Schlichte Farben und Formen als Erfolgsrezept
„Die neue Gestaltung“, schreibt Piet Mondrian in seiner Bauhausschrift im Jahr 1925, „drückt sich gestaltend flach innerhalb der Fläche aus. In dem sie dreidimensionale Körperlichkeit zur Fläche vereinfacht.“ Was so kompliziert klingt, ist nichts anderes als das Geheimrezept für weltweite Beachtung.
Beate Reifenscheid, Direktorin des Ludwig Museums in Koblenz, erklärt, wie Mondrian zum Massenphänomen wurde. Er habe sich konsequent auf die schlichtesten Formen und Farben bezogen und konnte diese unendlich variieren.
„Die drei Grundfarben und Schwarz und Weiß versteht erstmal jeder, dazu die sinnliche Einfachheit, die jedem das Gefühl verleihen mag, es selbst ebenfalls malen zu können, sind gute „Brückenbauer“, um sich überhaupt auf Kunst einzulassen“, sagt Reifenscheid.
Mondrian auf der Kaffeetasse: Geheimrezept für weltweite Beachtung
Museen sind mit ihren Shops mehr und mehr ins Merchandising eingestiegen, so Beate Reifenscheid:
Quadrate und Rechtecke markieren den Weg zum Ruhm
Piet Mondrian, der 1872 in den Niederlanden als zweites von fünf Kindern geboren wurde, strebte eigentlich den Beruf eines Zeichenlehrers an.
Daraus wurde nichts – trotzdem ist Mondrian den deutlichen Zeichen und Mustern sein Leben lang treu geblieben. Quadrate und Rechtecke, dicke und dünne schwarze Linien markieren seinen Weg zum Ruhm. Das hätte in seinen Anfängen niemand vermutet.
Von der Haager Schule beeinflusst, malte Mondrian Ende des 19. Jahrhunderts naturalistische Ansichten zum Beispiel von einem Bauernhaus mit Wäsche auf der Leine. Aber er verharrte nicht in einem Stil, sondern entwickelte sich stets weiter.
Frühe Landschaftsmalerei – Mondrian erinnert an van Gogh
Wer die „Mühle im Sonnenlicht“ in warmen Gelbtönen aus dem Jahr 1908 im Kunstmuseum Den Haag schon einmal gesehen hat, dem fällt sofort Mondrians Bewunderung für van Gogh auf.
1917 begründete Piet Mondrian die Gruppe „De Stijl“ – unter anderem zusammen mit Bart van der Leck und Theo van Doesburg. Farben und Linien waren von da an die bildnerischen Mittel abstrakter Gemälde. Ein neues Kunstverständnis bahnte sich seinen Weg. Wichtig war nicht mehr das Abbild, sondern die Abstraktion.
Mondrians Revolution: Dem Abbild folgt die Abstraktion
Die erste große Mondrian-Retrospektive fand 1945 im Museum of Modern Art in New York statt.
Den Durchbruch in die Modewelt der sogenannten „neoplastischen Gestaltung“ Mondrians kann sich wahrscheinlich der französische Modedesigner Yves Saint Laurent auf die Fahnen schreiben. In den 1960er-Jahren präsentierte er sackähnliche Cocktailkleider mit den typischen Mondrian-Mustern.
„Seine Kunst war zeitlos. Auf Kleider gemünzt bedeutet dies, dass sie eigentlich jedem stehen und als Accessoires einfach ein Hingucker sind. Heute beweist man damit Kunstsinn und Freude am Design. Auch damit können sich alle Altersgruppen assoziieren“, erklärt Reifenscheid die Massentauglichkeit Mondrians.
Mainzer Modedesignerin Anja Gockel von Mondrian beeinflusst
Die international erfolgreiche Mainzer Modedesignerin Anja Gockel, die unter anderem bei Vivienne Westwood gearbeitet hat und auch schon die Kleider für das Finale von Heidi Klums Show „Germanys Next Top Model“ entwarf, betont den immensen Einfluss von Piet Mondrian auf die Modewelt.
Auch sie selbst hat von Mondrians Muster profitiert: „Die klaren, geometrischen Linien und Farbblöcke inspirierten die Designer in den 60er-Jahren. Mondrian verwendete hauptsächlich Primärfarben. Der Einsatz von diesen lebendigen, grundlegenden Farben machte mir während meines Studiums an der Londoner Central St. Martins School in den 90er-Jahren Mut, in einer stark schwarz-weiß und pastellfarben geprägten Welt ähnliche Farbpaletten zu verwenden, und mit auffälligen und kontrastreichen Designs zu experimentieren“, sagt Anja Gockel.
Gelb, rot und blau: Diese Kombi geht immer
Quadrate und Rechtecke in rot, gelb und blau, umrandet mit schwarzen akkuraten Linien: Schuhe, Hüte, Haarspray, Tassen oder Taschen mit diesem Design sind bis heute als Luxus- oder Alltagsprodukte auf dem Markt.
Boots und Bodypainting: Mondrians Einzug in die Kunst der Gegenwart
„Mondrian Boots“ heißt die Installation der Künstlerin Sylvie Fleury, die bereits 1992 den Konsumwahn kritisierte. Sie wirft im Jahr 2013 sogenannte „Mondrian Boots“ mit dem typischen Mondrianmuster in einem Einkaufszentrum in Utrecht auf einen Haufen, als wäre die Erfindung des Künstlers ein Wegwerfartikel der Fast-Fashion-Generation.
In der zeitgenössischen Kunst angekommen ist Mondrian – der einst Windmühlen im Sonnenuntergang malte – mit der queeren Künstlerin Jakob Lena Knebl. Ihr Selbstporträt mit Bodypainting in den Farben gelb, rot und blau ist eine der interessantesten Folgen der Kunst von Piet Mondrian. Und aktueller denn je.