Bei Teenagern ist Tiktok derzeit ganz hoch im Kurs. Nie zuvor ist ein soziales Netzwerk so schnell gewachsen. Nach nur zwei Jahren am Markt hat die Plattform über zwei Milliarden Nutzer*innen und ist derzeit die meist heruntergeladene App weltweit.
Hauptsache gute Laune!
Mit ihren Smartphones drehen TikTok-Teenies Videos von sich selbst und teilen sie mit der Community. Besonders populär: Sing- und Tanzvideos im Playback-Modus. Jugendliche performen auf einer Audiospur ihre eigene Choreografie und fordern sich gegenseitig heraus.
Auch Pannen- und Comedy-Videos sind gefragt. In endloser Dauerschleife reiht die App kurze Filmchen aus aller Welt zufällig aneinander. Likes bekommt, was kreativ, witzig oder originell ist. Tiktok ist oberflächliche Selbstdarstellung: Es geht um Entertainment.
TikTok vs Trump
So weit, so harmlos. Doch US-Präsident Donald Trump will die Plattform in den USA nun verbieten, sollte nicht ein US-Unternehmen wie Microsoft das US-Geschäft von Tiktok übernehmen.
Der Grund: Nationale Sicherheitsbedenken. Donald Trump befürchtet, dass der chinesische Mutterkonzern ByteDance die Daten von US-Bürgerinnen und Bürgern an die chinesische Regierung weitergeben könnte. TikTok hat in den USA rund 100 Millionen Nutzer*innen.
Doch Sicherheitbedenken gegenüber TikTok diskutierte das US-amerikanische Parlament bereits 2019. Seit Monaten liefern sich die USA und China einen Handelsstreit, in dem bereits viele weitere Unternehmen der Tech-Branche zwischen die Fronten gerieten.
Dass Trump TikTok gerade jetzt mit Verbot droht, beruht sicherlich zum Großteil auf wirtschaftspolitischem Kalkül. Dennoch: Kritik an TikTok ist durchaus berechtigt.
„TikTok ist parasitäre Spyware“
TikTok sei wie eine parasitäre Spyware, die ständig Daten aus seinen Nutzern sauge, wird Steve Huffmann, CEO des Online-Forums Reddit, bei futurezone.at zitiert. Die Mängel in Bezug auf Datenschutz und Sicherheit vor Spionage stehen bei TikTok schon lange in der Kritik.
Die App sammelt umfassend Daten ihrer Nutzer*innen, die sie an andere Unternehmen weitergibt. Datenschützer*innen befürchten, dass nicht nur Unternehmen, sondern auch die chinesische Regierung über diese Daten verfügt. Beweise gibt es jedoch nicht.
Zensur durch Moderator*innen
Der zweite Vorwurf: TikTok betreibe politische Zensur. Menschenrechtler*innen werfen TikTok vor, Videos gezielt zu unterdrücken, wenn sie inhaltlich nicht den Vorstellungen des Unternehmens entsprechen. Die Moderator*innen der Plattform haben die Möglichkeit, Inhalte systematisch zu steuern, zu unterdrücken oder zu pushen, wie eine Recherche von netzpolitik.org ergab.
Die Reichweite von Videos wird beispielsweise auch dann begrenzt, wenn übergewichtige Menschen oder Menschen mit Behinderung zu sehen sind. Zumindest nachts werden TikTok-Videos aus Deutschland von Peking aus moderiert.
Wenn sich Politik als Makeup-Tutorial tarnt
Für Aufsehen sorgte Feroza Aziz. Als Makeup-Tutorial getarnt, macht sie die chinesischen Regierung in einem Video für den Völkermord an den Uiguren verantwortlich.
Auf den ersten Blick ist es ein weiteres von unzähligen Schminkvideos auf TikTok: Eine 17-jährige hantiert mit einer Wimpernzange. „Hey Leute, ich zeige euch wie man längere Wimpern bekommt“, sagt die US-Amerikanerin.
„Dann legt ihr die Wimpernzange beiseite und nehmt euer Handy, das ihr gerade benutzt, und schaut nach, was in China passiert, wie sie Konzentrationslager bauen, in die sie unschuldige Muslime werfen“, fordert sie die Community übergangslos auf.
Politisches ist auf TikTok nicht erwünscht
Das Video erreichte 1,5 Millionen Klicks. Erst dann entdeckten es die Moderator*innen von Tiktok und blockierten Aziz' Account.
Politik ist auf Tiktok nicht erwünscht. Dass man auf der Plattform neben Musik und Klamauk wenig Tiefgündiges geboten bekommt, liegt also nicht nur an den Nutzer*innen.
Das Beispiel von Aziz zeigt jedoch: Politik bricht sich auch auf TikTok immer wieder Bahn. Das musste auch Donald Trump erfahren.
TikTok-Kampagne sorgt für Wahlkampf-Flop
Wegen einer gezielten TikTok-Kampagne wurde Trumps diesjähriger Wahlkampf-Auftakt im Juni zu einem gigantischen Flop. Im Vorfeld der Veranstaltung prahlte sein Team mit Ticketanfragen in Millionenhöhe. Tatsächlich kamen dann nur 6.000 Menschen in das Stadion in der Stadt Tulsa in Oklahoma – Trump hielt seine Rede vor halbleeren Rängen.
Der Grund: User*innen riefen auf TikTok dazu auf, Tickets online zu reservieren und dann verfallen zu lassen. Auch K-Pop-Fans sprangen auf den Zug auf. Die Anhänger*innen koreanischer Pop-Bands bilden eine große, global vernetzte Gemeinschaft, die sich zuletzt vermehrt politisch positionierte.
Für Donald Trump muss der Auftritt in Tulsa eine Blamage gewesen sein. Könnte sie die Motivation für den jüngsten Angriff auf TikTok sein?
DasDing und Tagesschau auf TikTok
Fest steht: Die wirtschaftlichen Interessen rund um TikTok sind groß. Die Social Media-App macht den Platzhirschen Facebook und Instagram weltweit Konkurrenz.
Auch wenn die Plattform einflussreiche Inflluencer*innen hervorgebracht hat und sich alle Stars und Sternchen des Internets hier tummeln: Werbung und Produktmarketing ist bislang wenig verbreitet.
Nur langsam wagen sich große Medienhäuser auf die Teenie-App vor: Der SWR-Jugendsender DasDing hat einen eigenen Account.
Auch die Tagesschau ist inzwischen bei TikTok. Lustige Clips zeigen Jan Hofer bei der Krawattenauswahl und Fail-Momente aus dem Studio. Daneben gibt es Politik in kleinen Häppchen – auch mit China-kritischem Inhalt.