Puccinis Opern: Jederzeit beliebt
Der Rückblick der deutschen Opernhäuser zur Spielzeit 2022/23 beweist: Puccini muss sich wahrlich nicht vor Verdi oder Mozart verstecken. Ganz im Gegenteil: In der Anzahl der Aufführungen liegt „Madama Butterfly“ deutschlandweit auf Platz 5, „La bohème“ macht den achten Platz und auch „Tosca“ schafft es noch in die Top 10. In den Jahren zuvor war die das römische Politdrama sogar noch unter den Top 3.
Da stellt man sich die Frage: Was also bewegt uns so sehr an diesen Opern? Warum gehen uns die Geschichten von Puccinis Heldinnen so nahe, auch wenn man schon im Vorfeld schon weiß, dass man beim Zuhören eher mit ihnen leiden wird. Ein Erklärungsversuch mit Blick auf fünf der polpulärsten Leading Ladies von Puccini:
- Floria Tosca: Eifersüchtige, Verzweifelte, Mörderin
- Mimì: Der Atem stockt bis zum letzten Moment
- Manon Lescauts: Dem Neid verfallen, mit dem Tode bezahlt
- Cio Cio San: Bis dass der Tod uns scheidet
- Lauretta: Was Väter nicht alles für ihre Tochter tun
Musikstunde Giacomo Puccini – Der letzte Großmeister der Oper (1–5)
Er ist einer der größten Opernkomponisten aller Zeiten: Giacomo Puccini. Das sagen die einen. Anderen, kritischen Geistern gilt er als sentimentaler Kitschier.
Floria Tosca: Eifersüchtige, Verzweifelte, Mörderin
In kürzester Zeit schafft es Puccini üblicherweise, dass man mit den Figuren seiner Opern mitfiebert. Bei Tosca ist es aber vielleicht erst im zweiten Akt soweit. Im ersten zeigt sich die römische Sängerin von ihrer eifersüchtigen Seite: das Gemälde der Maria Magdalena, an dem ihr Geliebter Cavaradossi arbeitet, ist zu schön. Er soll es abändern. Die Eifersucht war übrigens auch im privaten Leben Puccinis ein ständiges Thema.
Polizeichef Scarpia – im Nebenjob Tyrann – will die Eifersucht der hübschen Tosca für sich nutzen und versucht sie so zu gegen ihren Geliebten auszuspielen, der einem politischen Gefangenen bei der Flucht half. Schließlich versucht er sie zum Sex zu zwingen. Nur so kann sie Cavaradossi vor dem Tod bewahren.
Die Eifersüchtige verwandelt sich in eine Furie: Tosca schreit und fleht, doch Scarpia ergötzt sich nur an ihrem Zorn auf, während die Trommeln im Hintergrund bereits Cavaradossis Erschießungskommando ankündigen. Langsam verstummen sie und die gebrochene Tosca fragt sich: Nur für Kunst und die Liebe lebte sie, war stets fromm, doch wo bleibt ihr Gott in dieser schmerzerfüllten Stunde?
Ihre Arie „Vissi d'arte“ singt Tosca am absoluten Tiefpunkt, sie ist buchstäblich am Boden, nichts ist mehr übrig von ihrem Kampfeswillen.
Ein Messer auf Scarpias Schreibtisch erweckt schließlich Toscas Kampfgeist zu neuem Leben: Sie rammt ihrem Peiniger das Messer ins Herz und verhöhnt ihn: Am Blut soll er ersticken. Ein Happy End für die Belladonna? Leider nein. Zwar wurde ihr und Cavaradossi Freiheit versprochen, doch die Scheinhinrichtung entpuppt sich als letzte List Scarpias. Cavaradossi fällt den Kugeln zum Opfer, Tosca nimmt ihr Schicksal in die eigene Hand und springt von der Engelsburg in den Tod.
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Mimì: Der Atem stockt bis zum letzten Moment
Würde man „Tosca“ und „La bohème“ direkt nacheinander sehen, könnte der Kontrast zwischen den Hauptfiguren nicht größer sein: Tosca stürzt sich dramatisch in die Tiefe, doch Mimì dürfte kaum noch die vielen Stufen der Engelsburg erklimmen können.
Die junge Frau ist sehr krank. Als ihr auf der Treppe zu ihrer Wohnung die Kerze ausgeht, sie klopft bei ihrem Nachbarn, dem mittellosen Dichter Rodolfo. Zitternd steht sie in der Tür und wartet, dass Rodolfo ihr die Kerze anzündet. Doch dann geht ihr Schlüssel verloren. Bei der Suche berührt Rodolfo zunächst das kalte Händchen der schönen Fremden, dann berühren sich die Herzen. Der Poet und das Mädchen stellen sich einander vor.
„Sì. Mi chiamano Mimì“, singt sie und erzählt von sich: Sie sei Blumenstickerin, bete viel zu Gott und sonst sei sie fürchterlich allein. Schwach und gebrechlich ist Mimì, eine „Femme fragile“ wie sie im Buche steht.
Wer hier bei Puccini auf Genesung und Happy End hofft, wird – wie so oft bei seinen Opern – bitter enttäuscht. Rodolfo und seine Freunde verkaufen Hab und Gut, um Mimì Medizin zu besorgen, doch vergeblich: Am Ende gewinnt die Schwindsucht den Kampf und Mimì im Kreise der Bohemiens.
Manon Lescauts: Dem Neid verfallen, mit dem Tode bezahlt
Eine entkräftete Frau, die nach ihrem Tod in den Armen ihres Geliebten liegt – bei Puccini kein Einzelfall! Auch bei „Manon Lescaut “ wird einem ein Wechselbad der Gefühle geboten.
Es ist zwar Liebe auf den ersten Blick zwischen Manon und dem Chevalier Des Grieux, doch Manon liebt eben auch die schönen Dinge. Da verlässt sie den armen Ritter und genießt den Luxus, den ihr der Generalschatzmeister bieten kann. Des Grieux schafft es zwar, Manon wieder für sich zu gewinnen, doch zieht das Paar nun die Rache des Schatzmeisters auf sich. Der erhebt Anklage und Manon wird in die Strafkolonie nach Louisiana verbannt.
Des Grieux weicht auch in der Neuen Welt nicht von Manons Seite und beiden gelingt die Flucht in die Wüste. Als das Wasser knapp wird und der Geliebte sich auf die Suche nach Flüssigem begibt, beklagt die geschwächte Manon ihr Leid in „Sola, perduta, abbandonata“. Dass ihr der Tod kurz bevorsteht, ist Manon allzu sehr bewusst.
Schließlich kommt jede Hilfe zu spät, in den Armen von Des Grieux stirbt Manon. Ein Leben zwischen von Liebe, Neid und Gier findet sein tragisches Ende.
Cio Cio San: Bis dass der Tod uns scheidet
Ganz anders läuft es bei „Madama Butterfly“, denn hier nimmt sich die Protagonistin aus freien Stücken das Leben.
Die Japanerin Cio Cio San, genannt Butterfly, will die Hoffnung auf ihre große Liebe nie aufgeben. Mit 16 Jahren heiratet sie einen amerikanischen Offizier und schwört für ihn sogar den japanischen Göttern ab. Doch der Offizier von Übersee sieht die Ehe in Fernost als keine wirkliche Verbindung. In der Heimat heiratet er erneut. Unterdessen bringt Cio Cio San seinen Sohn zur Welt.
Cio Cio San weiß davon nichts. Im Gegenteil: Voller Hoffnung erwartet sie seine Rückkehr: „Un bel di, vedremo“, singt sie – eines schönen Tages werden wir uns wiedersehen. Sehnsüchtig erwartet sie den Tag, an dem die weißen Segel wieder am Horizont erscheinen und das Schiff ihres Geliebten wieder anlegt.
Doch wer bei Puccini auf Hoffnung setzt, muss mit zerstörten Hoffnungen klarkommen, auch in „Madama Butterfly“. Zwar kommt ihr Offizier zurück, doch mit ihm seine neue Frau. Nachdem er vom gemeinsamen Kind erfahren hat, beschließt er, es mit seiner zweiten Ehefrau großziehen zu wollen.
Die Schmach ist zu viel für Butterfly. Sie nimmt sich mit dem Dolch das Leben und gibt damit den Sohn für das neue Leben bei der neuen Mutter frei.
Lauretta: Was Väter nicht alles für ihre Tochter tun
Selbstmord bleibt auch ein Thema bei Puccinis „Gianni Schicchi“. Hier droht Lauretta ihrem Vater nämlich mit selbigem in „O mio babbino caro“.
Man kann ihren Schmerz nachvollziehen, schließlich geht es, wie so oft bei Puccini, um das einzig Wahre: die ganz große Liebe. Lauretta kommt im Gegensatz zu ihrem Geliebten nicht aus noblen Verhältnissen. Eine Heirat scheint also ausgeschlossen und Lauretta ist bereit, sich in den nächstbesten Fluss zu werfen.
Doch eine Lösung findet sich unverhofft: Ihr Vater soll sich auf das Totenbett des soeben verstorbenen Buoso Donati legen und ihr einen Teil von dessen enormem Reichtum vermachen. Der Notar weiß schließlich noch nichts vom Toten.
Die Worte der Tochter scheinen zu wirken und Gianni Schicchi vermacht sich in der Rolle des Donati einen Großteil von dessen Reichtum. Er war schließlich auch dessen bester Freund. Der Hochzeit zwischen Töchterlein und Geliebtem steht nichts mehr im Wege. Ein Happy End, na endlich!
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