24. Februar 2022: Die Nacht, in der Russland die Ukraine angriff
In den Morgenstunden des 24. Februar 2022 werden die Bewohnerinnen und Bewohner der ukrainischen Hauptstadt Kiew durch die Explosionen russischer Raketen geweckt. Putins Ziel, mit einer ,,militärischen Spezialoperation” in wenigen Tagen die Ukraine unter russische Kontrolle zu bekommen, scheitert am Widerstand der ukrainischen Regierung und der Unterstützung westlicher Staaten.
Ein Jahr nach Beginn des Krieges scheint eine Annäherung in unerreichbarer Ferne. Mehr als 8.000 ukrainische Zivilopfer forderte der Krieg bislang, mehr als acht Millionen Menschen haben allein in Europa Zuflucht gesucht, die meisten von ihnen in Polen.
Schreiben für das Überleben der ukrainischen Identität
Vladimir Putin spricht der Ukraine eine eigene, nicht-russische Kultur und Identität ab. Junge ukrainische Autor*innen und Musiker*innen nutzen die sozialen Medien, um mit ihren Texten und Liedern den Ukrainerinnen und Ukrainern Mut zu machen.
Für literarisches Schreiben im Krieg sei keine Zeit, solang Russland die Auslöschung der Ukraine vorantreibe, findet Serhij Zhadan, der 2022 den Friedenspreis des deutschen Buchhandels erhielt. Auftreten, Lesen, Singen könne er trotzdem neben seinem Einsatz für die Truppen an der Front in Charkiw.
,,Der Krieg ist emotional immer da, auch die Bedrohung”
„Vor dem Krieg war es ein junger, dynamischer Ort, jetzt wirkt es dort wie eine Geisterstadt“, sagt ARD-Korrespondent Vassili Golod über Charkiw, die Stadt, in der er geboren wurde. Für die ARD-Dokumentation „Ukraine – Krieg im Leben“ reiste Golod durch das kriegsgeschädigte Land und ließ die Menschen vor Ort erzählen, wie sie seit einem Jahr mit dem russischen Angriffskrieg leben.
Zerfall der Sowjetunion für Putin „größte geopolitische Katastrophe des 20. Jahrhunderts“
Der Russisch-Ukrainische Krieg begann nicht erst mit dem Einmarsch russischer Truppen im Februar 2022, sondern mit der Annexion der Krim am 18. März 2014 und dem Krieg im Donbass. Die Halbinsel Krim war 1954 auf Veranlassung Nikita Chruschtschows dem ukrainischen Staatsgebiet einverleibt worden. Vladimir Putin bezeichnete diese Aufteilung noch drei Tage vor dem Einfall der russischen Truppen als einen „historischen Fehler“.
Die Auslegung der Geschichte könnte zwischen den Kriegsparteien nicht unterschiedlicher sein: Sowohl auf russischer als auch auf ukrainischer Seite wird die „Kiewer Rus“ des 10. Jahrhunderts als Wiege der Nationen angesehen. Während in der Ukraine hierin den Ursprung einer eigenen ukrainischen Nationalidentität sieht, leitet Vladimir Putin einen russischen Hegemonialanspruch ab.
Die Ukraine, so Putin, sei erst durch die Sowjetunion zu einem eigenständigen Staat geworden. Dem entgegen steht im ukrainischen Verständnis nicht zuletzt der Holodomor, die große Hungersnot im Zuge der stalinistischen Zwangskollektivierung der Landwirtschaft nach 1929, die als Genozid am ukrainischen Volk gedeutet wird. Seit 2022 folgt die Bundesrepublik der ukrainischen Position.
Kein Friede in Sicht: Russland glaubt, die Ukraine zu brauchen, um ein Imperium zu sein
Was von russischer Seite als schnelle Militärintervention geplant war, ist ein Jahr später ein zäher Zermürbungskrieg geworden. Im SWR2 Forum diskutierte Martin Durm mit Militärexperte Dr. Gustav Gressel vom European Council on Foreign Relations, Rechtsphilosoph Prof. Dr. Reinhard Merkel von der Universität Hamburg und SZ-Kulturkorrespondentin Sonja Zekri.
Wie lange die Ukraine durchhalte, liege auch daran, wie zuverlässig die Unterstützung des Westens bleibt, so Gressel. In jedem Fall sei eine diplomatische Lösung seit dem Massaker von Butscha nicht mehr denkbar, urteilt Sonja Zekri. Die Ukraine habe einen Ausblick darauf erhalten, was mit ihr geschieht, wenn sie sich nicht mehr verteidigen sollte. Für Russland gehe es darum, sich einen Teil Europas einzuverleiben. Die russische Führung sei der Ansicht, dass sie die Ukraine brauche, um weiterhin ein Imperium zu sein, nicht aber die Bevölkerung.
Die Situation in der Kriegsregion werde sich in absehbarer Zeit nicht verbessern, sind sich die Diskutierenden einig. An einer nuklearen Eskalation habe aber auch die russische Seite kein Interesse. Der Westen, so Gressel, habe darauf gewirkt, dass es von ukrainischer Seite nicht zu Kampfhandlungen auf russischem Territorium komme. Dazu gebe es klare Absprachen. Russland habe aktuell auch nicht die militärische Stärke, um den Krieg gegen die NATO auszuweiten.