325. Geburtstag Guarneri del Gesù

Guarneri ist Gucci: Stefan-Peter Greiner über die „Große Geigenlüge“

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Autor/in
Ilona Hanning
Onlinefassung
Dominic Konrad

Geigenbauer Stefan-Peter Greiner hat jahrelang intensiv die wertvollen Geigen von Guarneri und Stradivari untersucht und ihren Lack analysiert. Die besten Instrumente liegen im Klang nah an der menschlichen Stimme. Das ist ein Ideal, dass Greiner beim Bau heute noch erreichen will. Kritisch sieht er den Hype um historische Geigen: Ihren Klang könne man heute problemlos übertreffen.

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Christian Tetzlaff spielt eine Geige von Greiner

„Meine erste Geige, die ich gebaut habe, hab ich noch“, verrät der Geigenbauer Stefan-Peter Greiner mit einem Augenzwinkern. „Die ist so schlecht, die möchte niemand spielen.“ Zum professionellen Violinst habe es bei ihm nicht gereicht, so der gebürtige Stuttgarter, also habe er sich aus Liebe zum Instrument dazu entschlossen, das Handwerk des Geigenbaus zu lernen.

Heute arbeitet Greiner in London und fertigt Instrumente für Musiker*innen wie Hyeyoon Park, Benjamin Beilmann und Christian Tetzlaff. Seine Geigen sind begehrt.

Daniel Hope mit Guarneri-Geige
Star-Geiger Daniel Hope spielt eine Guarneri-Geige, die sogenannte Lipiński-Geige von 1737. Sie ist benannt nach ihrem berühmten Vorbesitzer, dem polnischen Violinisten Karol Lipiński (1790 – 1861).

Wunderschöne Ästhetik der zeitlosen Klassiker

An alten Geigen wie denen von Guarnieri del Gesù begeistert den Fachmann vor allem ihre Ästhetik. Nicht zuletzt der „Cremoneser Lack“ verleihe den Instrumenten das gewisse Etwas. Es sei eine Ästhetik, die ein neues Instrument natürlich nicht haben könne, so Greiner

Auch klanglich seien die antiken Instrumente wunderschön. Als Geigenbauer wolle er sich gar nicht von ihrem Klang lösen, erklärt der Fachmann, doch eine moderne Geigen müssten kräftiger klingen als ihre historischen Vorbilder.

„Das Material, das ich verwende, das ist wie eine Leinwand für einen Maler und er malt das Gemälde darauf. Das heißt, das was ich machen, ist aus dem Material jeweils individuell so zu gestalten, dass es nachher funktioniert. Unabhängig vom Material.“

Guarneri-Geige The Baltic
Die derzeit teuerste historische Geige, die jemals in einer Auktion verkauft wurde, ist ebenfalls ein Instrument von Guarneri del Gesù: Die Baltic-Violine erzielte im März 2023 9,44 Millionen US-Dollar.

Große Geigenlüge: Statussymbol als Klang-Offenbahrung

Gibt es ihn also, den unverkennbaren Guarneri-Klang? Das könne man nicht sagen, sagt Greiner. Es gebe tatsächlich viele Untersuchungen, die nachgewiesen hätten, dass moderne Geigen in Blindtests sogar deutlich besser abschneiden als die mythenumrankten Guarneri- und Stradivari-Violinen.

Für Musiker sei es in erster Linie eine Marketing-Frage, mit welchem Instrument sie sich schmücken. Auch müssten Top-Solisten die millionenschweren italienischen Instrumente nicht kaufen, sie werden ihnen von Investoren zur Verfügung gestellt. Diese verkaufen die Instrumente nach mehreren Jahren gewinnbringend mit einem weiteren Namen auf der Spieler-Liste.

Régis Pasquier mit Guarneri-Geige
2022 wurde die Guarneri-Geige versteigert, die der französische Vionist Régis Pasquier für mehr als zwanzig Jahre gespielt hatte. Am Ende erzielte das historische Instrument einen Verkaufspreis von 3.3 Millionen Euro.

Es sei wie eine Gucci-Handtasche oder Prada-Schule, vergleicht der Geigenbauer: NIcht unbedingt besser als andere Marken, aber auf einer High-Society-Party sei man mit den schicken Accessoires bestens bedient. Viele Profis spielten auf der Bühne dann sogar eine moderne Kopie ihrer antiken Geigen, erklärt der Fachmann, ohne das offen zu legen.

Zwar werde auch noch heute der Profi-Markt von alten Geigen dominiert, doch bereits etwa ein Drittel der Profi-Musiker spiele bewusst moderne Instrumente. Dahin werde die Entwicklung auch weitergehen, ist Greiner überzeugt.

Das perfekte Instrument?

Musik Die Violine – Das perfekte Instrument?

Die Geige ist schön anzusehen, aber nicht immer schön anzuhören: Das Instrument fordert viel vom Spieler. Der seelenvolle Klang kann tief berühren. Die Violine ist beliebt.

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Henri Vieuxtemps

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