variante

Seit Ende Mai 2022 steigen die Zahlen wieder deutlich an. Reinfektionen nehmen deutlich zu. Noch gibt es keine offiziellen Zahlen, wie viele Menschen sich bereits in Deutschland mehrmals angesteckt haben.

Bisher gibt es auch nur wenige Studien, die sich mit Reinfektionen durch die unterschiedlichen Omikron-Varianten beschäftigen. Daten aus Großbritannien haben gezeigt, dass die Zahl der Reinfektionen im Dezember 2021 rapide angestiegen war – und das sogar überproportional zur ohnehin starken Zunahme an Omikron-Erstinfektionen.

Frau mit Fieberthermometer
Letztlich müssen wir lernen, mit dem Coronavirus leben. Momentan wäre es aber wohl verfrüht, alle Maßnahmen zu beenden.

Und jetzt?

Wir müssen weiterhin vorsichtig bleiben. Mit Impfungen und Auffrischungsimpfungen wird die Belastung des Gesundheitssystems – vor allem der Intensivstationen – aber immer weiter abnehmen. Gerade bei geboosterten Personen schützt die Immunität immer noch sehr gut vor der schweren Erkrankung, wenn auch nicht so sehr vor der Ansteckung.

Darüber hinaus sind die lange eingeübten Verhaltensregeln wie Abstand halten, Hygiene-Maßnahmen und im Alltag das Tragen der Maske weiter zu beherzigen - trotz Sommer, aber angesichts steigender Infektionszahlen gerade auch jetzt im Sommer

Zudem ist laut einer Studie aus den USA die Wahrscheinlichkeit für Ungeimpfte, sich erneut zu infizieren, mehr als doppelt so hoch wie für Genesene, die zusätzlich vollständig geimpft sind. Zwar war zum Zeitpunkt, als die Daten für die Studie erhoben wurden, die Omikron-Variante noch nicht präsent, allerdings kommt eine aktuellere Studie aus Österreich zu ähnlichen Ergebnissen: Selbst wenn Ungeimpfte eine Omikron-Infektion überstanden haben, hat der Körper im Vergleich zu geimpften Genesenen weniger neutralisierende Antikörper gebildet. Die Schlussfolgerung: Der Schutz vor einer erneuten Infektion ist geringer, eine Impfung deshalb auch für Genesene sinnvoll.