Lange war Demenz ein Tabuthema, das eher selten in der Gesellschaft thematisiert wurde. Durch die steigende Zahl älterer Menschen gehen Expert*innen aber davon aus, dass auch die Häufigkeit von Demenzerkrankungen weiter zunehmen wird. Bis 2050 könnten es rund 2,8 Millionen Menschen sein.
„Betroffene verlieren mehr und mehr die während ihres Lebens erworbenen Fähigkeiten und Fertigkeiten“, so das Gesundheitsministerium. Das betrifft unter anderem das Gedächtnis der Erkrankten, aber auch die Sprache oder die Orientierung, sodass nach und nach auch die Persönlichkeit verloren geht.
Theater, Kino, Literatur: Sechs Werke über Demenz
Wie sich das für Betroffene, aber auch für Familie, Freunde und das Umfeld anfühlt, das thematisieren mittlerweile einige Bücher, Filme und auch Theaterstücke. Das Thema Demenz ist also nicht nur in der Gesellschaft, sondern auch in der Kultur angekommen – sechs Werke von den Theaterbühnen über Hollywood bis zur Literatur:
- „Deine Oma - Eva hatte keinen Bauchnabel“: Aktuelle Uraufführung
- „Le Père“: Erfolgreiches Theaterstück aus Frankreich
- „Still Alice“: Kinofilm über eine frühe Demenz mit Julianne Moore
- „Wie ein einziger Tag“: Großes Kino nach Romanvorlage
- „Der alte König in seinem Exil“: Arno Geiger über seinen Vater
- „Solange wir schwimmen“: Julie Otsuka über den Riss in der Erinnerung
Großmütter und die Familienerinnerung: Uraufführung in Kaiserslautern
Am Pfalztheater Kaiserslautern haben zwei Theatermacherinnen mit einem Stück, das Demenz thematisiert, den Wettbewerb Junge Regie gewonnen. „Deine Oma – Eva hatte keinen Bauchnabel“ von Pia Kröll und Florence Schreiber wird Anfang Juni uraufgeführt.
Dafür haben die Theatermacherinnen mit weiblichen Verwandten gesprochen und auf Grundlage dieser Gespräche habe Pia Kröll „einen Theatertext über das Erinnern und Vergessen sowie über unbeachtete Lebensleistungen von Frauen“ gemacht, so das Theater. Anlass für das Stück und die Recherche war die Demenzerkrankung ihrer eigenen Oma.
Erfolgreiches französisches Stück: „Le Père“ von Florian Zeller
Schon 2012 eroberte ein Theaterstück zum Thema Demenz die Bühnen: „Le Père“ („Der Vater“) von Florian Zeller. Es handelt von André, einem älteren Mann mit Demenz.
Er ist Witwer, lebt allein in seiner Pariser Wohnung und verliert zunehmend zeitliche und räumliche Orientierung, sodass sich seine Tochter um ihn kümmern muss. Das Stück handelt also auch von dem Verhältnis zwischen Vater und Tochter und davon „wie sich die Beziehungen zwischen Eltern und Kind auf den Kopf stellen, wenn das Alter herankriecht und uns überfällt“, schreibt die britische Zeitung „The Guardian“.
Das Stück lief jahrelang in Paris, wurde mehrfach mit dem französischen Theaterpreis Molière ausgezeichnet und weltweit in Theatern aufgeführt, zum Beispiel in London und Hamburg.
Hollywood-Star Anthony Hopkins spielt „The Father“
2020 adaptierte Florian Zeller dann sein eigenes Stück und machte daraus einen Kinofilm – prominent besetzt mit Anthony Hopkins und Olivia Colman. Auch der Film ist preisgekrönt, wurde 2021 bei den Oscars in sechs Kategorien nominiert und zweifach ausgezeichnet: für das beste adaptierte Drehbuch und Anthony Hopkins als bester Hauptdarsteller.
Blockbuster: Demenz im Kino mit Starbesetzung
Auch Julianne Moore bekam einen Oscar als beste Hauptdarstellerin für eine Rolle in einem Film, der Demenz thematisiert. 2014 spielte sie in „Still Alice“ eine Linguistik-Professorin, bei der schon mit Anfang 50 Alzheimer diagnostiziert wird.
Alzheimer ist nach Angaben der Initiative Alzheimer Forschung die häufigste Form der Demenz. Das Risiko einer Erkrankung steigt zwar mit zunehmendem Alter, doch es gibt auch Menschen, die schon vor ihrem 65. Lebensjahr erkranken. In Deutschland leben laut Deutscher Alzheimer-Gesellschaft mehr als 100.000 Menschen im Alter zwischen 45 und 64 mit einer Demenz.
„Still Alice“ thematisiert vor allem den Umgang mit der Diagnose und wie sich das Leben der Protagonistin verändert. Der Film kreise wesentlich um die Frage, „was einen Menschen im Kern ausmacht“, schrieb die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung 2015.
„Wie ein einziger Tag“: Großes Kino nach Romanvorlage
Schon 2004 erschien der Film „Wie ein einziger Tag“ (englischer Originaltitel: „The Notebook“) mit Ryan Gosling und Rachel McAdams: eine klassische Liebesgeschichte, die als Rückblende erzählt ist. Denn Allie ist dement und vergisst dadurch immer mehr aus ihrer eigenen Vergangenheit. Im Pflegeheim liest ihr deshalb der 84-jährige Noah aus einem Notizbuch vor – Geschichten aus ihrer eigenen Jugend.
In den 1940er-Jahren verliebt sich die junge Allie in den ärmeren Landjungen Noah. Die beiden genießen einen unbeschwerten gemeinsamen Sommer, bevor sie sich trennen. Der Film beruht auf dem gleichnamigen Roman von Nicholas Sparks, der sein erster weltweiter Bestseller war. Für die Geschichte dienten die Großeltern seiner Frau als Vorlage.
Literarisches Abschiednehmen von dementen Familienangehörigen
Auch der österreichische Schriftsteller Arno Geiger schrieb über seine eigene Familie: „Der alte König in seinem Exil“. Darin geht es um seinen Vater und dessen Alzheimerkrankheit. Geiger wollte aber kein Buch schreiben, das Ängste schüre, sagte er in einem Interview mit dem Tagesspiegel. Denn „Glück ist weiterhin möglich“, hieß es weiter.
Außerdem erkannte der Autor im Laufe der gemeinsamen Zeit weiterhin viele Eigenschaften seines Vaters in ihm, wie Charme, Witz und Intelligenz – trotz Demenz, trotz schwindender Erinnerung und Orientierung. Und doch ist „Der alte König in seinem Exil“ auch ein Abschiednehmen vom eigenen Vater.
„Solange wir schwimmen“: Der Riss in der Erinnerung
Ein Abschiedsroman ist auch Julie Otsukas „Solange wir schwimmen“. Die amerikanische Autorin schreibt über Alice, eine leidenschaftliche Schwimmerin, die dement ist. Eines Tages wird ein Riss im Schwimmbecken entdeckt, das Schwimmbad wird geschlossen und Alice verliert ihre Schwimmroutine.
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„Solange wir schwimmen“ ist ein ergreifender Abschiedsroman, in dem die Amerikanerin Julie Otsuka einer schwindenden Mutter ein Denkmal setzt.
„Beim Schreiben aber ging mir auf, dass der Riss auch eine Metapher dafür war, was sich in Alices Kopf abspielte, in ihrem Gehirn“, sagt die Autorin Julie Otsuka. Als Alice ins Pflegeheim muss, bekommt sie Besuch von ihrer Tochter, die versucht, sich in ihre Mutter hineinzuversetzen. So erzählt diese Geschichte auch von einer Mutter-Tochter-Beziehung.