Buchkritik

Florence Hazrat über Ausrufezeichen: Warum wir mehr Krach im Text brauchen!

Stand
Autor/in
Daniel Stender

Zu laut! Zu stressig!! Überflüssig!!! Ein Zeichen schlechten Stils!!!! Das Ausrufezeichen hat keinen guten Ruf, die Autorin Florence Hazrat jedoch wagt in ihrem Buch „Das Ausrufezeichen. Eine rebellische Geschichte“ eine Ehrenrettung dieses Satzzeichens, das zum ersten Mal im 14. Jahrhundert verwendet wurde und das seither als Zeichen der Emotion verwendet wird – und das Leserinnen und Leser immer wieder zu Interpretationen und zur Auseinandersetzung mit Texten herausfordert.

Zugegeben, das Ausrufezeichen hat es nicht leicht, steht es doch oft für etwas, das zum Verständnis eines Textes nicht zwingend notwendig ist. Anders als der nüchterne Punkt. Anders als das kritische Fragezeichen. Genau das macht es für Florence Hazrat so rebellisch.

Das Ausrufezeichen ist einfach so selbstbewusst, dass es sagt: Hier passiert jetzt gerade ganz viel mit Gefühlen, hier musst du nochmal reden, interpretieren und nachgucken.

„Das Ausrufezeichen. Eine rebellische Geschichte“ heißt das schmale, elegante und intelligente Buch, das Florence Hazrat über dieses notwendige Nichts geschrieben hat.

Die große Zeit des Ausrufezeichens kam im 20. Jahrhundert

Mitte des 14. Jahrhunderts wurde die Zeichenkombination in Italien zum ersten Mal verwendet, wirklich etabliert wurde es erst drei bis vier Jahrhunderte später.

Die große Zeit des Ausrufezeichens kam im 20. Jahrhundert: Mit Werbung, Comics, Pop-Art. Und ja: Auch die Faschisten und Populisten der letzten 100 Jahre wären ohne Ausrufezeichen wohl weniger präsent gewesen.

Stress durch Satzzeichen

Hazrat erklärt das auch mit dessen körperlicher Wirkung: „Es wurden Studien gemacht, in denen Leute in Scanner geschoben wurden und die haben Ausrufezeichen auf dem Bildschirm flackern sehen und mussten dann moralische Fragen beantworten. Und dann wurde auch gesehen, dass bestimmte Gehirnareale durchblutet wurden, die so die Vorstufe der Panik waren“, sagt Florence Hazrat.

Dieses Satzzeichen signalisiert Stress. Was wiederum erklärt, warum viele Schriftstellerinnen und Schriftsteller es behutsam einsetzen. Ernest Hemingway zum Beispiel hat es in „Der alte Mann und das Meer“ sehr sparsam verwendet.

Emojis machen dem Ausrufezeichen Konkurrenz

Allerdings: In letzter Zeit hat das Ausrufezeichen Konkurrenz bekommen – wir können heute sehr nuancierte Gedanken und Gefühle durch Emojis ausdrücken. Florence Hazrat argumentiert dagegen: Die schiere Masse der Emojis mache es erst recht kompliziert, Emotionen auszudrücken. Und nicht nur das: „Sobald wir etwas längere Nachrichten schicken, die mehr Informationen geben als „Die Pizza ist fertig“, (...) dann haben wir wieder reguläre Zeichensetzung“, sagt Hazrat.

Wenn wir also gerade auf den Displays unserer Smartphones so etwas wie einen Darwinismus der Zeichen erleben – dann, so kann man Florence Hazrat verstehen, hat das Ausrufezeichen gar nicht mal so schlechte Chancen, auch noch die nächsten 700 Jahre zu erleben.

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