Hebammen kämpfen um Anerkennung

Entwicklung der Geburtshilfe

Tradition der Hebammen: Kampf um Anerkennung und Selbstbestimmung

Stand
Autor/in
Sina Weinhold
Marie-Dominique Wetzel

Seit jeher helfen sich Frauen gegenseitig bei der Geburt und geben ihr Wissen weiter. Der Beruf der Hebamme gilt als einer der ältesten. Doch ebenso lange werden Geburtshelferinnen und Hebammen auch mit Herausforderungen konfrontiert: von strikten Verordnungen über den Kampf um Selbstbestimmung bis hin zur Anerkennung ihrer Fachkompetenz.

Einer der ältesten Berufe der Welt

Wohl zu allen Zeiten und in allen Kulturen haben sich Frauen gegenseitig bei Geburten geholfen. Schon aus dem Alten Ägypten und aus der römischen Antike sind Kunstwerke überliefert, die sogenannte „weise Frauen“ bei der Geburtshilfe zeigen.

Seit der Antike helfen Hebammen Frauen nicht nur bei Geburten, sondern auch bei Komplikationen.
Historische Belege zur Hebammenarbeit wie dieser reichen bis ins 3. Jahrhundert v. Chr. Die Tätigkeit selbst gibt es aber schon seit vielen Tausend Jahren.

Zudem gibt es Berichte darüber, dass schon damals besondere Tränke bekannt waren, die Geburten erleichtern sollten. Dieses uralte Wissen wurde von einer Generation an die nächste weitergegeben. „Hebamme“ gilt deswegen als einer der ältesten Berufe der Welt und war immer schon eine Domäne der Frauen.

Einführung der „Hebammenordnungen“

Lange Zeit konnten auch hierzulande Hebammen weitgehend selbständig und eigenverantwortlich arbeiten. Doch seit dem späten Mittelalter wurde ihre Arbeit von der Obrigkeit und vor allem von der Kirche immer argwöhnischer beobachtet. Ab dem 16. Jahrhundert wurden in vielen deutschen Städten sogenannten „Hebammenordnungen“ verfasst.

Freiburger Hebammenordnung
Abtreibungen waren laut Freiburger Hebammenordnung von 1510 zu unterlassen. Hebammen im 16. Jahrhundert leisteten trotzdem die medizinische Versorgung des Schwangerschaftsabbruchs.

Strenge Regeln für Geburtshelferinnen

Die Hebammen mussten einen Eid leisten, der sie etwa dazu verpflichtete, Abtreibungen zu unterlassen und bei der Geburt die Eltern zu melden, wodurch auch uneheliche Kinder auffielen. „Diese Hebammenordnungen waren auch Ausdruck zeitgenössischer Wertevorstellungen“, erklärt die Medizinhistorikerin Nadine Metzger von der Universität Erlangen. Zum Beispiel war es wichtig, dass Kinder gleich nach der Geburt getauft wurden – wenn Gefahr für den Säugling bestand, zur Not auch durch eine Hebamme.

                       

Nadine Metzger forscht zur Geschichte der Geburtshilfe. Sie erklärt, dass die Hebammenordnungen des 16. Jahrhunderts in einer Zeit entstanden, in der sich die Gesellschaft im Ganzen immer mehr strukturierte. Dazu gehörten auch Regeln und Verordnungen. Sie betont, dass die Hebammenordnungen auch viele Vorteile gehabt hätten. Zum Beispiel weil die städtisch zugelassenen Hebammen gewisse Ausbildungsstandards haben mussten.

In ländlichen Gebieten wurden Hebammen weniger strikt kontrolliert und konnten in Deutschland oft noch bis Ende des 18. Jahrhunderts ohne offizielle Zulassung arbeiten. Die strengen Verordnungen in den Städten ermöglichten es hingegen nur wenigen Frauen, als zugelassene Hebamme zu arbeiten.

„Winkelhebammen“ arbeiteten im Verborgenen

Es gab jedoch im 16. Jahrhundert jedoch sogenannte „Winkelhebammen“, die ohne Zulassung („im stillen Winkel“) arbeiteten. Eine davon war Ursula Seboltin in Freiburg. 1575 wird sie deswegen verurteilt, an den Pranger gestellt und aus der Stadt gejagt.

Männliche Profilierung auf dem Wissenschaftsgebiet

Dass sich im 18. Jahrhundert vermehrt Männer für Geburtshilfe interessierten, liegt vor allem auch daran, dass diese medizinisches Fachgebiet wurde. Frauen durften damals noch nicht studieren.

Den Männern sei es vor allem darum gegangen, sich in auf einem wissenschaftlichen Gebiet besonders zu spezialisieren und zu profilieren, so die Medizinhistorikerin Nadine Metzger. So haben männliche Ärzte zum Beispiel die heute kaum mehr verwendete Geburtszange erfunden.

Geburtshilfe wird zum akademischen Lehrfach

Frauen wurden durch die Akademisierung, von der sie ausgeschlossen waren, zu „Geburtshelferinnen“ degradiert. Sie wurden in eigenen Schulen von männlichen „Hebammenmeistern“ ausgebildet. In Deutschland gibt es erst seit 2020 eine akademische Ausbildung für Hebammen.

Hebammenschule Karlsruhe
In der Hebammenschule Karlsruhe wird Hebammen in Ausbildung mittels einer Puppe der Umgang mit dem Neugeborenen gezeigt.

Eine Chance, auf Augenhöhe mit Ärzt*innen ausgebildet zu werden. Und vielleicht auch endlich die wissenschaftliche Anerkennung und finanzielle Absicherung zu erhalten, die der Beruf verdient. Denn ein wiederkehrendes Problem vieler Hebammen sind die sehr teuren Haftpflichtversicherungen, ohne die sich Geburtshelferinnen nicht selbständig machen können. Viele Hebammen können sich ihren Beruf oft nicht mehr leisten, obwohl sie dringend gebraucht werden.

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Auch Berufsordnungen für Hebammen gibt es bis heute. Heutzutage sind Hebammen allerdings zum Datenschutz verpflichtet und dürfen sensible Details nur mit Einwilligung der Gebärenden, beziehungsweise der Eltern weitergeben. Dass eine Geburt stattgefunden hat, muss die Hebamme immer mit einer Geburtsbescheinigung dokumentieren.

Tradition der Hebammen als Weltkulturerbe

Am 6. Dezember 2023 hat die UNESCO das Hebammenwesen in die Liste des Immateriellen Kulturerbes der Menschheit aufgenommen – eine globale Anerkennung für Hebammen. Das UNESCO-Komitee würdigt damit die herausragende Rolle, die Hebammen weltweit für den Erhalt des Lebens und den Fortbestand der Menschheit einnehmen.

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Die Geburt als weibliche Tätigkeit sei immer außer Frage gestanden, so die Medizinhistorikerin Nadine Metzger von der Universität Erlangen. Dennoch seien im 18. Jahrhundert vermehrt Männer in die Domäne der Frauen eingedrungen. "Das liegt daran, dass männliche Ärzte die Geburtszange erfunden haben", so Metzger. Erste Regulierungen und Reglementierungen des Berufs seien allerdings schon mit den sogenannten "Hebammenordnungen" entstanden. Danach durften nur Frauen, die bestimmte Standards erfüllten, den Beruf ausüben. Abtreibungen und das Gebären unehelicher Kinder sei im Mittelalter und auch noch bis ins 18. Jahrhundert verboten gewesen. Die Klinikgeburt durch vorwiegend männliche Klinikärzte habe sich allerdings erst nach dem Zweiten Weltkrieg etabliert. Ab Beginn der 1980er Jahre dann habe unter den Hebammen "das große Aufstehen im Selbstbewusstsein" stattgefunden, erklärte Metzger. Daraus sei dann die Akademisierung des Berufsstands entstanden, also die Möglichkeit, Hebammenwissenschaften an den Universitäten zu studieren. "Diese Akademisierung birgt die Chance, auf Augenhöhe mit Ärzten ausgebildet zu werden."

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