Frohe Botschaft vom Präsidenten

Alle feiern Weihnachten – nur in Venezuela ist's längst vorbei

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Autor/in
Clemens Zoch
Clemens Zoch, Autor und Redakteur, SWR Kultur

Freuen Sie sich schon auf Weihnachten? Dabei ist das Fest doch schon längst rum, wenigstens in Venezuela. Dort ordnete Präsident Maduro Weihnachten schon im Oktober an. Was war der Grund seines „noblen Geschenks“ an das Volk? Und warum feiern wir überhaupt Weihnachten im Dezember?

Es ist September und es riecht schon nach Weihnachten. Als Dank an das kämpferische Volk werde ich Weihnachten per Dekret auf den 1. Oktober vorziehen.

Der venezolanische Präsident Nicolas Maduro spricht auf einer Pressekonferenz im Präsidentenpalast drei Tage nach seiner umstrittenen Wiederwahl am 28. Juli 2024 .
„Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird“. Mit seiner „Frohen Botschaft“ vom vorgezogenen Weihnachtsfest wollte Präsident Maduro die Stimmung in Venezuela aufhellen. Das kam aber nicht bei allen so supergut an.

Diese Frohe Botschaft verkündigte Nicolás Maduro, autoritärer Präsident Venezuelas, „seinem Volk“ voller Dank und Demut. Das hatte ja schließlich einiges mitmachen müssen.

Kaum ausgesprochen, erschallte sie im ganzen Land – und in den Straßen der venezolanischen Hauptstadt weihnachtete es sehr: Das Zentrum wurde geschmückt mit Weihnachtsbäumen, Sternen und bunten Kugeln. „Feliz Navidad“, frohe Weihnachten, strahlte es durch die dunkle Nacht, Lebensmittelpakete und Kinderspielzeug wurden an Bedürftige verteilt.

Doch ach – die so verordnete Weihnachtstimmung wollte sich nicht so recht einstellen. Die Venezuelaner waren alles andere als in Feierlaune. Auch die Kirche protestierte.

Straßenreinigiger vor einem großem Weihnachtsbaum in Caracas im Oktober
„Und es waren Arbeiter in derselben Gegend auf dem Felde, die säuberten des Nachts die Straßen, auf dass sie weihnachtlich geschmücket würden...“ Straßenreinigiger vor einem großem Weihnachtsbaum in Caracas im Oktober 2024.

Feierlaune nach Massenprotesten

Nach der nicht ganz so sauberen Wahl vom 28. Juli wurde Maduro zum Sieger erklärt. Doch Opposition, Wahlbeobachter, USA und EU waren nicht einverstanden. Sie gehen von Betrug aus. Der Kandidat der Opposition, Edmundo González, mittlerweile von den USA als Wahlsieger anerkannt, musste außer Landes fliehen. Bei Massenprotesten wurden tausende Demonstranten festgenommen, 28 Menschen starben. Da war die Stimmung also eher nicht gut.

The Venezuelan people spoke resoundingly on July 28 and made @EdmundoGU the president-elect. Democracy demands respect for the will of the voters.

Bewährtes Manöver aus der Klamottenkiste der Autokraten

Das kann doch nicht so weitergehen, muss sich der umstrittene Wahlsieger gedacht haben. Kann man diese schlechte Stimmung nicht ein wenig aufzubessern? Maduro griff in die reich gefüllte Klamottenkiste der Autokraten und Potentaten und fand dort einen echten Klassiker: Brot und Spiele. Schon die römischen Kaiser hatten nach dieser Maxime versucht, das Volk bei Laune zu halten und Unruhen zu verhindern.

Das Colosseum in Rom, Italy, February 22, 2023
Das Kolosseum in Rom (72 und 80 n. Chr. errichtet) ist das größte je gebaute Amphitheater der Welt. Seine oft grausamen Spektakel wurden vom Kaiserhaus zur Unterhaltung und Belustigung der freien Bewohner Roms bei kostenlosem Eintritt ausgerichtet.

Also „schenkte“ der Präsident dem Volk ein großes Fest – gelungener Schachzug! Und Maduro spielt ihn nicht zum ersten Mal: Schon während der Corona-Pandemie hatte er Weihnachten zweimal in den Oktober vorverlegt, um von den Problemen des Land abzulenken. Ist er ernsthaft davon ausgegangen, sein Präsidenten-Dekret würde erfolgreich sein und den Heiligen Geist auf das Volk herabregnen lassen? Das bleibt Spekulation.

Aber warum feiern wir Weihnachten überhaupt am 25. und 26. Dezember – und lässt sich diese historische Datum so mir nichts dir nichts verlegen?

Weihnachten seit dem 4. Jahrhundert offiziell die Geburt Christi

Kaiser Konstantin hat es eigentlich nicht anders gemacht als Maduro. Unter seiner Herrschaft wurde im Jahr 336 der 25. Dezember zum Tag bestimmt, an dem die Geburt Christi gefeiert werden soll. Der lateinische Name „dies nativitatis“, Tag der Geburt, lebt noch heute im italienischen „Natale“ fort, oder – wir erinnern uns – im Spanischen „Navidad“.

Es ist nicht ganz klar, ob Konstantin wirklich zum gläubigen Christen wurde. Unstrittig ist jedoch, dass er dem Christentum und damit auch dem Weihnachtsfest den Weg bereitet hat.

Kaiser Justinian links, die Jungfrau mit dem Kind in der Mitte, Kaiser Konstantin rechts, Vestibül-Tor, Große Moschee Hagia Sophia, 537 n. Chr., UNESCO-Weltkulturerbe,
Mosaik am Vestibül-Tor der der Hagia Sophia: Kaiser Justinian (links), die Jungfrau mit dem Kind in der Mitte, Kaiser Konstantin (rechts). Die Hagia Sophia wurde 537 n. Chr. unter Kaiser Justinian fertiggestellt. Kaiser Konstantin wird als Gründer von Konstantinopel (heute Istanbul) gezeigt.

Zwar feiern viele orthodoxe Kirchen Weihnachten erst am 6. und 7. Januar und in Ländern wie Spanien und Italien gibt es erst am Dreikönigstag die Geschenke – doch diese kirchengeschichtlichen Spitzfindigkeiten sollen hier mal keine Rolle spielen.

Nähe zur Wintersonnenwende kein Zufall

Warum aber wählte Kaiser Konstantin ausgerechnet den 25. Dezember als Geburtstag des Gottessohnes? Im alten Rom war man offen für pragmatische Lösungen: Im 4. Jahrhundert war der Mithras-Kult um den Sonnengott „Sol invictus“ sehr populär. Soldaten hatten ihn aus den Osten des Römischen Reiches in die Hauptstadt mitgebracht.

Statue des Gottes Mithras, der einen Stier tötet, im Mithräum der Thermen in den archäologischen Ausgrabungen von Ostia Antica - Rom
Im vorderen Orient wurde am 25. Dezember die Geburt des Gottes Mithras gefeiert. Die Römer übernahmen diesen Kult in abgewandelter Form als "Sol invictus", den „unbesiegten Sonnengott“. Im Bild: Statue des Gottes Mithras, archäologische Ausgrabungen in Rom.

Geburtstag hatte der ursprünglich persische Sonnengott am 25. Dezember, dem Tag der Sonnwende. Da wurde der Sieg des Lichtes und des Lebens über die Finsternis und den Tod zelebriert. Dieses große Fest, so vermuten Historiker, wurde ganz pragmatisch zum Geburtstag Christi umgedeutet, um heidnische Traditionen christlich umzudeuten und von der Popularität des Mithras-Kults zu profitieren.

In Deutschland erst seit dem im 19. Jahrhundert populär

Das unbezwingbare Licht klingt im deutschen Wort Weihnachten nicht wirklich an. Etymologisch kommt es aus dem Mittelhochdeutschen: „wîhe naht“ bedeutet „geweihte“ oder „heilige Nacht“.

Der Theologe und Reformator Martin Luther im Kreise der Familie in Wittenberg zu Weihnachten, Historische Zeichnung aus dem 19. Jahrhundert.
Historische Zeichnung aus dem 19. Jahrhundert: Der Theologe und Reformator Martin Luther im Kreise der Familie in Wittenberg zu Weihnachten,

Bis zum 19. Jahrhundert war Weihnachten nur eines von vielen kirchlichen Festen. Erst mit dem aufstrebende Bürgertum, das sich dabei gerne auf den Reformator Luther berief, entwickelte sich Weihnachten zu dem besinnlichen Familienfest mit Geschenken unterm Tannenbaum, wie wir es heute kennen.

Erhabene Lichtgestalt in der Tradition des Sonnenkultes?

Doch zurück nach Venezuela: Die Bedeutung der Sonnenwende für das Weihnachtsfest kann man hier, so nahe am Äquator, wohl getrost vernachlässigen. Das ist kein wirkliches Problem bei der Verlegung von Weihnachten durch Maduro.

Aber wäre es zu verwegen zu denken, der Präsident, der mit seiner vermeintlich frohen Botschaft die Gemüter des venezolanischen Volkes so sehr erhellte, stünde in direkter Verbindung zu Kaiser Konstantin, vielleicht sogar zum Sonnengott selbst? Das geht dann aber doch ein wenig zu weit ...

Eine echte „frohe Botschaft“ für die Venezueler wäre es wohl, wenn am 11. Januar nicht Maduro, sondern Edmundo González als Präsident in Caracas vereidigt würde. Der ins spanische Exil gegangene Oppositionspolitiker will im Januar in seine Heimat zurückkehren, um genau das zu erreichen und läuft dabei Gefahr, inhaftiert zu werden. Vielleicht können Weihnachtswünsche doch wahr werden.

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