Mariä-Entschlafens-Kathedrale, Kiew

UNESCO tagt in Riad

Bomben aufs Weltkulturerbe – Was kann die UNESCO im Ukrainekrieg ausrichten?

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Julian Burmeister
Julian Burmeister
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Dominic Konrad

Der russische Angriffskrieg gilt auch der kulturellen Identität der Ukraine. So sind bereits Bomben auf die Verklärungskathedrale in Odessa gefallen – die ist bereits Teil einer Weltkulturerbestätte. Die UNESCO berät derzeit in Riad, wie diese verwundbare Stelle des Landes geschützt werden könnte.

Über 1.000 Kulturstätten beschädigt: Was kann die UNESCO ausrichten?

Die letzte, reguläre Sitzung sollte 2022 im russischen Kasan stattfinden. Doch die UNESCO hat sie verschoben. Zu groß war die Diskrepanz zwischen dem eigenem Anspruch und dem Krieg gegen die Ukraine, in dem diese Grundsätze eiskalt missachtet werden.

Nun wird die Konferenz nach langem Gezerre bis zum 25. September im Saudi-Arabischen Riad nachgeholt. Und die Entscheidungen haben Signalwirkung:

Die UNESCO stuft die Sophienkathedrale und das Höhlenkloster in Kiew als gefährdetes Weltkulturerbe ein, auch die Altstadt von Lwiw wurde am 15. September in die entsprechende Liste aufgenommen.

Altstadt Odessa: Zerstörte Verklärungskathedrale nach russischem Luftangriff (Juli 2023)
Bei russischen Luftangriffen am 23. Juli 2023 teilweise zerstört: Die Verklärungskathedrale in Odessa. Die UNESCO verurteilte den Beschuss scharf.

Durch den Krieg seien die Welterbestätten in Gefahr, heißt es in einer Erklärung der UN-Kulturorganisation. Ihr Schutz werde durch die Kampfhandlungen erschwert. Das zuständige Komitee beklagte in seiner Entscheidung zudem das anhaltende Sterben in der Ukraine und rief die internationale Gemeinschaft zum Schutz des Kultur- und Naturerbes des Landes auf.

Nur wenige Denkmäler in der Ukraine durch die UNESCO geschützt

Bislang ist die Ukraine mit acht Weltkulturerbe-Stätten bei der UNESCO vertreten. Nicht viel für ein so großes Land. Deutschland hat beispielsweise 51 Stätten auf der Liste. Von diesen wenigen ukrainischen Weltkulturerbestätten sind durch den Krieg fast alle bedroht, vier von ihnen jedoch ganz besonders:

Eines der Wahrzeichen von Kiew: das Höhlenkloster
Die ukrainische Hauptstadt ist regelmäßig russischen Raketen- und Drohnenangriffen ausgesetzt. Zwar werden davon derzeit die allermeisten durch die ukrainische Abwehr abgefangen, dennoch bleibt auch die Kathedrale Kiew akut bedroht. Zu der Stätte gehören auch die Kiewer Höhlenkloster. Bild in Detailansicht öffnen
Kuppel der Refektoriums-Kirche, Kiewer Höhlenkloster
Die orthodoxe Klosteranlage, die im 11. Jahrhundert gegründet wurde, zählt zu den ältesten und eindrucksvollsten in Europa. Sie umfasst Kirchen, Höhlen und eine beeindruckende Sammlung religiöser Kunst. Bild in Detailansicht öffnen
Eines der Wahrzeichen von Kiew: das Höhlenkloster
Während des Konflikts in der Ostukraine wurde das Kloster beschädigt. Es besteht Sorge um weitere Schäden. Bild in Detailansicht öffnen
Der Neptunbrunnen auf dem Marktplatz im historischen Zentrum von Lwiw (ehemals Lemberg)
Ganz im Westen der Ukraine gelegen, hat es auch hier bereits russisches Bombardement gegeben. Lwiw (ehemals Lemberg), eine Stadt mit einer reichen kulturellen und architektonischen Geschichte, hat viele historische Gebäude und Plätze zu bieten. Bild in Detailansicht öffnen
Königliches Arsenal in der Altstadt von Lwiw
Der anhaltende Druck durch den urbanen Wandel und moderne Entwicklungen bedrohen jedoch das einzigartige Stadtbild und das historische Erbe dieser Stadt. Bild in Detailansicht öffnen
Hölzerne Allerheiligen-Kirche in Svyatogorsk, Ukraine
Ein grenzüberschreitendes Ensemble zwischen Polen und der Ukraine umfasst sechzehn Holzkirchen in den Karpaten, die über die vergangenen Jahrhunderte erhalten geblieben sind. Bild in Detailansicht öffnen
Die Georgskirche in Drohobytsch
Die traditionelle Holzbauweise ist jedoch anfällig für Verfall und Brände. Der Schutz dieser einzigartigen Kulturstätten erfordert erhebliche Anstrengungen. Bild in Detailansicht öffnen
Kathedrale von Odessa
Hier hat es bereits erste Zerstörungen durch den Krieg gegeben, als die Kathedrale von Odessa bei einem Bombardement im Juli getroffen wurde. Die beeindruckende Kirche ist offiziell als „Kathedrale der Verkündigung der Jungfrau Maria“ bekannt. Bild in Detailansicht öffnen
Kathedrale Odessa nach Angriff
Sie ist ein herausragendes religiöses und architektonisches Meisterwerk an der malerischen Schwarzmeerküste der Ukraine. Mit ihrer reichen Geschichte und ihrem atemberaubenden Design zieht diese Kathedrale sowohl Gläubige als auch Touristen aus aller Welt an. Bild in Detailansicht öffnen

Die kulturelle Identität der Ukraine soll ausgelöscht werden

Der WDR berichtete kürzlich, dass nach ukrainischen Angaben über 1.000 Kulturstätten durch den Krieg beschädigt worden seien. Dies sei ganz klarer Hinweis darauf, dass eine ukrainische Identität und Kultur bei den russischen Invasoren unerwünscht ist und gezielt ausgelöscht werden soll.

Schließlich hat der russische Präsident Putin die Ukraine vor der Invasion von 2022 als russisches Kernland bezeichnet.

Ukraine-Konferenz in Riad: Saudi-Arabien als Vermittler im Krieg mit Russland

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Was kann die UNESCO tun?

Wirklich eingreifen kann die UNESCO in den Ukrainekrieg nicht. Doch die Änderung des Status der ukrainischen Stätten habe Signalwirkung. Das erklärte der Generalsekretär der deutschen UNESCO-Kommission Roman Luckscheiter gegenüber dem WDR:

Das Signal könnte sein, dass die Welterbestätten Kiew Sophienkathedrale und die Altstadt von Lwiw auf die Liste des gefährdeten Welterbes kommen, das schafft eine ganz neue Aufmerksamkeit.

Rechtlich ermögliche schon der Welterbestatus an sich, so Luckscheiter, Zerstörungen durch kriegerischer Angriffe zu verurteilen und zu verfolgen. Dafür gäbe es gute Beispiele aus dem Syrienkrieg. Dort wurden IS-Anhänger nach der Zerstörung von antiken Tempelanlagen zur Verantwortung gezogen.

Kriegsspuren im historischen Zentrum der Schwarzmeer-Metropole Odessa
Kriegsspuren im historischen Zentrum der Schwarzmeer-Metropole Odessa. Immer wieder werden historische Gebäude der Altstadt durch Luftangriffe zerstört.

Russland scheint jede Scham verloren zu haben

Letztlich wird sich Russland durch die Neueinstufung natürlich nicht abschrecken lassen. Stattdessen ist es weiterhin reguläres Mitgliedsland und kann sogar sein Veto gegen die Aufnahme weiterer ukrainischer Weltkulturerbestätten einlegen.

Roman Luckscheiter hofft auf eine Änderung des Stimmrechts:

Jetzt beim Beispiel Welterbe wird ganz besonders sichtbar, wie unerträglich es ist zu wissen, dass hier ein Land Stimmrecht hat, dass diese Konventionen mit Füßen tritt. Und unser Anliegen wäre tatsächlich, dass es zu einer Reform kommt, wo in solchen Fällen Mitgliedsstaaten das Stimmrecht entzogen werden kann, um diese Schizophrenie zu vermeiden.

Wie so eine Reform rechtlich durchzusetzen wäre, vor allem ohne das grüne Licht von China, weiß derzeit wohl niemand. Die Zukunft für die ukrainischen Weltkulturerbestätten bleibt also vorerst weiter ungewiss.

Mehr Infos zum russischen Krieg in der Ukraine

Was geht - was bleibt? Zeitgeist. Debatten. Kultur. Ein Jahr Krieg gegen die Ukraine - Wie prägt der Schrecken die Menschen?

Ein Jahr nach Russlands Angriff auf die gesamte Ukraine sind laut den Vereinten Nationen inzwischen mehr als 8 Millionen Menschen aus dem Land geflohen. Auch wenn viele dem Schrecken des Krieges entflohen sind, verfolgen sie die traumatischen Erfahrungen ihr Leben lang, erklärt uns die Traumatherapeutin und Soziologin Manuela Ziskoven.

Lebensbedrohliche Erfahrungen wie ein Krieg, sagt sie, "bleiben im Gehirn und im Körper, in jeder Zelle gespeichert”. Auch wenn eine Therapie dabei hilft, solche dramatischen Erlebnisse abzumildern, sei die dauerhafte Beschädigung, die lebenslange Narbe unvermeidbar. "Die Wunde heilt, aber die Narben bleiben”.

Ein unverarbeitetes Trauma kann sogar an die nächste Generation weitergegeben werden. So war es bei Matthias Lohre. Der Journalist ist ein sogenannter "Kriegsenkel" und hat die Traumata seiner Eltern und Großeltern aus dem Ersten und Zweiten Weltkrieg geerbt. Lange Zeit hatte er das Gefühl: "Ich muss meine Eltern entlasten, ich darf das Maß ihrer Traurigkeit nicht noch vergrößern, ich muss möglichst leicht sein. Und das geht am einfachsten, wenn ich gut funktioniere.”

Habt ihr weitere Themen oder Feedback? Schreibt uns an kulturpodcast@swr.de.
Hosts: Kristine Harthauer und Philine Sauvageot
Showrunner: Giordana Marsilio

Wir empfehlen zur Folge:
Den Song “Viter viie (Der Wind weht)” von Alyona Alyona: https://www.youtube.com/watch?v=6oaWFrsXv9M

Den Song “Kupala” von Alyona Alyona:
https://www.youtube.com/watch?v=6oaWFrsXv9M

Das Buch “Das Erbe der Kriegsenkel” von Matthias Lohre: https://www.penguinrandomhouse.de/Taschenbuch/Das-Erbe-der-Kriegsenkel/Matthias-Lohre/Penguin/e525275.rhd

24.2.2022 Die Nacht, in der Russland die Ukraine angriff

24.2.2022 | Schon in den frühen Morgenstunden des 24. Februar 2022 ist klar, dass Russland die Ukraine angreifen würde. Am Vorabend haben die russischen Separatisten in den ukrainischen Gebiete Donezk und Luhansk Russland um Hilfe gebeten. Kaum jemand zweifelt daran, dass Putin dies als Begründung nehmen würde, diese Gebiete "befreien" zu wollen, schließlich hatte er sie schon zuvor schon als "autonome Republiken" anerkannt. So kommt es dann auch. Die Entwicklung spiegelt sich in den Radionachrichten. Nachts sind die Informationsradioprogramme der ARD zusammengeschaltet.
Um 4 Uhr morgens mitteleuropäischer Zeit hatte sich bereits der Sicherheitsrat getroffen, um über die offenbar bevorstehende Invasion zu beraten.
Eine halbe Stunde später bestätigen sich die Befürchtungen. Präsident Putin hat in der Zwischenzeit im russischen Fernsehen eine Ansprache gehalten. Davon handeln die Nachrichten um 4:30 Uhr.
Um 5 Uhr informieren die Nachrichten bereits über erste Explosionen in der ukrainischen Hauptstadt. Im Lauf des Morgens sind auch in den Radioprogrammen erste Augenzeugenberichte zu hören. Wir hören den Journalisten Roman Schnell, der sich zum Kriegsausbruch in Charkiw befand und anschließend Maria Kalus, Mitarbeiterin im ARD-Studio Kiew.

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Ukraines Kulturminister wollte mit viel Geld ein Museum zum Holodomor-Gedenken fertigstellen. Nach Kritik von Präsident Selenskyi an den hohen Ausgaben tritt er nun zurück.

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