Teil der jungen, international vernetzten Jazz-Szene
Sie sind beide Kinder der 1990er-Jahre und sind Teil einer jungen, international vernetzten Jazz-Szene: Die Türkin Cansu Tanrıkulu und der US-Amerikaner Nick Dunston. Beide leben in Berlin, die Liste der Künstlerinnen und Künstler, mit denen sie in über die Jahre kollaboriert haben, ist lang.
In Berlin war Cansu Tanrıkulu lange als eine Künstlerin bekannt, die in vielen Szenen unterwegs ist. Sie probierte sich aus, experimentierte mit freier Improvisation, Noise und Theatermusik. Heute suche sie sich ihre Projekte zwar gezielter aus, doch die Grundeinstellung bleibt: Spannende Kunst lebe immer von unterschiedlichen Inputs.
Solange es nicht zum inhaltslosen Spotify-Label verkomme, fühle sie sich sehr wohl, als „Jazzmusikerin“ bezeichnet zu werden, so Tanrıkulu. Diese Einstellung teilt auch Nick Dunston. Für ihn sei Jazz eine soziale Musik, verrät der Bassist im Gespräch mit SWR Kultur: „Es ist eine Musik, die auf gemeinschaftlicher und gesellschaftlicher Ebene so viele funktionale Zwecke hat.“
Für beide ist das Wichtigste im Jazz sein kollaboratives Prinzip, sein Beharren auf Veränderung und Vielseitigkeit. Das ist die treibende Kraft, die sich der Jazz bis heute bewahrt hat. Auch für Cansu Tanrıkulu und Nick Dunston ist sie ein starker Impuls für das eigene Musikmachen.
Cansu Tanrıkulu: Sängerin, Multi-Instrumentalistin, Improvisationskünstlerin
Schon ihre beiden Vornamen stecken voll Lebendigkeit: Ayşe Cansu – im Türkischen „die Lebensfrohe“ und „das Lebenswasser“. Die Namen haben ihre Eltern hellsichtig ausgewählt, als die Musikerin 1991 in Ankara zur Welt kommt. Als Kind spielt sie Klarinette und Klavier, später singt sie in Rock- und Jazzbands. Sie studiert in der Türkei Jazz-Performance und kognitive Psychologie. 2015 zieht sie nach Berlin, um die dortige Jazzszene besser kennen zu lernen.
Von dort aus arbeitet sie inzwischen mit einem internationalen Netzwerk als Sängerin, Multi-Instrumentalistin, Komponistin, Produzentin und Improvisationskünstlerin. Zu ihren aktuellen Projekten gehören das Quintett Piled Up mit Lukas König, Nick Dunston, Mona Matbou Riahi und Simon Jermyn, MeoW mit Jim Black, Liz Kosack und Dan Peter Sunderland, Kantoj de Fermiteco feat. Tobias Delius, Pep Talk mit Korhan Erel, Aşa mit David August, Eonta mit Carol McGonnell, bright bright mit Jessica Ackerley und verschiedene Projekte mit Nick Dunston.
Außerdem war Cansu Tanrıkulu zu erleben in Max Andrzejewski’s Hütte & Guests Playing Robert Wyatt’s Music, James Banner’s Usine, Stine Janvin’s Chords for Calling. Sie hat mit Trevor Dunn gearbeitet, Sofia Jernberg, Matt Mitchell, Cenk Ergün, Dan Nicholls, Otis Sandsjö, Sofia Borges, Kaan Bıyıkoğlu, Zeynep Toraman, Julia Hülsmann und Tomomi Adachi. Seit 2023 ist sie Dozentin an der Hochschule der Künste Bern.
Nick Dunston und Cansu Tanrıkulu beim Deutschen Jazzpreis 2023
Nick Dunston: Kontrabassist mit Wurzeln in der New Yorker Avantgarde-Szene
Geboren wurde Nick Dunston 1995 in Washington D.C., aufgewachsen ist er aber in der Stadt, die vielen heute immer noch als die Welthauptstadt des Jazz gilt: New York City. Das Cello war sein erstes Instrument, dann wechselt er zum E-Bass –„weil ich cool sein wollte“, erinnert er sich – und später zum Kontrabass.
Fasziniert von Superhelden-Geschichten und Fantasy-Welten beginnt er auch Musik als einen Raum zu entdecken, in dem er in vielerlei Hinsicht kreativ sein kann – improvisierend, komponierend und an verschiedenen Instrumenten. Neben dem Kontrabass tritt Nick Dunston zum Beispiel auch mit einem präparierten Banjo und Electronics auf.
Nach seinem Studium an der New School etabliert er sich schnell in der New Yorker Avantgarde-Szene. Er arbeitet mit so unterschiedlichen künstlerischen Persönlichkeiten wie Vijay Iyer, Mary Halvorson, Tyshawn Sorey, Moor Mother, Son Lux und Darius Jones zusammen, wird vom JACK Quartet und dem Wet Ink Ensemble eingeladen.
Seit seinem Umzug nach Berlin im Jahr 2020 ist er auch in dieser Stadt ein vielgefragter Musiker, unter anderem in Projekten mit Achim Kaufmann, Mariá Portugal, Joy Guidry, Cenk Ergün, Weston Olencki – und immer wieder auch Cansu Tanrıkulu. In seinen aktuellen Arbeiten beschäftigt sich Nick Dunston intensiv mit Produktionstechnologie als kompositorischem Mittel – so auch in „Colla Voce“, seiner gerade veröffentlichten „afro-surrealistischen Anti-Oper“, bei dem auch Cansu Tanrıkulu mitwirkt.