Kommentar

Ende der Corona-Maßnahmen: Wie verhalte ich mich?

Stand
Autor/in
Ulrike Till
Onlinefassung
Lilly Zerbst

Seit dem 3. April fallen mit der Maskenpflicht die meisten Corona-Maßnahmen und das trotz anhaltender Omikron-Welle. Die Regierung gibt damit die Verantwortung in die Hand des Einzelnen – kann das funktionieren? Ein Kommentar.

Die Flut ist da, und wir räumen die Sandsäcke weg. So kommen mir die weitreichenden Lockerungen vor, die ab Sonntag greifen. Wir müssen jetzt mit einem Infektionsschutzgesetz leben, das diesen Namen nicht verdient. Zumindest einen Basisschutz hatten die Verantwortlichen in Berlin uns versprochen. Davon aber kann keine Rede sein.

Ende der Maskenpflicht

Die elementarste, wirksamste Schutzmaßnahme fällt weg: die Maskenpflicht in Innenräumen. Nur in Kliniken, Heimen, Bussen und Bahnen wird sie noch gelten. Das ist viel zu wenig. In Umfragen sagen zwar zwischen 40 und 60 Prozent der Deutschen, dass sie freiwillig weiter Maske tragen wollen. Die Bereitschaft dürfte aber bald bröckeln.

Weggeworfene corona OP-Maske liegt auf dem Boden einer Einkaufshalle.
Ab Sonntag dürfen Supermarkt und Einzelhandel ohne Maske betreten werden, sofern der Betreibende es nicht ausdrücklich verbietet.

Menschen mit einem erhöhten Risiko für schweres Covid können jetzt sehen, wo sie bleiben. Mit einer perfekt sitzenden FFP2-Maske sind sie zwar im Prinzip gut geschützt, auch wenn sonst keiner im Raum eine Maske trägt. Im Alltag aber sitzt die Maske oft mehr schlecht als recht; wenn es im Supermarkt voll wird und ein Infizierter hustet, ist der Schutz dann trotz Maske buchstäblich lückenhaft.

Risikopatienten sind auf sich gestellt

Wir alle haben die Nase voll von weitreichenden Einschränkungen, keine Frage. Aber angesichts der immer noch extrem hohen Fallzahlen so massiv zu lockern – das finde ich leichtfertig und verantwortungslos. Nicht nur Hochbetagte im Pflegeheim, auch fitte Senioren und chronisch kranke Jüngere können selbst mit der vermeintlich milden Omikron-Variante einen schweren Verlauf erleiden.

Leeres Intensivbett für Covid19 Patient
Auch bei der in der Regel milder verlaufenden Omikron-Variante besteht das Risiko eines schweren Krankheitsverlaufs, vor allem für Vorerkankte und Geschwächte.

Wer gerade eine Chemo macht, an einer Immunschwäche oder bestimmten Behinderungen leidet, ist stark gefährdet. Für alle mit erhöhtem Risiko wird Einkaufen nun zum Abenteuer, ins Theater oder Konzert werden sich viele von ihnen kaum noch trauen. Freiheit first – das Motto der FDP ist für mich ein Plädoyer für maximale Rücksichtslosigkeit.

Hotspot-Regelung ist ineffektiv

Karl Lauterbach, früher mal ein eloquenter Vertreter des Teams "Vorsicht", hat Anfang der Woche die Länder förmlich angefleht, doch von der Hotspot-Regelung Gebrauch zu machen. Nur leider scheint die juristisch so wackelig konstruiert, dass nur wenige sie nutzen wollen. Und an Geschäfte ging der Appell, doch das Hausrecht zu nutzen und weiter Masken von der Kundschaft zu fordern. Schizophrener geht es nicht.

Karl Lauterbach (SPD) mit FFP3 Maske.
Gesundheitsminister Karl Lauterbach appelliert im Zusammenhang mit den weitreichenden Lockerungen an die Länder, schärfere Maßnahmen durch die Hotpot-Regelung geltend zu machen.

Rückrudern nach "freedom-day" im Ausland

Statt die Verantwortung auf die unterste Ebene zu delegieren, sollte die Regierung ihre Bürger selbst vernünftig schützen. Österreich hat das getan – und die vorübergehend abgeschaffte Maskenpflicht letzte Woche wieder eingeführt. Die Fallzahlen waren explodiert, die Regierung musste zurückrudern. Das hätte uns ein warnendes Beispiel sein müssen.

Keine Omikron-Pause im Sommer

Jetzt hoffen viele auf einen entspannten Sommer und setzen darauf, dass mit dem warmen Wetter die Zahlen von selbst stark absinken. Omikron ist aber so ansteckend, dass der saisonale Effekt schwächer sein wird als in den letzten beiden Jahren. Wie es nun weitergeht, hängt deshalb von der Vernunft jedes einzelnen ab: je mehr Menschen drinnen freiwillig weiter Maske tragen und Abstand halten, desto besser sind unsere Chancen auf einen guten Sommer. Wenn die Regierung uns nicht schützt, müssen wir es eben selber tun.

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Ulrike Till
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Lilly Zerbst