Nach zehn Jahren an der Staatsoper Unter den Linden zog es Matthias Schulz nun in die Schweiz. Dort hat er gerade als designierter Intendant des Opernhauses Zürich die Geschäfte übernommen. Im kommenden Jahr wird er mit seiner ersten Spielzeit das Haus von seinem Vorgänger Andreas Homoki komplett übernehmen. Der Intendant spricht unter anderem über die Kraft der Oper und über die steigende Sehnsucht vieler Menschen nach einem so unmittelbaren Erleben, wie Oper es sein kann.
Schulz will für Unruhe im guten Sinne sorgen
Es ist Rad-WM in Zürich. Die Rennstrecke verläuft rund um das Opernhaus. Überall Sportler, Verpflegungsstationen, Dixi-Klos. Matthias Schulz bahnt sich unbeeindruckt den Weg durch das Spektakel zum Eingang seines Büros. Nach zehn Jahren mittendrin in Berlin, als Intendant der Staatsoper Unter den Linden, bringt ihn so etwas nicht aus dem Takt.
Überhaupt: Wer glaubt, Schulz sucht in Zürich, insbesondere an der Oper, mehr Ruhe, der täuscht sich: „Also, wenn es hier zu viel Ruhe gibt, dann werde ich dafür sorgen, dass es im guten Sinne mehr Unruhe gibt“, so Schulz. Vor gut drei Jahren wurde er gefragt, ob er sich einem Bewerbungsverfahren um die Intendanz in Zürich stellen möchte. Die erste Runde: „10 Fragen zum Thema Oper“.
Für ihn zunächst mal eine gute Reflexion: „Sich einfach mal wieder hinzusetzten und zu überlegen: Wie möchte ich Oper machen? Das hat richtig Spaß gemacht, muss ich sagen. Ich hab' da dann ein relativ umfassendes Papier abgegeben. Und dann gab es eine zweite Runde hier in Zürich. Ich glaube, da waren dann noch zwei Drittel der Kandidaten mit im Rennen. Und dann hat es geklappt!“
Die Berliner Staatsoper managte Schulz in Krisenzeiten
Den Zuschlag bekam er also mitten in der Corona-Pandemie, der herausforderndsten Zeit für Kulturinstitutionen. Kurz zuvor hatte Schulz schon die Krise um den umstrittenen Führungsstil von Generalmusikdirektor Daniel Barenboim zu managen. Nach Corona dann die Frage, wie positioniert sich ein Opernhaus politisch, wenn Russland einen Angriffskrieg auf die Ukraine startet.
Dynamische Zeiten und viel Öffentlichkeit für einen Intendanten: „Das war für mich eine extrem wichtige Zeit. Mit viel Diskussionen darüber, was der richtiger Führungsstil ist. Auch mit Diskussionen über den kulturellen Wandel von Kulturinstitutionen. Und ich freue mich jetzt mit all diesen Erfahrungen hierher zu kommen, an einen Ort, wo man in einem so breitem Spektrum Oper machen kann.“
Alle zwei Jahre Uraufführungen und ein Raum für die Zukunft der Oper
Denn in Zürich gibt es im Vergleich zu anderen Häusern sehr viel mehr Premieren und Neuproduktionen pro Saison. Und: Schulz muss alle zwei Jahre eine Uraufführung auf die Bühne bringen – eine Leistungsvereinbarung mit dem Kanton Zürich, der das Haus hauptsächlich finanziert.
Schulz entscheidet also, wer für welches Stück einen Kompositionsauftrag bekommt: „Oper sollte nicht unbedingt tagesaktuell sein, dann wird es schnell alt. Es geht darum, dass man emotionale Extremzustände zutage fördert. Die bleiben dann auch. Und dann bleibt auch das Stück, wenn es schafft, universelle, emotionale Extremzustände vor Augen zu führen“, erklärt der künftige Züricher Intendant. „Da die richtigen Stoffe zu finden, sich darauf zu einigen zwischen dem Komponisten und dem Regisseur, den man ja im besten Fall auch schon ins Boot gehol hatt, das ist etwas wirklich Schwieriges.“
Konkretes verrät der designierte Intendant zu seiner Stückauswahl noch nicht. Das Programm seiner ersten Spielzeit wird erst im kommenden Jahr vorgestellt. Denn noch läuft die Spielzeit seines Vorgängers Andreas Homoki. Dafür erzählt Schulz von seinen konkreten Plänen, neben dem Opernhaus einen neuen Spielraum öffnen zu wollen, als Ergänzung zum laufenden Betrieb: Es soll ein Raum für musikalische Bildung und experimentelles Musiktheater.
„Mehr Raum für Ausprobieren, für Unfertiges, was gewissermaßen, wie ein Labor funktioniert“, erklärt Schulz seine Vision. Es solle ein Raum werden, „wo man auch mal junge Regisseurinnen und sehr junge Sänger ausprobieren kann. Wie eine Werkstatt, in der man die Zukunft der Oper ausprobieren kann.“
Mit kluger Kommunikation opernfernes Publikum erreichen
Schulz lässt sich von seinem neuen Arbeitsort herausfordern. Und er freut sich, dass er dort, als gebürtiger Bayer und nach vielen Jahren im schönen Salzburger Land, wo er unter anderem Konzertchef für die Salzburger Festspiele war, wieder ganz nah an den Bergen ist.
Man darf gespannt sein, wie er das Opernhaus Zürich weiterentwickelt. Mit einer klugen Kommunikation Menschen erreichen, die von sich aus nicht in die Oper gehen, ist eine seiner Devisen. Er findet, in Zeiten von digitaler Reizüberflutung gebe es immer mehr die Sehnsucht nach einem so direkten Erlebnis wie Oper es sein kann.
Er wolle einen Ort Ort, wo man die Schwingungen von Stimmen und Instrumenten ganz unmittelbar körperlich wahrnehmen kann, so Schulz. „Und dieses unmittelbare Erleben, wo man sich für mehrere Stunden auf etwas einlässt, auf eine Geschichte einlässt, das sind Erlebnisse, die wir einfach wieder brauchen. Deshalb glaube ich auch, dass die Kraft der Oper wieder steigt in der gesellschaftlichen Wahrnehmung.“
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