Vor zwei Jahren überfiel Russland die Ukraine. Viele Menschen sind damals geflüchtet, auch nach Deutschland. Im Frühjahr vor zwei Jahren ist so auch Hanna Kuschyl als Geflüchtete nach Pforzheim gekommen. An der Musikschule dort hat sie einen Chor für Jungen und Mädchen aus der Ukraine gegründet. Diesen Kinderchor gibt es nach wie vor und er hat schon so manchen erfolgreichen Auftritt gehabt.
Gut aufgelegt singt der Chor seine Lieder
Immer am Freitagnachmittag probt Chorleiterin Hanna Kuschyl an der Musikschule Pforzheim mit gut zwanzig ukrainischen Kindern. Sie sind zwischen 6 und 14 Jahre alt, ursprünglich kommen sie aus verschiedenen Städten und Regionen der Ukraine. Sie sind alle vor dem Krieg geflohen, so wie auch Hanna Kuschyl.
Die studierte Musikpädagogin stammt aus Mariupol, jetzt lebt sie in Pforzheim. Im Sommer 2022 hat sie den Chor gegründet, unter anderem, damit die ukrainischen Kinder – bei all den neuen Eindrücken in Pforzheim – eine Freizeitbeschäftigung in ihrer vertrauten Sprache hätten.
Wobei, das weiß Hanna Kuschyl heute nur zu gut, die Kinder lernen schneller als die Erwachsenen. Ihr eigenes Deutsch ist noch nicht gut genug, Antworten fürs Radio gibt Hanna Kuschyl auf Russisch. Das nämlich kann der stellvertretende Musikschulleiter Gleb Simak gut übersetzen.
„Als wir angefangen haben, haben wir nur ukrainische Lieder gesungen“, erinnert sich Kushyl, „und dann aber haben wir unser Repertoire erweitert und haben auch deutsche Lieder aufgenommen. Viele Eltern haben gemeint, dass deutsche Lieder den Kindern schwer fallen könnten, aber Kinder sind sehr flexibel. Für sie ist es gar keine große Herausforderung, sie singen sehr gerne auf Deutsch.“
SWR2 Tandem Zuflucht im Singen – Peter Arestov leitet den deutsch-ukrainischen Chor Karlsruhe
Peter Arestov, 1967 in Charkiw geboren, lebt seit 1995 in Deutschland. Seit Mai 2022 leitet der Bassbariton den deutsch-ukrainischen Chor Karlsruhe.
Deutsch lernen durch Chorgesang
Übers Singen lernt sich die Sprache leichter. Und über die Musik kommt man der Kultur näher, vor allem mit musikalisch-emotionalem Zugang. So lange Hanna Kuschyl ihren Kinderchor leitet, so lange besucht sie in Pforzheim auch Integrationskurse. Die werden vom Staat kostenpflichtig angeboten und dringend empfohlen.
Sprachkurse mindestens 600 Unterrichtsstunden, weitere 100 Stunden Orientierungskurse. Damit allein ist die Mutter von zwei Kindern ordentlich eingespannt. Die Integrationskurse haben in den letzten Monaten stark ihren Alltag bestimmt.
Mit ihrer Familie wohnt Kuschyl nicht direkt in Pforzheim, sondern im 15 Kilometer entfernten Remchingen. Das ist für Vieles immer mit Fahrerei verbunden, aber es ist okay und machbar. Hanna Kuschyl ist zufrieden.
Der Chor gehört zum Alltag der Musikschule
Ihr Ältester ist neun Jahre alt und spielt Saxofon, Unterricht nimmt er an der Pforzheimer Musikschule. Die ist überhaupt ein verlässlicher Anker in der neuen Heimat geworden. Das hat auch Musikschulleiter Andreas Michel mit Blick auf den Kinderchor beobachtet.
„Mittlerweile gehört der Chor zum Alltag der Musikschule“, sagt Andreas Michel. „Auch die Eltern kommen ab und an auf mich zu und es geschieht auch mal ein Gespräch auf Deutsch, Englisch, und wir können langsam anfangen zu kommunizieren. Das ist eigentlich ein schöner Effekt.“
Ukrainisch-russische Erfolgsstory am Klavier
Doch nicht nur beim Chorsingen, auch beim Instrumentalunterricht hat die Musikschule seit vorletztem Jahr ukrainische Kinder aufgenommen. Vor allem im Fach Klavier, sagt der Schulleiter. Es habe sich ergeben, dass zwei Kinder in einer Klasse bei Lehrerin Frau Ljiljana Borota zusammen vierhändig an einer Tastatur spielen: Nikita, ukrainischer Abstammung und Regina, russischer Abstammung.
„Und das war natürlich die Gelegenheit, dass diese beiden Kinder gemeinsam auf diesen Wettbewerb ‚Jugend musiziert‘, der übrigens hier in Pforzheim stattfand, gelernt haben und einen recht guten Preis erzielt haben“, erklärt Schulleiter Michel weiter.
21 Punkte haben die beiden in ihrer Altersgruppe geholt. Das entspricht einem ersten Platz. Nach diesem Erfolg ist absehbar, dass die Kinder dranbleiben am Klavier, an der Musik und der Musikschule. Im Rückblick auf die letzten Monate leistet sie für die Integration der aus der Ukraine Geflüchteten enorm viel.
So hat die Musikschule für jüngere Kinder im Vorschulalter, unterstützt durch die in Pforzheim ansässige Werner-Wild-Stiftung, eine Integrative Betreuungsgruppe eingerichtet. Hier kommen ukrainische und andere Kinder unter, die keinen Kindergartenplatz haben. Wenn die Kinder hier in der Betreuung sind, können die Erwachsenen ihren Verpflichtungen nachgehen, zum Beispiel die Integrationskurse besuchen.