- Falsett: Diese Stimmen wollen hoch hinaus
- Jodeln: Gesungene Hirtenrufe
- Beatboxing: Wenn die Stimme den Rhythmus vorgibt
- Growling: So werden Schreie und Knurren zu Musik
- Oberton-Gesang: Aus einer Stimme mach zwei
- Ululation: Trillern zwischen Jubilieren und Kampfgeschrei
- Rekuhkara: Die (fast) verlorene Gesangstechnik der Ainu
Falsett: Diese Stimmen wollen hoch hinaus
Bei Männern lässt sich die Stimme in drei Register unterteilen: Ein tiefes Register (Stroh- oder Kehlbass), ein mittleres (Brust- oder Kopfregister) und ein hohes Register, auch Falsett genannt. Das tiefe Register wird ziemlich selten genutzt, während das mittlere Register den Alltag von Sängern bestimmt. Das Falsett kommt dann zum Einsatz, wenn besonders hohe Töne gesungen werden sollen, ähnlich der weiblichen Stimme.
Unterschieden werden kann das Falsett in ein natürliches und ein künstlerisches, also geschultes Falsett. Doch Vorsicht: Ein übereilter direkter Gedanke an die Kastraten aus der Zeit Georg Friedrich Händels führt in die falsche Richtung. Denn ein Falsett ist bei jedem Mann möglich, doch den meisten ist diese Eigenschaft unbekannt.
Das wohl berühmteste Beispiel des Falsetts liegt in gar nicht mal allzu ferner Vergangenheit: Barry Gibb aus dem Drei-Brüder-Gespann „Bee Gees“ prägte mit seinem Falsett den Sound der Band. Das Falsett ist unverkennbarer Teil des Songs „Stayin' Alive“, in gewisser Weise ist das Falsett damit sogar lebensrettend.
Jodeln: Gesungene Hirtenrufe
Was ist beim Jodeln das zweite Futur bei Sonnenaufgang? Natürlich „dö dudl dö“, das wissen zumindest die Besitzer des Jodeldiploms, wie Frau Hoppenstedt aus dem Loriot-Klassiker von 1978.
Doch die Geschichte des Jodelns reicht deutlich tiefer in die Geschichte hinein, bereits am Ende des 18. Jahrhunderts wird das Wort „jodeln“ wahrscheinlich zum ersten Mal erwähnt. Tiroler Sängerchöre schaffen das Wort um die Jahrhundertwende, gehen mit dem Gesang auf Tour und machen ihn in Norddeutschland und sogar London bekannt.
Das Geheimnis des Jodelns ist, ein Pressen zu vermeiden. Ein stetiger Luftdruck durch Bauch- oder Zwerchfellatmung, ein Wechsel der typische Jodelsilben und ein Wechsel zwischen Brust- und Falsettstimme verhelfen Jodelanfängern zu schnellem Erfolg.
Doch nicht nur in Tirol oder der Schweiz ist das Jodeln beliebt, auch zwischen Kansas und Texas kann Jodeln bei genauem Hinhören vernommen werden. Denn hier finden sich jodelnde Cowboys, nennenswertes Lied ist „The Old Chisholm Trail“ mit Jodelrefrain.
Beatboxing: Wenn die Stimme den Rhythmus vorgibt
Die Orgel gilt bekanntlich als das Instrument, das andere Instrumente imitieren kann. Doch die menschliche Stimme, oder besser gesagt der Vokaltrakt, ist mindestens genauso fähig. Bestes Beispiel: das Beatboxing.
Beatboxer erzeugen Rhythmen. Durch Konsonantenfolgen imitieren sie so Perkussionsinstrumente wie das Schlagzeug, aber auch andere Soundeffekte wie Platten-Scratches. Geräuschvolles Atmen, Husten, Schnarchen oder Schnalzen kann genauso eingesetzt werden wie die Stimme selbst.
Beatboxing – Musik mit Mund und Mikro
Auch in anderen Musikrichtungen übt man sich gerne in der Imitation von Instrumenten. Prominentes Beispiel: Der Scat-Gesang im Jazz, der Melodiefolgen aufgreift und lautmalerisch imitiert.
Growling: So werden Schreie und Knurren zu Musik
Wer im Sommer nach Wacken oder zum Summer Breeze pilgert, dem sollten diese Gesänge bestens vertraut sein: In verschiedenen Metal-Subgenres gehören Growling (Knurren), Shouting (Schreien) und Screaming (Kreischen) zum guten Ton.
Bei den tiefen Growls wird die volle Stimme benutzt, die Töne werden aber guttural, also in der Kehle angesetzt. Stimmlich höher angesetzt werden die Screams, die vor allem im Black Metal und Metalcore populär sind. Für Shouts nutzen Metal-Sänger hingegen in der Regel das Register ihrer Sprechstimme.
Wer nun selbst Lust bekommt, sich zwischen Growling und Screaming zu versuchen: Es empfiehlt sich tunlichst, die Techniken mit einem Gesangscoach sauber zu erlernen. Sonst drohen die beanspruchten Stimmbänder ernsthaften Schaden zu nehmen.
Oberton-Gesang: Aus einer Stimme mach zwei
Um auf einem Klavier zwei Töne gleichzeitig zu spielen, muss man kein ausgebildeter Pianist sein, sondern kann einfach zwei der 88 Tasten gleichzeitig drücken. Doch zwei Töne im selben Moment mit der Stimme zu singen ist um ein vielfaches schwieriger – aber nicht unmöglich.
Ein Selbstversuch bringt immerhin einen einzelnen Ton mit nur wenig Übung hervor: Dazu muss man einfach „Hang“ singen, beim „ng“ liegen bleiben und mit den Lippen – man denke an einen Karpfen – abwechselnd ein „A“ und „O“ formen. Dabei entsteht ein zweiter Ton, der Oberton.
Der Oberton entsteht innerhalb des Mundes als Klangraum und nicht durch eine Schallquelle im Hals. Vergleichbar ist das mit der Maultrommel. Zum Gesang wird der Obertongesang, wenn die Obertöne eine zweite Melodie formen, der populäre Pachelbel-Kanon ist ein geeignetes Beispiel.
Ululation: Trillern zwischen Jubilieren und Kampfgeschrei
Eigentlich klingen sie ja alles andere als melodisch: die jubelnden Freudenschreie, die arabische Frauen bei großen Feiern ausstoßen. „Zagharit“ heißen sie und der palestinensische Komponist Moshen Subhi hat ihnen 1997 ein musikalisches Denkmal gesetzt, indem er traditionelle Hochzeitslieder neu interpretierte und arrangierte.
Der Klang, von Fachleuten Ululation genannt, entsteht durch einen gehaltenen hohen Ton, der durch die schnelle Hin-und-Her-Bewegung von Zunge und Gaumenzäpfchen zu einem lauten Triller wird. Verbreitet ist er nicht nur im Mittleren Osten, auch in weiten Teilen Afrikas, in Indien und bei indigenen Völkern Nordamerikas, etwa den Cherokee und den Apachen.
Die afrikanische Ululationstradition lassen auch R&B-Künstler The Weeknd und Rapper Kendrick Lamar in ihrem Song „Pray for Me“ aufleben, den sie für den Soundtrack des Marvel-Blockbusters „Black Panther“ komponieren.
Rekuhkara: Die (fast) verlorene Gesangstechnik der Ainu
Zwei Menschen, traditionell Frauen, sitzen sich dicht gegenüber. Durch kräftiges Ein- und Ausatmen erzeugen sie Geräusche, die sich zu Rhythmen zusammensetzen. Dabei erzeugt die „Sendende“ mit ihrer Stimme einen Laut, der durch die „Empfängerin“ aufgenommen und im eigenen Vokaltrakt moduliert wird.
Man findet den Kehlkopfgesang auch bei den Inuit auf Grönland und in Kanada. Zu trauriger Bekanntheit ist allerdings der Rekuhkara der Ainu, der indigenen Bevölkerung der nordjapanischen Insel Hokkaido, gekommen.
Bis in die 1990er-Jahre verfolgte die japanische Regierung eine sehr restriktive Politik gegenüber den Ainu. Heute sind sie als ethnische Minderheit anerkannt, ihre Kultur, Sprache und Traditionen stehen unter besonderem Schutz. Zu spät aber für den Rekuhkara: Die letzte praktizierende Ainu starb im Jahr 1976. Heute gibt es Versuche, die Tradition wieder aufleben zu lassen.