Album-Tipp

Pianist Jean-François Heisser spielt und dirigiert Ravel: „Sehr nahbar und sinnlich“

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Christoph Vratz
Christoph Vratz

Die Musik von Maurice Ravel wird in diesem Jahr anlässlich des 150. Geburtstages des französischen Komponisten wieder verstärkt in den Fokus rücken. Der Pianist Jean-François Heisser hat schon damit begonnen und das G-Dur-Klavierkonzert von Ravel aufgenommen. Das Orchestre de Chambre Nouvelle-Aquitaine ergänzt das Album um einige Orchesterwerke.

Der Beginn klingt wie eine Improvisation

Zu Beginn von Maurice Ravels G-Dur-Konzert ertönt ein Peitschenknall, ausgelöst durch zwei aneinander geschlagene Hölzer – als wären wir in der Zirkus-Manege. Danach folgt eine sirrende Klangfläche, aus der sich allein die Flöte erkennbar herausschält. Solistisch meldet sich das Klavier erstmals nach knapp einer Minute. 

Jean-François Heisser spielt diesen Beginn wie eine Improvisation: nachdenklich, versonnen und mit einer subtilen Freiheit. Heisser ist so etwas wie ein musikalischer Enkel von Ravel, denn er war Schüler von Vlado Perlemuter, und der wiederum hat in jungen Jahren eng mit Ravel zusammengearbeitet, sich eng mit ihm über die Interpretationen seiner Musik ausgetauscht. Ein bisschen von dieser Genealogie spiegelt sich auch in Heissers neuer Aufnahme.

Sanfte und elegante Interpretation

Heisser rückt nie die virtuosen Momente in den Fokus. Auch spielt er nicht mit jener stilprägenden Kühle wie einst Arturo Benedetti-Michelangeli. Heisser zeigt uns zwar die ganze Beweglichkeit dieser Musik, aber sie hat gleichzeitig etwas Sanftes und Elegantes – erst Recht in den verträumt wirkenden Passagen.

Das Orchestre de Chambre Nouvelle-Aquitaine spielt ohne eigenen Dirigenten, diese Aufgabe übernimmt Heisser vom Klavier aus. Abstimmungsprobleme? Fehanzeige. Es ist ein oft kammermusikalisches Geben und Nehmen – besonders im langsamen zweiten Satz. 

Musik wirkt von innen heraus

Diese Aufnahme atmet, ob in den schnellen oder in den eher versonnenen Momenten, den Geist einer gewissen Gelöstheit. Da wird nichts in ein bestimmtes ästhetisches Korsett gezwängt, vielmehr entfaltet die Musik all ihre Wirkung von innen heraus. Das ermöglicht auch eine Vielzahl an verschiedenen Farben. 

Gerade der Beginn des dritten Satzes verleitet oft zu einer überdreht wirkenden, eisig-virtuosen Darstellung. Das ist bei Jean-François Heisser anders. Alles Sportive sucht man bei ihm vergebens. Zwar vermittelt sich die ganze Energie dieser Musik, aber sein Spiel wirkt gleichzeitig schlank, fast graziös. 

Heisser will sein Hör-Publikum nicht überrumpeln, sondern uns mit gelassener Leidenschaft gewinnen. Die Verläufe bewahren ihre Form, die Akzente vermitteln sich auch ohne zusätzliche Ausrufezeichen. 

Interpretationsansatz gilt auch für Orchesterwerke

Neben dem relativ spät entstandenen Klavierkonzert enthält das Album noch drei Werke aus früheren, unterschiedlichen Phasen in Ravels Schaffen: die „Pavane“ von 1899, „Ma Mère l’Oye“ aus der Zeit seiner Meisterwerke und „Le Tombeau de Couperin“ vom Ende des Ersten Weltkrieges.

Auch in diesen Werken führt das Kammerorchester der Nouvelle-Aquitaine seinen im Klavierkonzert dokumentierten Ansatz nahtlos fort. Die gleitenden Übergänge, die sinnlichen Farben, die Ravel-spezifischen Harmonien werden hier durchsichtig aufgefächert. 

Insgesamt ist dem Orchestre de Chambre Nouvelle-Aquitaine und Jean-François Heisser in seiner Doppelfunktion als Dirigent und Pianist ein gelungenes Ravel-Album geglückt. Die Aufnahme verrät tiefe Vertrautheit mit dieser Musik, die Ravel sehr nahbar und sinnlich einfängt.

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