Der Podcast spürt dem hinterher, was wichtig bleibt vom aktuellen Kulturgeschehen. Was sagt das Gegenwartskino aus über unser Verhältnis zum Militär? Warum erscheinen zurzeit so viele autobiografische Romane? Was machen NFTs mit dem Kunstmarkt? Autorinnen und Autoren aus der SWR Kultur-Redaktion Aktuelle Kultur verfolgen den Zeitgeist, mal feuilletonistisch, mal nüchtern auf den Punkt, immer interessiert. Schlicht: Die Seite 3 unter den Podcasts!
-
Düstere Science-Fiction: Führt uns die KI wirklich in die Apokalypse?
Warum so negativ? Warum zeichnet Science-Fiction immer ein eher dystopisches Bild von der Zukunft? Die Künstliche Intelligenz spielt dabei selten die Rolle des romantischen Helden. Können wir über KI also nur im Apokalypse-Modus nachdenken?
Isabella Hermann ist Politikwissenschaftlerin und Speakerin auf dem Gebiet der Science-Fiction. Sie meint, die düsteren Geschichten voller Weltzerstörung hätten mit Sehgewohnheiten zu tun: “Vor allem bei Kinofilmen und Blockbustern ist es eine Erwartungshaltung.” Das falle in die Kategorie “disaster porn” und sage mehr über uns Menschen aus als über die Technik selbst.
Mit welchen Folgen? “Bestimmte Bilder sacken ins kollektive Gedächtnis ein”, sagt Hermann. Da sei zum einen das rote Auge von HAL 9000, dem Bordcomputer aus Stanley Kubricks Film “2001: Odyssee im Weltraum” oder auch die Terminator-Fratze des von Arnold Schwarzenegger verkörperten Androiden.
Problematisch sei auch, dass die KIs im Trainingsprozess selbst wieder mit den Mensch-gegen-Maschine-Plots gefüttert werden. “Es liegt genau an diesen fiktiven Geschichten, die jetzt real werden, weil die KI-Systeme sie wiederholen.” Der problematischen Silicon-Valley-Ideologie “move fast and break things” könne man nur Bildung und Aufklärung entgegensetzen. Insgesamt appelliert Hermann aber daran, pragmatisch zu bleiben: “Vielleicht ist wirklich das Problem, dass uns die KI irgendwann einmal auslöschen möchte. Dann lag ich falsch. Oder wir gucken lieber, um was ich mich jetzt kümmern muss, denn wir leben ja schon mit KI.”
Zum Glück gibt es Ausnahmen! Isabella Hermann hat einen Lesetipp für uns, mit einer positiven KI-Figur. Sie empfiehlt den Roman “Pantopia” von Theresa Hannig.
Welche KI-Figur gefällt euch am besten? Habt ihr weitere Themen oder Feedback? Schreibt uns an kulturpodcast@swr.de.
Links zur Folge:
Theresa Hannigs Roman “Pantopia”:
https://www.fischerverlage.de/buch/theresa-hannig-pantopia-9783596706402
Isabella hat eine Einführung in das Science-Fiction-Genre geschrieben: https://www.junius-verlag.de/Programm/Zur-Einfuehrung/Science-Fiction-zur-Einfuehrung.html
Isabella Hermanns Science-Fiction-Hörspielpodcast "Das was Morgen": https://1.ard.de/das_war_morgen_cp
Hosts: Christian Batzlen und Pia Masurczak
Showrunner: Philine Sauvageot -
Nach dem AfD-Wahlsieg in Sonneberg: Was kann Kultur gegen Rechts ausrichten?
Und wieder ist das Entsetzen groß, weil die AfD ihre politische Macht ausbauen konnte: Robert Sesselmann ist nun der erste Landrat der AfD in Deutschland, im südthüringischen Sonneberg.
Monchi, Frontmann der Punkband Feine Sahne Fischfilet, kann sich darüber nur wundern: „Das hat sich seit Jahren angebahnt. Keiner, der sich mit rechten Strukturen beschäftigt, war überrascht.” Seine Band also auch nicht, denn die engagiert sich seit mehr als einem Jahrzehnt gegen Neonazis. Die sind genau dort besonders stark, wo Feine Sahne Fischfilet herkommt: auf dem Land in Mecklenburg-Vorpommern.
Monchi und seiner Band geht es vor allem darum, die Aktiven vor Ort zu stärken und zu zeigen: Hey, ihr seid nicht allein in eurem Engagement gegen Neonazis. Und da könne, erzählt er im Gespräch, Musik richtig viel bewirken. Das merke die Band zum Beispiel beim Festival “Wasted in Jarmen”, das sie ins Leben gerufen hat - auch, weil es sonst bislang viel zu wenig Kulturangebote in der Region gebe: “Es gibt an so vielen Orten nicht mal mehr einen Jugendclub. Und die Rechten gehen da gezielt rein.”
Ein Aufschrei wie jetzt nach der Landratswahl in Sonneberg sei nicht genug, sagen Monchi und auch Romy Arnold von der Mobilen Beratung für Thüringen und gegen Rechtsextremismus MOBIT. Die Zivilgesellschaft vor Ort müsse permanent unterstützt werden, nicht nur kurz vor Landtagswahlen, wenn alle einen Wahlsieg der Rechten fürchten, fordert Monchi: „Wir spielen seit Jahren Konzerte gegen Rechts, immer als Feuerwehr und ständig brennt es irgendwo. Manchmal reicht die Kraft einfach nicht mehr.”
Mailt uns, auch mit Feedback und Themenvorschlägen, an kulturpodcast@swr.de!
Hosts: Kristine Harthauer und Philine Sauvageot
Showrunner: Pia Masurczak -
Vinyls, Buffalos und Synthesizer: Warum sind wir gerade so nostalgisch?
Die 80er und 90er Jahre sind zurück! Scheint zumindest so, wenn man aktuelle Musik hört oder Trends auf der Straße sieht. Und auch Apache 207 singt: “Ich seh' aus wie die Nineties, sie kriegt Daddy-Issues”. Aber woher kommt die Lust an der vergangenen Zeit? War früher wirklich alles besser? Oder reden wir uns die schnelllebige, digitale Gegenwart voller Krisen und Unsicherheiten schön?
Dass wir uns eher an positive Zeiten als an die negativen erinnern, bestätigt uns Monika Schönauer, sie ist Professorin für Neuropsychologin an der Uni Freiburg: “Je schlechter die Zeiten, desto mehr hat man einen Hang zur Nostalgie. In der Psychologie sagt man, Nostalgie ist ein Gefühl: Und wir können Erinnerungen abrufen, die dieses Gefühl auslösen.”
Pop-Experte und Autor Jens Balzer ist gerade aus den 90er-Jahren quasi wieder aufgetaucht: Er hat sich für sein neues Buch intensiv mit dem Jahrzehnt beschäftigt. Mauerfall, Ende des Kalten Krieges, das Ende der Geschichte: Es sie keine Überraschung, dass sich gerade viele nach den 90er-Jahren sehnen: “Die große Kriegsbedrohung, unter der man in den 80er-Jahren litt, war vorbei. Junge Menschen kamen ganz anders zusammen und feierten.” Diese Lust an Party habe zum Beispiel den Geist Berlins geprägt, der bis heute anhält.
Aber natürlich war früher eben nicht alles besser und Nostalgie hat nicht nur ihre schönen Seiten: Rechtspopulistische Politiker verklären gern die alten Zeiten und für viele, insbesondere queere Menschen, Frauen oder People of Colour waren die “guten alten Zeiten” oft alles andere als gut. Und es gebe natürlich auch ein kapitalistisches Interesse daran, die vergangenen Jahrzehnte zu verwerten, sagt Balzer: “Dass Serien wie Stranger Things gerade so populär sind, liegt auch daran, dass das die Generation der Boomer sei, die genug Geld hat, um zum Beispiel in die passenden Fashion-Items zu investieren.” Worin sich alle vier einig sind: Corona-Mottopartys in dreißig Jahren? Sie werden kommen!
Welches Jahrzehnt ruft bei euch nostalgische Gefühle hervor? Mailt uns, auch mit Feedback und Themenvorschlägen, an kulturpodcast@swr.de!
Host: Pia Masurczak und Christian Batzlen
Showrunner: Kristine Harthauer
Jens Balzers Buch über die 90er-Jahre: “No Limit. Die Neunziger - Das Jahrzehnt der Freiheit” https://www.rowohlt.de/buch/jens-balzer-no-limit-9783737101738 -
Dragqueens erobern die Popkultur: Mehr Mainstream, weniger Hass?
Erst haben sich Dragqueens über ihr Make-Up amüsiert, dann hat die Schauspielerin Melissa McCarthy doch noch weltweit die Fans von sich überzeugt: als Meereshexe Ursula im Kinofilm “Arielle, die Meerjungfrau”. Ihre Figur soll von der Dragqueen-Ikone Divine inspiriert sein. Aber wie so oft bei Disney: Die queeren Rollen sind Bösewichte.
Was immer noch besser sei als gar keine queeren Menschen in der Popkultur zu haben, meint der Soziologe Jeff Manners. Dass die Dragkultur längst auch positiv den Mainstream prägt, betont die Dragqueen Betty BBQ aus Freiburg. Ihr Markenzeichen ist der Schwarzwald-Bollenhut. „Angekommen sind wir definitiv“, sagt sie. Was nicht gleichzusetzen sei mit sozial akzeptiert.
Drag-Kultur im Mainstream bedeutet nicht automatisch weniger Hass und Hetze gegen queere Menschen. Besonders in den USA tobt ein Kulturkampf: Ein Dutzend republikanisch geführter Bundesstaaten wollen Drag-Shows gesetzlich verbieten. Und in München platzt die CSU vor Wut über eine Kinderbuchlesung mit einer Dragqueen. “Populisten haben erkannt, dass man aus queeren Themen politisches Kapital schlagen kann, indem man Minderheiten zu Sündenböcken macht“, sagt Jeff Mannes. Für Betty BBQ eine beängstigende Entwicklung: „Ich habe mich die letzten 20 Jahre nie in einem Kulturkampf gesehen. Auf einen Schlag ist das anders, das belastet mich sehr.“
Diese Gleichzeitigkeit von Emanzipation und Repression - sie ist nicht neu, wie der Blick in die Geschichte zeigt. Der Historiker Benno Gammerl zieht mit uns Parallelen zum Deutschland der 1920er Jahre.
Habt ihr auch schon alle Staffeln der Serie „Pose“ über die Ballroom-Szene gesehen, irgendwann mal zu Madonnas „Vogue“ getanzt und sucht noch mehr Inspiration zum Thema? Mailt uns, auch mit Feedback und Themenvorschlägen, an kulturpodcast@swr.de!
Hosts: Kristine Harthauer und Philine Sauvageot
Showrunner: Stephanie Metzger
Benno Gammerls Buch “Queer. Eine deutsche Geschichte vom Kaiserreich bis heute”: https://www.hanser-literaturverlage.de/buch/queer/978-3-446-27607-9/
Die fünfteilige SWR-Dokuserie “Drags of Monnem”: https://www.ardmediathek.de/serie/drags-of-monnem/staffel-1/Y3JpZDovL3N3ci5kZS9zZGIvc3RJZC8xNTMw/1 -
Sieben Stunden Bildschirmzeit: Geht Leben noch analog?
Mehr als acht Stunden am Smartphone, dazu 270 Mitteilungen - und das an einem einzigen Tag! Christian muss ganz schön schlucken, als er seine Handyzeit prüft. Und auch Pia würde das Handy gern öfter daheim liegen lassen. Nur leider ist das Smartphone im Alltag nicht mehr wegzudenken: Im Café gibt es das Menü nur über einen QR-Code, das Handy lotst einen durch die Stadt, es ersetzt die Uhr und auch immer öfter die EC-Karte: Ohne es zu hinterfragen, ist das Smartphone für viele der erste Gegenstand, den sie morgens in die Hand nehmen und abends aus der Hand legen. Ist Offline also der neue Luxus?
Der Buchautor und Politikwissenschaftler Andre Wilkens setzt auf einen “analogue Friday”: “Das ist ein Tag im Büro, an dem ich nicht am Computer und am Smartphone arbeite. Ich kann den ganzen Tag Sachen erledigen und bin nicht abgelenkt durch E-Mails oder Messenger.” Aber Wilkens weiß auch, dass man sich diesen Luxus leisten muss. Darüber schreibt er in seinem Buch “Analog ist das neue Bio”: “Menschen, die ärmer sind, müssen digital sein. Sie müssen digitale Deals machen und dafür mit ihren Daten bezahlen. Und die, die es sich leisten können, können digitale Retreats machen und alle Geräte abschalten.” Er plädiert für mehr Balance zwischen digital und analog.
Dass mehr Digitalisierung das Leben nicht unbedingt einfacher macht, das beobachtet Rena Tangens, Internetpionierin und Gründerin des Vereins ”Digitalcourage”: “Uns wird sehr viel Arbeit aufgebürdet. Wir müssen uns mit schlechter Software und den Geräten auseinandersetzen, damit auf der anderen Seite gespart wird.” Auch Pias Mama, unser Special Guest der Folge, macht das Sorgen: Wenn bei der Post oder im Bahnhof künftig nur Apps und keine Menschen weiterhelfen. “Daran möchte ich mich gar nicht erst gewöhnen.”
Wie viel Bildschirmzeit habt ihr durchschnittlich? Oder fällt es euch leicht, mal eine Weile offline zu sein? Mailt uns, auch mit Feedback und Themenvorschlägen, an kulturpodcast@swr.de.
Hosts: Pia Masurczak und Christian Batzlen
Showrunner: Kristine Harthauer
Tipps, um weniger zum Handy zu greifen, hat der Neurologe Martin Korte: “Frisch im Kopf” heißt sein Buch. Es ist bei DVA erschienen.
Und wie die digitale Revolution unser Leben in Zukunft verändern wird, darüber denkt Andre Willkens in “Analog ist das neue Bio. Eine Navigationshilfe durch unsere digitale Welt” nach. Erschienen bei Metrolit.
Wer genervt ist vom Digitalzwang im Alltag, also von Läden und Anbietern, bei denen nichts mehr geht, ohne eine App und ohne Daten, der kann das hier melden: https://civi.digitalcourage.de/digitalzwangmelder
Hier noch ein Podcast-Tipp aus der Redaktion: In "nicht witzig - Humor ist, wenn die anderen lachen" spricht der Journalist und Autist Manuel Stark mit den witzigsten Menschen Deutschlands - und bringt sie in so manche Erklärungsnöte: https://www.ardaudiothek.de/sendung/nicht-witzig-humor-ist-wenn-die-anderen-lachen/12662427/ -
So viele Drake-Fakes: Wie verändert KI die Musik?
Na, erkannt? Das Bild zu dieser Folge ist fake. Eine Künstliche Intelligenz sollte für uns hier den Rapper Drake darstellen. Der kann von solchen Spielereien ein Liedchen singen. Mit seiner Stimme wird gerade besonders viel experimentiert. Etwa im Song “Heart on my sleeve” des Produzenten Ghostwriter997 rappt nicht Drake, sondern eine täuschend echt klingende KI-generierte Stimme.
Der KI-begeisterte Musiker und Produzent Stefan Harth glaubt, Drakes roboterartige Stimme biete sich für ein KI-Imitat geradezu an: “Eine KI kann mit solch einer glatt gebügelten Stimme gut arbeiten.” Die KI-Songs gehören für ihn in die Kategorie “Fanfiction”: Hartgesottene Fans bringen die guten alten Zeiten ihrer Idole wieder zurück.
Ein ernstes Problem ist und bleibt der Schutz der Urheberrechte. Das kennt Dr. Tobias Holzmüller nur zu gut als Leiter der Rechtsabteilung bei der GEMA: “Normalerweise schafft eine KI immer etwas Neues. Wenn aber ganze Harmonie-Sequenzen übernommen werden, handelt es sich um ein Plagiat.” Die Stimme hingegen sei vom Persönlichkeitsrecht geschützt. Ganz ausgeliefert ist man dem Stimmenklau also nicht.
Und dann haben wir extra für diese Folge einen eigenen Rap-Song mithilfe von KI produziert! Der ist (fast) hitverdächtig!
Wenn ihr weitere Themen oder Feedback habt, mailt uns an kulturpodcast@swr.de.
Hosts: Kristine Harthauer und Philine Sauvageot
Showrunner: Christian Batzlen
Hörtipps:
Ghostwriter997 - “Heart on my sleeve” https://youtu.be/_iYU9h7FEw0
AllttA - “Savages” https://youtu.be/y7r6PAkFRfU
Anleitung für alle, die selbst einen KI-Song produzieren wollen: https://www.swr.de/swr2/leben-und-gesellschaft/ki-und-musik-wie-man-mithilfe-von-ki-einen-rap-song-schreibt-100.html -
Pilze, LSD und ihre bunten Versprechen: Wohin führt uns der Hype um psychedelische Substanzen?
Psychedelische Retreats sind gerade so populär, dass sogar Schauspielerin und Wellness-Guru Gwyneth Paltrow dafür wirbt. Dabei geht es nicht um den Konsum von MDMA oder Magic Mushrooms für das reine Vergnügen. Stattdessen soll das Bewusstsein so geweitet werden, dass Traumata und Ängste verarbeitet werden können.
„Ich bin mir nicht sicher, ob das doch ein Hype ist, der in fünf bis sechs Jahren durch sein könnte“, sagt, trotz des medialen Rummels, Robert Feustel, Experte für die Kulturgeschichte von Rausch und Drogen. Viele Besucher*innen nutzten solche Retreats als Methode zur Selbstoptimierung, um den alltäglichen Wahnsinn der Leistungsgesellschaft zu kompensieren. “Aber wir sollten nüchterne Wege finden, die egozentrische kapitalistische Ausbeutungswelt zu verändern.“
In der Geschichte sei die Kontrolle des Drogenkonsums nie eine Frage des Gesundheitsschutzes gewesen, meint Feustel. Es sei dabei, vor allem in den USA, immer um die Gängelung von Minderheiten und Jugendkulturen gegangen. In der Debatte um den neuen Hype um Psychedelika sei es also mindestens genauso wichtig, langsam von einer Stereotypisierung aller Drogenkonsumenten wegzukommen: “Wichtig ist, ein anderes Reden über Drogen in der Gesellschaft zu etablieren.“
Für psychiatrische Behandlungen könnte die Rückkehr der Psychedelika aber sehr wohl positive Folgen haben. Bereits in den 60er- und 70er-Jahren habe man die positiven Effekte von LSD oder MDMA auf psychisch Erkrankte erforscht, erklärt Feustel.
Vielleicht gibt es sie also doch, die schöne neue Welt der Psychedelika?
Schreibt uns mit Anregungen, Kritik und Themenideen an kulturpodcast@swr.de.
Hosts: Christian Batzlen und Pia Masurczak
Showrunner: Giordana Marsilio
Die Kiyumi-Retreats von Amit Elan in den Niederlanden könnt ihr euch hier anschauen http://Kiyumi.org
Der psychedelic turn, geht’s dabei um Ekstase oder Kommerz? Philipp Hanske im Interview zu seinem aktuellen Buch „Ekstase der Gegenwart”, geschrieben zusammen mit Benedikt Sarreiter: https://www.swr.de/swr2/literatur/neues-buch-ekstase-der-gegenwart-ekstase-ist-ein-zustand-der-allen-menschen-vertraut-ist-100.html
In Deutschland ist der Hype noch nicht ganz so angekommen, wie in den USA. Immerhin, auch hier gibt es Bewegung in Sachen Legalisierung von Cannabis. Robert Feustel zur Legalize it-Debatte findet ihr hier im Interview: https://www.swr.de/swr2/leben-und-gesellschaft/verbote-bauen-ein-mysterium-rund-um-drogen-auf-cannabis-legalisierung-kommt-100.html
Das Buch von Robert Feustel, „Ein Anzug aus Strom”, findet ihr hier: https://link.springer.com/book/10.1007/978-3-658-09575-8 -
Nieder mit dem Patriarchat: Heiratet ihr noch oder kann das weg?
Die Ehe war früher vor allem eine Versorgungsgemeinschaft, erst mit der Zeit wurde die Institution mit dem Ideal der romantischen Liebe aufgeladen. Und heute? Muss man nicht mehr heiraten, um zusammenzuleben und Kinder zu bekommen. Die Scheidungszahlen steigen ohnehin seit Jahrzehnten.
Also könnte man die Ehe gleich ganz abschaffen? Das fordern gerade eine ganze Reihe von Autor*innen, darunter Emilia Roig. Für sie ist die Ehe eine patriarchale Institution, die Geschlechterungerechtigkeiten zementiert.
Die Dramaturgin und Podcasterin Felizitas Stilleke war verheiratet und ist geschieden. In einem Radio-Feature hat sie ihre Trennung und die damit verbundenen Schuld- und Schamgefühle beschrieben.
Sie sagt: „Liebe und Verantwortung sind viel mehr als partnerschaftliche Liebe. Es gibt so viele Formen von Lieben und Zusammenleben wie es Menschen gibt.“ Sie hätte sich bei der Scheidung statt des Stigmas und der Bürokratie ein bisschen mehr Tüll und Romantik gewünscht. „Der Staat könnte sich ja auch bei mir bedanken, dass ich für eine gewisse Zeit Verantwortung für einen anderen Menschen übernommen habe.“
Wie ist es bei euch: Heiraten oder lieber nicht? Oder gibt es für euch eine dritte Lösung? Schreibt uns mit Anregungen, Kritik und Themenideen an kulturpodcast@swr.de.
Hosts: Kristine Harthauer und Philine Sauvageot
Showrunner: Pia Masurczak
Felizitas' Feature „Das Sakrament der Scheidung“ könnt ihr hier nachhören:
https://www.hoerspielundfeature.de/feature-das-sakrament-der-scheidung-100.html
Ein Interview mit Emilia Roig zu ihrem aktuellen Buch „Das Ende der Ehe“ findet ihr hier:
https://www.swr.de/swr2/literatur/die-ehe-ist-ein-patriarchales-unterdrueckungselement-emilia-roigs-neues-buch-das-ende-der-ehe-100.html -
Schon wieder Bankenkrise: Wie erzählen wir vom Finanzkapitalismus?
Die Crédit Suisse muss gerettet werden, die First Republican Bank steht kurz vor der Pleite und wir fragen uns: Haben wir aus 2008 gar nichts gelernt? Vielleicht liegt das auch daran, dass wir keine guten Erzählungen vom Finanzkapitalismus haben. Gierige Banker wie in “Wall Street” oder “Money Monster” kann man schnell als amoralisch verurteilen, aber wer versteht eigentlich das System dahinter? CDOs, subprime, Anleihen oder Kapitaldeckung, das sind Begriffe, die eigentlich mehr verschleiern als erklären. Wie könnte also eine zeitgemäße Erzählung von Finanzmärkten und ihrem Einfluss auf unser aller Leben aussehen?
Selbst die langjährige ARD-Börsenkorrespondentin Dorothee Holz sagt: Die Finanzwirtschaft ist so abstrakt, dass es für Journalist*innen schwer ist, die Auswirkungen von fallenden oder steigenden Börsenkursen wirklich begreifbar zu machen.
Da haben Spiel- und Dokumentarfilme vielleicht bessere Chancen: Die Filmemacherin Carmen Losmann hat mit ihrer Doku “Oecomonia” (2020) versucht, unserem Wirtschaftssystem auf den Grund zu gehen - und dabei auch neue Bilder und Geschichten zu finden: “Wir sind oft sehr eingeschränkt in unseren Erzählungen über Wirtschaftssysteme. Die klassische Dramaturgie hilft uns nicht, das System zu verstehen.”
Habt ihr Fragen, Anregungen oder Kritik? Dann her damit, am besten per Mail an kulturpodcast@swr.de
Hosts: Christian Batzlen und Pia Masurczak
Showrunner: Stephanie Metzger
Hier noch ein Podcast-Tipp aus der Redaktion: https://1.ard.de/tee-mit-warum-podcast
In "Tee mit Warum" diskutieren Denise M'Baye und Sebastian Friedrich die großen philosophischen Fragen: Was gibt uns Sinn? Wann fühlen wir uns sicher? Kann Sprache gerecht sein? Jeden zweiten Donnerstag in der ARD Audiothek und überall, wo es Podcasts gibt. -
Sensitivity Reading: Sollen wir verletzende Literatur umschreiben?
In einem der Kinderbücher des britischen Autors Roald Dahl statt fett heißt es nun kräftig, James Bond soll in der Neuauflage der Romane nicht mehr so sexistisch sein: Ist das Zensur oder zeitgemäß? Und was macht diese Debatte mit unserem Verständnis von Literatur und Autorschaft?
“Es gibt Editionswissenschaften, wenn ich die Texte wirklich so lesen will, wie sie ursprünglich erschienen sind, kann ich das machen”, sagt Aşkın-Hayat Doğan. Er ist professioneller Sensitivity Reader, jemand der Bücher mit Blick auf Stereotype und realistische Darstellungen lektoriert - immer nur als Vorschlag, nie als Vorschrift. “Literatur darf immer noch alles.” Aber er betont auch: “Literarische Originalität ist nicht wichtiger als die Verletzung, die der Text bei anderen anrichtet.”
Wenn es um Änderungen an bereits publizierten Texten geht, ist Jens Jessen, ehemaliger Literaturchef der ZEIT, kritischer: “Natürlich dürfen scheußliche Gestalten in Romanen oder Theaterstücken auftauchen. Auf die Spitze getrieben hieße das sonst, wir landen wieder bei einer strengen Zensur wie im 17. Jahrhundert.” Die Autor*innen hätten vor 100 oder 200 Jahren eben nicht so geklungen wie wir heute.
Also alles eine aufgeblasene Debatte oder doch ein Problem für die Kunstfreiheit? Hört rein und bildet euch selbst eine Meinung!
Habt ihr weitere Themen oder Feedback?
Schreibt uns an kulturpodcast@swr.de
Hosts: Christian Batzlen und Pia Masurczak
Showrunner: Giordana Marsilio -
Ein Jahr Krieg gegen die Ukraine - Wie prägt der Schrecken die Menschen?
Ein Jahr nach Russlands Angriff auf die gesamte Ukraine sind laut den Vereinten Nationen inzwischen mehr als 8 Millionen Menschen aus dem Land geflohen. Auch wenn viele dem Schrecken des Krieges entflohen sind, verfolgen sie die traumatischen Erfahrungen ihr Leben lang, erklärt uns die Traumatherapeutin und Soziologin Manuela Ziskoven.
Lebensbedrohliche Erfahrungen wie ein Krieg, sagt sie, "bleiben im Gehirn und im Körper, in jeder Zelle gespeichert”. Auch wenn eine Therapie dabei hilft, solche dramatischen Erlebnisse abzumildern, sei die dauerhafte Beschädigung, die lebenslange Narbe unvermeidbar. "Die Wunde heilt, aber die Narben bleiben”.
Ein unverarbeitetes Trauma kann sogar an die nächste Generation weitergegeben werden. So war es bei Matthias Lohre. Der Journalist ist ein sogenannter "Kriegsenkel" und hat die Traumata seiner Eltern und Großeltern aus dem Ersten und Zweiten Weltkrieg geerbt. Lange Zeit hatte er das Gefühl: "Ich muss meine Eltern entlasten, ich darf das Maß ihrer Traurigkeit nicht noch vergrößern, ich muss möglichst leicht sein. Und das geht am einfachsten, wenn ich gut funktioniere.”
Habt ihr weitere Themen oder Feedback? Schreibt uns an kulturpodcast@swr.de.
Hosts: Kristine Harthauer und Philine Sauvageot
Showrunner: Giordana Marsilio
Wir empfehlen zur Folge:
Den Song “Viter viie (Der Wind weht)” von Alyona Alyona: https://www.youtube.com/watch?v=6oaWFrsXv9M
Den Song “Kupala” von Alyona Alyona:
https://www.youtube.com/watch?v=6oaWFrsXv9M
Das Buch “Das Erbe der Kriegsenkel” von Matthias Lohre: https://www.penguinrandomhouse.de/Taschenbuch/Das-Erbe-der-Kriegsenkel/Matthias-Lohre/Penguin/e525275.rhd -
3 Jahre nach Hanau - Was bleibt außer Bitterkeit und Misstrauen?
“Wir sind alle Hanau”, hieß es nach dem rechtsextremen Anschlag in Hanau.
Stimmt das? Oder schaut ein großer Teil der Gesellschaft weg - aus fehlender Betroffenheit, aus Ignoranz oder Rassismus? Und wie könnte im Gegenteil dazu eine solidarischere Gesellschaft aussehen?
Am 19. Februar 2020 riss ein Rassist in Hanau neun junge Menschen aus dem Leben. Seitdem sind drei Jahre vergangen, aber “nichts ist aufgearbeitet worden", beklagt der Rapper Aksu, der in seinem Song “Wo wart ihr?” den rechtsextremen Anschlag verarbeitet hat. Die vielen offenen Fragen und auch das offensichtliche Fehlverhalten der Sicherheitsbehörden verstärken sein Gefühl der Hoffnungslosigkeit. Er hätte sich auch in der Musikszene mehr Anteilnahme gewünscht.
Wegsehen zu können sei ein Privileg, meint der Autor Deniz Utlu. Solidarität heißt für ihn, “sich bewusst dafür zu entscheiden, dieses Privileg nicht zu nutzen”.
Aber selbst wenn die Gesellschaft mehr Mitgefühl, mehr Menschlichkeit entwickeln würde - Armin Kurtović, der Vater eines Opfers, gibt zu bedenken: “Egal was wir machen, nichts bringt mir meinen Sohn zurück”.
Habt ihr weitere Themen oder Feedback?
Schreibt uns an kulturpodcast@swr.de.
Hosts: Kristine Harthauer und Philine Sauvageot
Showrunner: Giordana Marsilio
Wir empfehlen zur Folge:
Der Song “Wo wart ihr?” von Aksu https://www.youtube.com/watch?v=gAjHPu3jJKc
Die Soli-Lesung am 11.2. in Hanau und digital https://www.betterplace.org/de/fundraising-events/43634-soli-lesung-in-hanau-wir-vergessen-nicht
SWR2-Feature zur “Lücke von Hanau” https://www.swr.de/swr2/doku-und-feature/die-luecke-von-hanau-100.html
Das Sammelband “Anders bleiben” https://www.rowohlt.de/buch/anders-bleiben-9783499010804
Das Sammelband “Eure Heimat ist unser Albtraum” https://www.ullstein.de/werke/eure-heimat-ist-unser-albtraum/hardcover/9783961010363
Eine ARD-Doku zu den Folgen von Hanau https://www.ardmediathek.de/video/dokus-und-reportagen/hanau-eine-nacht-und-ihre-folgen/hr-fernsehen/Y3JpZDovL2hyLW9ubGluZS8xMjY5MzE
Keywords: Hanau, Anschlag, Rassismus, Solidarität, Gesellschaft, Jahrestag -
Wir gehen in einen kurzen Winterschlaf
Wir gehen in einen kurzen Winterschlaf!
Mitte Februar wachen wir dann wieder auf und sind mit neuen Debatten und aktueller Kultur zu zeitgeistigen Themen zurück. Wer den Podcast abonniert hat, wird es mitbekommen. Ihr könnte jederzeit unsere bisherigen Folgen durchhören und uns Feedback und Anregung geben.
Schreibt uns einfach an:
kulturpodcast@swr.de.
Bis dahin. Wir freuen uns! -
Großeinsatz in Lützerath: Wann ist Polizeigewalt verhältnismäßig?
Man kann den Klimaprotest in und um das niederrheinische Dorf Lützerath gutheißen und gleichzeitig erkennen, dass die Polizeigewalt in der vergangenen Woche offenbar in vielen Fällen verhältnismäßig war.
Diesen Spagat versuchen wir, auch wenn die offizielle Aufarbeitung gerade erst begonnen hat.
Unser Gast Rafael Behr war selbst Polizeibeamter u.a. bei der hessischen Bereitschaftspolizei. Dann studierte er Soziologie und Psychologie und ist heute Professor für Polizeiwissenschaften an der Hochschule der Polizei Hamburg. Er untersucht die Organisationskultur der Polizei und erzählt uns von Widersprüchen und Mängeln.
Ist das wichtige Prinzip der "Verhältnismäßigkeit" nicht schwer zu fassen, gerade für die jungen unerfahrenen Beamten in den Hundertschaften? Die Polizei hat mit ihrem staatlichen Gewaltmonopol das verbriefte Recht, ein Privatgelände unter Einsatz von Schlagstöcken oder Pfefferspray zu bewachen. Aber wie weit darf sie dabei gehen?
Und dann wäre da noch die Polizeigewalt, die tödlich endet. Es ist kompliziert.
Habt ihr Fragen, Kritik oder Anregungen? Dann schreibt uns gern unter kulturpodcast@swr.de.
Host: Philine Sauvageot
Redaktion: Philine Sauvageot und Max Knieriemen
Zum Nachlesen:
Rafael Behr: "Cop culture. Der Alltag des Gewaltmonopols: Männlichkeit, Handlungsmuster und Kultur in der Polizei", 2008.
Georgiana Banita: "Phantombilder. Die Polizei und der verdächtige Fremde“, 2023. -
Chat GPT: Das Ende der Hausarbeit?
Chatbots wie ChatGPT werden immer mächtiger und finden immer weitere Verbreitung. Das bietet viele Chancen, bringt aber auch Risiken mit sich, gerade für die Textproduktion in der akademischen Forschung und Lehre. „Der klassische Schreibprozess wird ersetzt durch eine völlig neue Form der Interaktion von uns Menschen mit einer Software“, erklärt Doris Weßels, KI-Forscherin von der Fachhochschule Kiel.
Die Technologie ließe sich als Werkzeug, aber auch als Waffe benutzen. Jeder von der Software gelieferte Entwurf müsse bewertet werden, wer damit arbeite, sei noch viel stärker als Gutachter gefordert, so die Wirtschaftsinformatikerin. „Das ist eine Kompetenz, die wir in diesem Dialog zwischen Mensch und Maschine noch viel stärker sehen als zuvor.“
Allerdings wächst mit solchen Maschinen auch die Gefahr, dass Maschinentexte für Betrug genutzt werden. Die Stadt New York hat deswegen die Nutzung von ChatGPT in Schulen schon verboten. Kein guter Weg, findet Robert Lepenies, Präsident der Karlshochschule Karlsruhe. Stattdessen gehe es darum, ChatGPT in die Lehre zu integrieren und den Prozess des Schreibens, des kritischen Nachdenkens und Diskutieren in den Fokus zu nehmen. Die Betreuung an Universitäten muss sich verändern, um hier Schritt zu halten.
Habt ihr Fragen, Kritik oder Anregungen? Dann schreibt uns gern unter kulturpodcast@swr.de
Host: Christian Batzlen
Redaktion: Christian Batzlen und Max Knieriemen -
Die Deutschen und ihre Märchen: Wann schütteln wir die Schwarze Pädagogik ab?
Unter dem Weihnachtsbaum liegt vermutlich auch dieses Jahr wieder bei vielen Familien Bruno Bettelheims Klassiker „Kinder brauchen Märchen“. Aber stimmt das? Märchen sind oft grausam, zeigen problematische Geschlechterbilder und gehen – anders als das Leben – immer gut aus. Trotzdem können sie für die Erziehung von Kindern Impulse liefern, sagt der Märchenpädagoge Oliver Geister.
Längst nicht alle Kinder ‚brauchen‘ Märchen, sagt dagegen die Journalistin und Ratgeberautorin Nora Imlau. Allein schon deshalb nicht, weil Kinder heute ihre Gefühle zulassen dürfen – und dafür in den Märchen kein Ventil mehr brauchen, wie noch Bruno Bettelheim behauptet hatte. Dafür sorgen laut Imlau moderne Erziehungsideale, die bei Kindern Mündigkeit und Bindung fördern sollen.
Aber warum scheinen die Deutschen ihre Märchen dennoch so zu lieben? Denn die Klassiker-Sammlung der Gebrüder Grimm ist immer noch erfolgreich – wenn auch oft in entschärften Varianten. Steckt in uns doch mehr Schwarze Pädagogik, als wir uns vorstellen können?
Habt ihr Fragen, Kritik oder Anregungen? Dann schreibt uns gern unter kulturpodcast@swr.de
Host und Redaktion: Philine Sauvageot
Oliver Geisters Aufsatz „Achtung böse! Die zehn grausamsten Märchen der Brüder Grimm“ von 2014 findet ihr unter diesem Link: http://maerchenpaedagogik.de/geister_achtung_boese.pdf
Kommt alle zum SWR Podcast-Festival! Von 12.-14.01.2023 in Mannheim. Tickets gibts hier: https://www.swr.de/home/podcastfestival-100.html -
Zwischen Boykott und Jubel - Ist der Fußball endlich global geworden?
Der deutsche Boykott der Fußball-Weltmeisterschaft hat den Rest der Welt kaum beeindruckt. Die Einschaltquoten auch in anderen westlichen Demokratien brechen Rekorde. Zum Ende der WM in Katar versuchen wir mit dem Sportjournalisten Ronny Blaschke eine Bilanz: Haben die Deutschen den Boykott so stoisch durchgezogen, weil ihre Mannschaft früh ausgeschieden ist?
„Es hat kaum ein Land von dieser WM profitiert wie Deutschland. Die Metro in Katar wurde von deutschen Firmen mitentwickelt. Einige deutsche Architekturbüros haben gutes Geld verdient mit den schönen neuen Stadien“, erzählt Blaschke. Über diese Doppelmoral seien viele Menschen in der arabischen Welt erzürnt. Die Deutschen stehen mit ihrem Boykott also recht einsam da. Ist der Fußball derweil globaler geworden? Ist der Fußball letztlich doch mehr als nur der Sport der Europäer und Südamerikaner? Die Marokkaner machen es als erste arabische und erste afrikanische Mannschaft im Halbfinale einer WM vor.
Habt ihr weitere Themen oder Feedback? Schreibt uns an kulturpodcast@swr.de.
Host: Pia Masurczak
Redaktion: Pia Masurczak und Philine Sauvageot
Ronny Blaschke hat dieses Buch zum Thema geschrieben: „Machtspieler - Fußball in Propaganda, Krieg und Revolution", Die Werkstatt, 2020, broschiert 22€. -
Schamlos günstiges Erbe: Kann unsere Gesellschaft das auch künftig tragen?
Da werden Kindheitserinnerungen wach: Dagobert Duck geht im Geldspeicher seiner Lieblingsbeschäftigung, dem Bad in seinen Talern, nach. Diese Woche ist die Comicfigur 75 Jahre alt geworden. Das Baden im Geld ist derweil nicht aus der Mode gekommen. In Deutschland erbt ein kleiner Teil exorbitante Summen, während die Mehrheit weitgehend leer ausgeht.
Warum lässt die Gesellschaft das zu, obwohl damit das Leistungsprinzip und auch das Prinzip der Chancengleichheit verletzt werden? So drückt es der Philosoph Prof. Dr. Stefan Gosepath von der Freien Uni Berlin in dieser Folge aus. Um das zu verstehen, gewährt uns ein junger Erbe wertvolle Einblicke: Der Publizist, Aktivist und SPD-Politiker Yannick Haan hat gerade das Buch „Enterbt uns doch endlich!“ geschrieben. Er meint: „Erben ist etwas Stilles“. Es fehle die Transparenz darüber, wie viel die Superreichen eigentlich besitzen. „Die Ausmaße der Vermögensungleichheit sind vielen nicht bewusst.“ Aber erklärt Unwissenheit alles? Wenigstens ist da eine Hoffnung: Die jüngere Unternehmergeneration habe verstanden, dass Eigentum verpflichtet. Mit Reichtum geht Verantwortung einher. Ob das Onkel Dagobert auch so sieht, der über sein Geld das hier gern sagt: „Es ist mir ein Hochgenuss, wie ein Seehund hineinzuspringen! Und wie ein Maulwurf darin herumzuwühlen! Und es in die Luft zu schmeißen, dass es mir auf die Glatze prasselt!“
Habt ihr weitere Themen, die wir uns dringend anschauen sollten? Schreibt uns an kulturpodcast@swr.de.
Host: Christian Batzlen
Redaktion: Philine Sauvageot und Christian Batzlen -
Protest in China: Im Überwachungsstaat schlicht zum Scheitern verurteilt?
Kommt alle zum SWR Podcast-Festival! Von 12.-14.01.2023 in Mannheim. Tickets gibts hier: https://www.swr.de/home/podcastfestival-100.html
Unerhört – in China skandieren in mehreren Städten gleichzeitig Menschen „Nieder mit der KP“. Das hat in dieser Form wohl niemand kommen sehen. Und doch muss man sich fragen, wie nachhaltig dieser Protest sein kann. Welches Risiko gehen die Menschen in einem autoritären Überwachungsstaat ein, wenn sie ihre Kritik an den politischen Verhältnissen äußern? Werden sie es weiter eingehen, auch wenn sie persönliche Konsequenzen fürchten müssen?
Die Regierung streue Angst und Unsicherheit, sagt Christian Göbel. Der Professor für Sinologie erforscht an der Uni Wien Protestbewegungen in China. Technisch sei nun mal alles möglich. Da sind Drohnen, die im Lockdown durch Häuserschluchten fliegen und Durchsagen verbreiten, erst der Anfang.
Eine dystopische Science-Fiction, die wir mit etwas Schauern näher kennenlernen. Aber wir hören auch, wie kreativ und ironisch einige Chinesen die Zensur umgehen – und was das alles mit Pu der Bär zu tun hat.
Habt ihr weitere Themen, die wir uns dringend anschauen sollten? Schreibt uns an kulturpodcast@swr.de.
Host: Max Knieriemen
Redaktion: Philine Sauvageot und Max Knieriemen -
Klimaflucht ins Metaversum: Kompletter Realitätsverlust oder wirklicher als die Wirklichkeit?
Der kleine pazifische Inselstaat Tuvalu wird bei steigendem Meeresspiegel bald untergehen. Um sich zu retten, flüchtet das Land in die virtuelle Welt und gründet während der Weltklimakonferenz die erste digitale Nation im Metaversum.
Aber geht das überhaupt? Und wie real ist für die Menschen diese virtuelle Realität? “De facto kann man nicht den ganzen Staat im Internet nachbilden. Aber diese Symbolik hier ist extrem wichtig”, sagt Prof. Matthias Kettemann vom Alexander von Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft und klärt in diesem Podcast darüber auf, was geht für einen Staat. Und was nicht.
Bleiben wird auf jeden Fall die Idee, zumindest als Privatperson ins Metaversum zu ziehen. Der Philosoph Dominik Erhard hat es schon ausprobiert, spricht in dieser Folge darüber, wie real virtuelle Realität sein kann, und rät: “Wir tun gut daran, virtuelle Realitäten auch als real wahrzunehmen.”
Noch mehr Themen, die wir uns dringend anschauen sollten? Schreibt uns an kulturpodcast@swr.de
Host und Redaktion: Christian Batzlen -
Millennials im Bundestag: Welche Macht haben die jungen Abgeordneten?
2022 sind in Deutschland so viele Millennials an der Macht wie noch nie. Von den 736 Abgeordneten, die im Bundestag in dieser Legislaturperiode sitzen, sind 125 von ihnen unter 35 Jahre alt.
Einige dieser jungen Abgeordneten hat die junge Journalistin Livia Gerster für ihr Buch “Die Neuen” getroffen. Sie wollte herausfinden, was diese Millennials antreibt und wer sie sind. “Die jungen Politiker:innen zeigen sich auf Social Media super professionell”, sagt sie im Podcast, “und ich frage mich, wie ältere Politiker:innen ohne sowas anschlussfähig bei Jüngeren bleiben wollen”. Eine dieser jungen Politiker:innen ist Rasha Nasr (30) von der SPD.
Beide sprechen in „Was geht, bleibt?" darüber, welche Macht die jungen Abgeordneten haben, wie das Aufeinandertreffen von Boomern und Millennials im Bundestag war und wie wichtig ein gelungener Social Media-Auftritt ist: “Ich möchte mich nicht verbiegen”, sagt Rasha Nasr und beschreibt, wie wichtig Authentizität für ihre jüngere Generation ist.
Habt ihr noch mehr Themen, die wir uns dringend anschauen sollten? Schreibt uns an kulturpodcast@swr.de
Host: Kristine Harthauer
Redaktion: Kristine Harthauer und Christian Batzlen
Weitere Infos zum Thema:
Das Buch „Die Neuen“ von Livia Gerster ist am 02. November bei C.H. Beck erschienen. -
Musik und Protest: Welche Lieder braucht es für eine Revolution?
Im Iran gehen seit Mitte September jede Woche zehntausende Menschen auf die Straße - gegen die Unterdrückung von Frauen, gegen das Regime als Ganzes. Davon, und von der brutalen Niederschlagung der Proteste, bekommen wir hier nur Bruchstücke zu sehen, weil das Regime das Internet drosselt und fast keine unabhängigen Journalist*innen mehr vor Ort sind. Was bei uns ankommt: Die Musik der Revolution, so wie die Hymne „Baraye“ von Shervin Hajipour. Welche Bedeutung hat diese Musik für die Prostest - und wie hängen Musik und Protest überhaupt zusammen?
„Zu Marschmusik protestiert man nicht“, sagt der Musikjournalist Keno Mescher, denn Protest drückt sich nicht nur in den Lyrics, sondern auch in der Musik selbst aus. Und für die Politikwissenschaftlerin Naika Foroutan zeigt sich in „Baraye“ verdichtet etwas, dass sie „pan-progressive Proteste“ nennt. Aber was als subversive Musik beginnt, muss diesen widerständigen Charakter nicht behalten: Ob für Werbung, bei Corona-Protesten oder sogar als Genre beim Rechtsrock: Musik ist für vieles anschlussfähig.
Wenn ihr jetzt auf den Geschmack gekommen seid und noch mehr Protestsongs hören wollt: Die folgenden Lieder stehen auf der Playlist Iran von Naika Foroutan oder haben uns bei der Vorbereitung des Podcasts begleitet:
Shervin Hajipour: „Baraye“
Toomaj Salehi: „Soorakh Moosh“
Gola Ardestani „Hagham-e“
Ali Azimi / Golshifte Farahani: „Marze Por Gohar“
Yashgin Kyäni: „Bella Ciao“
James Brown: “Say it loud (I’m Black and I’m Proud)”
Victor Jara: “Derecho de vivir en paz“
Joan Baez: Bread and Roses”
N.W.A. “Fuk da Police”
Habt ihr noch mehr Themen, die wir uns dringend anschauen sollten? Schreibt uns an kulturpodcast@swr.de
Host: Pia Masurczak
Redaktion: Pia Masurczak und Giordana Marsilio -
Warenhäuser im Wandel: Aufbruch in eine neue Erlebniskultur?
Der Online-Handel boomt, der stationäre Handel ist gerade in der Pandemie dramatisch eingebrochen. Und ein Symptom dessen tritt gerade wieder offen zutage: Galeria Karstadt Kaufhof ist wieder insolvent - das Ziel des Verfahrens lautet Sanierung. Aber wie wäre es gleich mal mit der Komplettsanierung aller deutschen Innenstädte? Wie macht das Einkaufen in den immer gleichen, erlebnisarmen Shoppingmeilen der Republik wieder Spaß? Was könnte kommen, wenn die Konsumtempel weichen? Dazu haben befragen wir den Stadtplaner Thomas Krüger, den Konsumforscher Dirk Hohnsträter und die stellvertretende Direktorin des Deutschen Architekturmuseums in Frankfurt, Andrea Jürges.
Habt ihr noch mehr Themen, die wir uns dringend anschauen sollten? Schreibt uns an kulturpodcast@swr.de
Host: Jan Tussing
Redaktion: Jan Tussing und Philine Sauvageot -
Klimaprotest und beschmierte Kunst: Wie weit muss ziviler Ungehorsam gehen?
Blockierte Autobahnen und Unternehmenszentralen, Tomatensuppe auf einem Van Gogh und Kartoffelbrei auf einem Monet-Gemälde - die Aktionen von Klimaschützern werden immer radikaler. Einigen Medien, Politikern und Bürgern fehlt das Verständnis für die Proteste der „Letzten Generation“, auch innerhalb der Klimabewegung gibt es unterschiedliche Haltungen dazu, wie weit Protest gehen darf.
Wir haben Klimaaktivisten aus dem ganzen Spektrum gefragt, was sie sich von den Protestformen versprechen. Robin Celikates, Professor für Philosophie an der FU Berlin, erklärt, was effektiven Protest ausmacht und ab wann radikale Aktionen kontraproduktiv sind.
Habt ihr noch mehr Themen, die wir uns dringend anschauen sollten? Schreibt uns an kulturpodcast@swr.de
Host: Christian Batzlen
Redaktion: Christian Batzlen und Max Knieriemen -
Die 20-Stunden-Woche für alle – Mehr als eine Utopie?
Wir wollen in dieser neuen Folge endlich mal ein bisschen träumen, und natürlich auch realistisch prüfen: Wäre es machbar, dass alle weniger arbeiten? Denn das ist ja fast schon der Zeitgeist: Ein Termin jagt den nächsten und Freizeit, auch Freunde, müssen hinten anstehen. Außerdem ist Arbeit noch sehr ungleich und ungerecht verteilt. Viele Menschen arbeiten sehr viel mehr als andere - dafür aber schlechter bezahlt. Da hilft auch die Sinnhaftigkeit ihrer Arbeit nicht.
Dass diese Arbeits- und Zeitkultur in den westlichen Industriestaaten nicht alternativlos ist, zeigt die Journalistin Teresa Bücker in ihrem neuen Buch "Alle Zeit". Damit ist sie nicht die Erste. Auch die Soziologin Frigga Haug hat schon mit ihrer sogenannten 4-in-1-Perspektive für eine Neubewertung und Neugestaltung von Arbeit plädiert. Wenn es nach ihr ginge, gäbe es vier Arten von Arbeit. Die klassische Erwerbsarbeit ist nur ein Teil davon und füllt den Tag nicht mehr als vier Stunden aus.
Diese Utopien diskutieren wir und hören auch den Altenpfleger Manuel Wiegert, der bis zu seinem Burnout 400 Überstunden ansammelte. Er berichtet davon, wie es sich anfühlt, eindeutig zu viel zu arbeiten. Und dann liegen bei solchen Utopien auch allerlei Stolperfallen bereit. Was passiert zum Beispiel, wenn die Care-Arbeit, also die Sorge um Familie, vom Staat bezahlt werden würde, wie das viele Feministinnen fordern? Davor warnt die Journalistin und Autorin Mirna Funk.
Habt ihr noch mehr Themen, die wir uns dringend anschauen sollten? Schreibt uns an kulturpodcast@swr.de
Hosts und Redaktion: Kristine Harthauer und Philine Sauvageot
WEBLINKS und HINWEISE
Teresa Bückers Buch "Alle_Zeit: Eine Frage von Macht und Freiheit. Wie eine radikal neue, sozial gerechtere Zeitkultur aussehen kann" ist am 19. Oktober 2022 bei Ullstein erschienen.
Mirna Funks Buch “Who Cares. Von der Freiheit Frau zu sein” ist im Mai 2022 bei dtv erschienen.
Hier noch Mirna Funks erwähnter Artikel in der NZZ zur Care-Arbeit:
https://www.nzz.ch/meinung/care-arbeit-ist-der-kampfbegriff-einer-schieflaufenden-feministischen-debatte-ld.1706193?reduced=true -
Kreativität und KI: Ist Maschinenkunst auch Kunst?
Programme wie Dall-E oder Midjourney revolutionieren die Art und Weise wie Kunst hergestellt wird. Es braucht nur noch eine Eingabe, einen Prompt, der das gewünschte Bild präzise beschreibt und in Windeseile spuckt der Algorithmus passende Darstellungen aus.
Gerade hat Google ImaGen vorgestellt, das bewegte Bilder herstellt, Videos zu bauen ist also auch kein Problem mehr. Schon lange gibt es automatische Textgeneratoren wie GPT-3. Die Zukunft ganzer Berufszweige der Kreativbranche scheint bedroht zu sein.
Der Künstler Mario Klingemann arbeitet schon lange mit KI. Jetzt, wo jede*r mithilfe von Programmen wie Dall-E Kunst erzeugen kann, wird es für ihn als Künstler immer schwerer wirklich Neues zu schaffen: „Das reine Erzeugen hübscher Bilder ist mir zu einfach. Ich versuche herauszufinden, was Kunst ausmacht“, sagt er uns.
Die Literaturwissenschaftlerin Stephanie Catani von der Uni Würzburg forscht unter anderem zu Literatur und Kunst, die auf Algorithmen basiert. Sie ist der Meinung, dass eine KI erst mal noch nicht den großen Roman schreiben wird.
Einen ganzen fiktionalen Text zu schreiben, das könnten Maschinen noch nicht besonders gut. Was Catani hingegen mehr interessiere, ist die Frage: „Welches kreative Potenzial steckt in der Maschine als Tool für Künstler*innen der Gegenwart? Denn das eigentlich Kreative ist, mit diesem Programm so umzugehen, dass etwas entsteht, was weiterdenkt.“
Unsere Kollegen vom NDR haben in ihrem Podcast „Die Idee“ auch eine Folge zum Thema Künstliche Intelligenz gemacht! Norbert Grundei spricht darin mit dem KI-Experten Prof. Peter Kabel darüber, ob Künstliche Intelligenz die Bestseller von morgen schreibt oder die Charthits, die wir hören. Er sagt: Ja! Denn für bestimmte Texte ist heute schon KI verantwortlich. Hört doch mal rein bei „Die Idee“:
https://www.ardaudiothek.de/episode/die-idee-mit-norbert-grundei/36-was-kann-die-kuenstliche-intelligenz-prof-peter-kabel/n-joy/12007465/
Weblinks zum Thema:
Dall-E 2: https://openai.com/dall-e-2/
Midjourney: https://www.midjourney.com/home/
Google KI-Video Genarator: https://imagen.research.google/video/
Mario Klingemann: https://quasimondo.com/
KI-Podcast Steve Jobs im Joe Rogan-Interview: https://share.transistor.fm/s/22f16c7f
SWR Wissenschaftspodcast "Fakt ab": https://www.ardaudiothek.de/episode/fakt-ab-eine-woche-wissenschaft/sie-hat-jetzt-einen-anwalt-eine-google-ki-macht-ernst/swr2/10625093/
Was geht - was bleibt? Die Debatte um LaMDA: https://www.ardaudiothek.de/episode/was-geht-was-bleibt-zeitgeist-debatten-kultur/debatte-um-lamda-haben-algorithmen-gefuehle/swr2/10588035/
Habt ihr noch mehr Themen, die wir uns dringend anschauen sollten? Schreibt uns an kulturpodcast@swr.de
Host: Max Knieriemen
Redaktion: Max Knieriemen und Kristine Harthauer -
Literaturnobelpreis an Annie Ernaux: Erfinderin der modernen Autofiktion
Das Nobelpreiskomitee lobt ihren Mut und die „klinische Schärfe“ mit der Annie Ernaux „Wurzeln, Entfremdungen und kollektiven Beschränkungen der persönlichen Erinnerung aufdeckt“. Sie selbst sagt, sie habe angefangen zu schreiben, um ihre Klasse zu rächen. In ihren Büchern hat die frisch gebackene Nobelpreisträgerin persönliche Erinnerungen aufgezeichnet, und dabei immer ihre eigene Position als Frau innerhalb der französischen Gesellschaft genau verortet.
Ein Ansatz, der Schule gemacht hat. „Annie Ernaux hat unglaublich viele Frauen beeinflusst und ermutigt zu schreiben und sich durchzusetzen im Literaturbetrieb - und das im patriarchal geprägten Frankreich“, erklärt der Kulturjournalist und Frankreich-Kenner Nils Minkmar in „Was geht - was bleibt“.
Die Super 8 Tagebücher von Annie Ernaux in der ARTE-Mediathek: https://www.arte.tv/de/videos/101402-000-A/annie-ernaux-super-8-tagebuecher/
In einer früheren Folge von "Was geht - was bleibt?" haben wir schon mal über Annie Ernaux gesprochen: https://www.ardaudiothek.de/episode/was-geht-was-bleibt-zeitgeist-debatten-kultur/annie-ernaux-neues-buch-warum-boomt-autobiografische-literatur/swr2/10554393/
Habt ihr noch mehr Themen, die wir uns dringend anschauen sollten? Schreibt uns an kulturpodcast@swr.de
Host: Max Knieriemen
Redaktion: Max Knieriemen und Kristine Harthauer -
"Frauen, Leben, Freiheit": Schreibt der Iran gerade feministische Weltgeschichte?
Eine junge Frau ohne Kopftuch, die auf dem Dach eines Autos steht und „Tod dem Diktator“ ruft. Zwei Frauen, die ohne Kopftuch frühstücken gehen. Frauen, die gegen die allgegenwärtige Sittenpolizei protestieren. Noch vor kurzer Zeit wäre all das im Iran undenkbar gewesen.
Seit etwa zwei Wochen ereignen sich derartige Szenen in der Islamischen Republik immer wieder. Auslöser der Proteste war der Tod der 22-jährigen Mahsa Amini, die von der Sittenpolizei festgenommen wurde und später im Krankhaus starb. Die daraus entstandenen Proteste berühren einen Kernbestandteil der Islamischen Republik: die Pflicht für Frauen, ein Kopftuch zu tragen.
Schreiben die Frauen im Iran gerade feministische Weltgeschichte? „Ja“, sagt die Journalistin Natalie Amiri im SWR2 Podcast „Was geht - was bleibt“. „Denn auf den Straßen stehen Frauen, sie reißen sich das Kopftuch vom Leib, unter dem Beitrag von Männern und Frauen, sie verbrennen ihre Kopftücher, sie widersetzen sich der Sittenpolizei, die sie mehr als 40 Jahre lang diskriminiert hat, beleidigt, beschimpft, verhaftet und in Mini-Busse gezerrt und sie fertig gemacht hat. Die Frauen, die jetzt sagen: Wir machen nicht mehr mit.
Aber – so Amiri – das Regime schlage hart zurück. Die Frauen im Iran litten seit mehr als 43 Jahren, „ich habe nie so willensstarke Frauen wie die im Iran gesehen“, sagt Natalie Amiri. Feminist*innen auf der ganzen Welt sollten sich noch weitaus mehr mit den Frauen im Iran solidarisieren, ein Kopftuchverbot zum Beispiel in Deutschland lehnt Amiri jedoch ab: „Wenn wir hier in der Demokratie, in Freiheit Frauen verbieten Kopftücher zu tragen, wären wir nicht viel besser als die Islamische Republik.“
Die Politologin und Aktivistin Emilia Roig sieht die iranischen Proteste im Kontext eines weltweiten Feminismus: „Der Protest zeigt, wie tödlich das Patriarchat im Iran ist. “Auch in Deutschland gebe es Gewalt gegen Frauen, so Roig: „Alle drei Tage wird hier eine Frau von ihrem Partner oder Ex-Partner getötet.“ Man müsse das Patriarchat „jeden Tag verlernen“, „wir müssen die unterlegene Position der Frauen verlernen und auch die binäre Geschlechtsordnung.“
Habt Ihr noch mehr Themen, die wir uns dringend anschauen sollten? Schreibt uns an kulturpodcast@swr.de
Host: Philine Sauvageot
Redaktion: Philine Sauvageot und Daniel Stender -
Die documenta fifteen endet: Was bleibt von der deutschen Erinnerungspolitik?
Die documenta fifteen geht zu Ende – und nicht wenige Menschen würden jetzt hinzufügen: endlich. Was geht, wenn die größte deutsche Kunstausstellung für viele ein Fiasko ist? Die eine Seite beklagt, mit der Documenta habe man Antisemitismus in Deutschland wieder öffentlich ausstellen können, während die andere Seite meint, hinter der Kritik an den Künstler:innen stünde Rassismus. Ein Scherbenhaufen also, zumindest in der öffentlichen Debatte.
Und was bleibt nun im Nachhinein von dieser documenta fifteen? Lässt sich aus diesem Scherbenhaufen etwas machen – zum Beispiel eine Auseinandersetzung über die deutsche Geschichts- und Gedenkpolitik und die Frage, welchen Platz die kolonialen Verbrechen darin neben der Shoah einnehmen können?
Als gescheitert würde die Journalistin Charlotte Wiedemann die documenta nicht bezeichnen. Wiedemann hat viel aus dem Ausland berichtet und beschäftigt sich mit unterschiedlichen Erinnerungskulturen. Sie hat die documenta besucht und dort viele Anregungen gefunden, die sie in der deutschen Debatte vermisst hat: “Über die documenta würde eine Glocke der Deutschtümelei gestülpt. Das Problem war für mich nicht die documenta selbst, sondern unser Umgang damit.”
Anders sieht das der Kunstkritiker Hanno Rauterberg, er sagt, die mangelnde Kommunikationsbereitschaft habe den Austausch erschwert: “Der Kollektiv-Gedanke der documenta hat Kritik an einzelnen Künstlern erschwert.” Schnell habe es geheißen, Kritik meine nicht den Einzelnen, sondern alle und damit die gesamte documenta. Kritik sei deshalb von Ruangrupa schnell als rassistisch wahrgenommen worden.
Und auch der Meron Mendel, Direktor der Bildungsstätte Anne Frank und engagiert hätte sich gewünscht, dass die verschiedenen Seiten wirklich miteinander ins Gespräch kommen: „Es wurde zwar viel debattiert, aber da war das Gefühl, dass man aneinander vorbeiredet.“
Viel Stoff also für eine Debatte über die deutsche Erinnerungspolitik!
Charlotte Wiedemanns Buch „Den Schmerz der anderen begreifen“ ist im Mai 2022 bei Ullstein erschienen.
Unterschiedliche Positionen und Erklärungsansätze zur documenta-Debatte findet ihr in der Ausgabe 09/2022 von Politik & Kultur, der Zeitschrift des Deutschen Kulturrats – alles abrufbar unter https://politikkultur.de/archiv/ausgaben/nr-9-22/
Die Bildungsstätte Anne Frank, deren Direktor Meron Mendel ist, hat eine Podiumsdiskussion zu Kunst und Antisemitismus veranstaltet, die ihr hier anschauen könnt: https://www.bs-anne-frank.de/events/kalender/zum-antisemitismusskandal-auf-der-documenta-fifteen
Bei „Was geht, was bleibt“ haben wir uns schon öfter mit den Themen Kolonialismus und Erinnerungspolitik beschäftigt, zum Beispiel in diesen beiden Folgen:
https://www.swr.de/swr2/programm/blinder-fleck-der-erinnerungskultur-unser-kolonialistischer-blick-nach-osteuropa-100.html
https://www.swr.de/swr2/programm/rueckgabe-von-raubkunst-dekolonisierung-oder-reine-symbolpolitik-100.html
Habt ihr noch mehr Themen, die wir uns dringend anschauen sollten? Schreibt uns auf kulturpodcast@swr.de
Host: Pia Masurczak
Redaktion: Pia Masurczak und Kristine Harthauer -
Jean-Luc Godard ist tot: Stirbt mit ihm das Kino?
Eine Ära geht zu Ende, mit dem Tod von Jean-Luc Godard. Am 13. September ist der französische Filmemacher gestorben. Einer der wichtigsten Filmregisseure überhaupt war er, einer, der das europäische Kino revolutioniert hat.
Ein Genie, das man nicht imitieren kann, sagt der Filmregisseur Volker Schlöndorff. Er hat in den 60er Jahren die jungen Wilden der „Nouvelle Vague“ als Filmassistent miterlebt. Godard sei einer, „der konnte nicht anders“: „Er lebte in seiner eigenen Welt. Er war nicht kommunikativ. Er lebte von und für das Kino.“
Aber ist er ab jetzt einfach ein Klassiker unter anderen Klassikern? Der Kulturtheoretiker und Autor Klaus Theweleit glaubt das nicht, er wünscht sich nur mehr Mut bei neuen Produktionen: „Die Filme, die man heute sieht, sind ja nicht schlecht gemacht. Das sind perfekt gemachte Filme, aber wir kennen eigentlich alles, was wir angeboten bekommen.“ Was wir jetzt im Kino oder auf Streaming-Plattformen gezeigt bekommen, sei immer „auf’s Auge gehauen“.
Die Art von Kino, die Godard gemacht habe, nennt Theweleit: „Was man mit Augen nicht sehen kann. Godard gibt uns Einblick in verborgene Realitäten.“
Mehr zum Thema Filme bei "Was geht - Was bleibt?" findet ihr hier: https://www.ardaudiothek.de/episode/was-geht-was-bleibt-zeitgeist-debatten-kultur/globalisierung-auf-dem-filmmarkt-wo-bleibt-deutschland/swr2/10624499/
Habt ihr noch mehr Themen, die wir uns dringend anschauen sollten? Schreibt uns an kulturpodcast@swr.de
Host: Kristine Harthauer
Redaktion: Kristine Harthauer und Max Bauer