Berühmte Kunst und ihre Geschichte

Warum Picassos Bild „Guernica“ nicht den Luftangriff auf Guernica zeigt

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Autor/in
Franziska Kiedaisch
Franziska Kiedaisch, Autorin und Redakteurin, SWR Kultur

1937 malt Pablo Picasso ein Bild mit schrecklichen Szenen. Sein Name: „Guernica“. Doch das Gemälde zeigt nicht die grauenvollen Geschehnisse in der gleichnamigen baskischen Stadt, die im Spanischen Bürgerkrieg von deutschen und italienischen Fliegertrupps massiv bombadiert wurde – sondern weist weit darüber hinaus.

Pablo Picasso: Guernica, 1937
Pablo Picassos „Guernica“ ist eine Ikone gegen die Gräuel des Krieges. Doch es besteht ein großer Unterschied zu anderen Gemälden über den Krieg, wie etwa jene von Francisco de Goya oder Otto Dix.

Die grauenvolle Szene bleibt erstaunlich unkonkret

Zugegeben: Die These klingt steil, ist aber unter Experten weitaus weniger umstritten als zunächst anzunehmen: „Guernica“ zeigt, anders als der Name vermuten lässt, nicht die Geschehnisse in der baskischen Stadt. 1937 legten deutsche und italienische Fliegertrupps innerhalb eines Tages die Stadt in Schutt und Asche.

Die Szene, die Picasso auf seinem monumentalen, 349 mal 776 Zentimeter großen Bild zeigt, ist schrecklich. Doch trotz ihres Titels bleibt das Bild erstaunlich unkonkret. Damit unterscheidet es sich stark von anderen, realistischen Darstellungen des Krieges, etwa jenen von Francisco de Goya oder Otto Dix.

Picasso malt weder Flugzeuge noch Sprengsätze, auch weitere Hinweise auf die Täter enthält sein Gemälde nicht. Allein die Opfer stehen im Zentrum, die Blicke gen Himmel gerichtet, wo der Feind lauert. Eine fliehende und eine brennende Frau, eine Mutter mit totem Kind, ein Krieger, ein Stier, ein Pferd und eine Lichtträgerin sind darauf unter anderen zu sehen – alles in grau, weiß und schwarz gehalten und trotz aller Abstraktion bedrückend realistisch.

Am 12. Juli 1937 wird „Guernica“ erstmals gezeigt:

Nach dem Angriff auf Guernica verwirft Picasso seine ursprüngliche Bild-Idee

Der spanische Künstler hatte bereits 1936 den Auftrag von der spanischen Regierung erhalten, für die Weltausstellung in Paris 1937 ein Bild anzufertigen. Nach dem Angriff auf die baskische Stadt durch deutsche und italienische Fliegertrupps am 26. April 1937 verwarf der Künstler jedoch seine ursprüngliche Bild-Idee „Maler und Modell“ und schuf in seinem Pariser Atelier das inzwischen weltberühmte Werk „Guernica“. Und das hat einen einfachen Grund: Der Luftangriff auf die baskische Stadt löste weltweit, auch unter Links-Intellektuellen und Künstlern wie Picasso, großes Entsetzen aus, das menschenverachtende Gebaren vor Ort war in aller Munde.

Picasso, der Francisco Franco regelrecht verachtete, sich in Comic-Zeichnungen über ihn lustig machte und die republikanische spanische Regierung unterstützte, nutzte diese Stimmung für ein politisches Bekenntnis: gegen den Krieg und das damit verbundene Leid, aber auch für einen Angriff auf die verhassten Franquisten. Picasso ging es dabei stets auch darum, mit künstlerischen Mitteln Partei zu ergreifen. Er sei ein „Milizionär“, der seinen Pinsel handhabe wie andere ihr Gewehr, sagte Picasso damals.

Zerstörte baskische Stadt nach dem Luftangriff deutscher und italienischer Fliegertrupps im Jahr 1937
In nur wenigen Stunden legten deutsche und italienische Fliegertrupps am 26. April 1937 die baskische Stadt Guernica (baskisch: Gernika) in Schutt und Asche.

Der Titel beschert Aufmerksamkeit

Indem er nur wenige Monate nach dem Luftangriff im Baskenland sein Gemälde unter den Titel „Guernica“ stellt, rezipiert die Weltöffentlichkeit das Gemälde aber in erster Linie als Abbild der realen Vorgänge. Dass Picasso nie vor Ort war und die kastilische Bezeichnung für die Stadt wählt, interessiert die Wenigsten. Der Titel jedenfalls beschert in Anbetracht der weltpolitischen Lage große Aufmerksamkeit und das Bild wird binnen kürzester Zeit weltberühmt.

Doch eigentlich handelt es sich bei „Guernica“ um einen Verweis auf das Geschehen, der weit über den Luftangriff hinausreicht und universeller gedacht werden kann: Ein ikonisches Statement gegen Gewalt, Hass und Krieg mit einem klaren Fokus auf die Opfer – und ein Aufruf an seine Landsleute und die Welt, nicht wegzuschauen,ja, geradezu eine Einladung, sich gegen die Franquisten zu engagieren.

„Ein Anklage-Bild gegen jede Form von Krieg“

„Wie kein anderes Bild ist Guernica im Grunde genommen jenseits dieser historischen Implikationen ein Anklage-Bild gegen jede Form von Krieg“, sagt etwa der Direktor des Picasso-Museums in Münster, Markus Müller, bei SWR2. Und weiter: „Denn die Größe Picassos besteht darin, dass es sich nicht reduzieren lässt auf das Beschreiben eines punktuellen historischen Ereignisses, sondern es beschreibt die Opfer von Krieg und Zerstörung und ist damit zu einem politischen Symbol jeder Form von pazifistischer Bewegung geworden.“

Nicht erst die „Letzte Generation“ beschmiert Bilder: 1974 wird „Guernica“ Ziel einer politischen Attacke:

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