Im Freilichtmuseum im oberschwäbischen Wolfegg kann man erleben, wie Bauernfamilien durch die Jahrhunderte gelebt und gearbeitet haben. Damit alle Interessierte auf ihre Kosten kommen – auch Gehörlose, Blinde oder Menschen mit Lernschwächen – hat sich das Museum einiges einfallen lassen und bekommt für das integrative Konzept nun den Lotto- Museumspreis.
Ein Orientierungsplan zum Tasten
Idyllisch liegt das Bauernhausmuseum in Wolfegg, umgeben von Wiese und Wald. Am Haupteingang gibt es einen Orientierungsplan über das Gelände. Doch anders als übliche Wegweiser kann er abgetastet werden.
Wer also nicht gut sehen kann, kann fühlen – die Wege, die Bauernhäuser. Und es gibt kleine Tasten. Wenn man sie drückt, gibt es Informationen. Zu jedem Gebäude und ganz allgemeine.
Tonausgabe für Seh-Eingeschränkte
„Das Ding ist wirklich richtig gut geworden“, sagt Klaus Peters aus Ravensburg. Er ist hochgradig seh-eingeschränkt und hat beim integrativen Konzept des Bauernhausmuseums mitgearbeitet. „Dank der Tonausgabe wissen wir als Betroffenengruppe, wo wir hier sind, dass der Plan maßstabsegrecht ist und auch in der richtigen Richtung aufgebaut ist.“
Vom tastbaren Orientierunsgplan profitieren auch Gäste mit Lernschwierigkeiten, Kinder oder ältere Menschen.
Infos auch in Gebärdensprache
Im Eingangsbereich fällt noch etwas Ungewöhnliches auf. Auf einem Bildschirm ist ein Mann zu sehen. In Gebärdensprache informiert er über das Gelände, die Bauernhäuser und ihre Geschichten.
Ein Tablett mit Gebärdensprache für den Museumsrundgang gibt es auch. Und wer schlecht zu Fuß ist kann sich für das weitläufige Gelände einen Rollstuhl oder einen Rollator ausleihen.
Rollatoren zum Ausleihen
„Wir haben über 15 Hektar, die wir auch landwirtschaftlich bewirtschaften, und wo wir die Kulturlandschaft auf dem Stand von 1850 nachgebildet haben“, sagt Museumsleiterin Tanja Kreutzer. „Das heißt: gekieste Wege, weite Wege. Das ist für Menschen mit Geheinschränkungen manchmal schwierig.“
Eine Anregung des Kreisseniorenrats Ravensburg. Auch er war bei der Ausarbeitung des integrativen Konzepts beteiligt.
Hof Beck mit Rollstuhl zugänglich
Das Konzept findet seinen Höhepunkt im sogenannten Hof Beck. Wer davor steht sieht am Eingang ein kleines 3-D-Modell von diesem Hof. Seheingeschränkte oder blinde Menschen können auch hier alles abtasten.
Der Zugang ist mit dem Rollstuhl durch den Hintereingang möglich. Das Bauernhaus ist verwinkelt, hat Stufen und Türschwellen. Doch auch da fand der Arbeitskreis Lösungen. An den Türschwellen liegen Rampen aus Gitterrost. Der historische Küchenboden ist so noch gut zu sehen.
Und das Gitter macht Lärm, gut für stark Seheingeschränkte wie Klaus Peters. Er holt seinen Stock heraus und orientiert sich problemlos: „Man merkt jeden kleinen Anschlag und hört, dass hier die Rampe ist.“
Eintauchen in den Alltag einer Bauernfamilie im 19. Jahrhundert
Thematisch geht es hier um die Familie Beck, die im 19.Jahrhundert in dem Hof gelebt hat. Wie war der Alltag, von was haben sie gelebt? Wer hat welche Arbeiten übernehmen müssen?
Alles steht auf Tafeln, kann in einem Heft nachgelesen werde, ist in Gebärdensprache auf dem Tablet zu sehen und über Audiobuttons zu hören.
So können hier wirklich alle Besucherinnen und Besucher den Zeitsprung zurück erleben. Für diese integrative Konzept wurde das Bauernhausmuseum in Wolfegg jetzt mit dem Lotto- Museumspreis ausgezeichnet