Ein kostbares Überraschungsei erobert den Zarenhof
Zarskoje Selo bei Sankt Petersburg, Osterfest 1885: Für seine Kaiserin Maria Fjodorowna hat der Zar Alexander III. ein besonderes Geschenk: ein Ei aus purem Gold, 6,4 Zentimeter groß und mit weißer Schmuckemaille überzogen.
Im Inneren des Eis befindet sich eine gelbgoldene Kugel, ein Dotter, und darin versteckt sich eine goldene Henne, die wiederum eine goldene und edelsteinbesetzte Krone und einen Rubinanhänger verbirgt.
Dieses Ei, heute als das „Erste Hennen-Ei“ besser bekannt, begeistert die Zarin und den Hof derartig, dass der Zar es zur jährlichen Tradition macht, seiner Gemahlin ein solch wertvolles Ei zu überreichen. Hinter diesem prachtvollen Geschenk: die Werkstatt des Petersburger Goldschmieds Peter Carl Fabergé.
„Romance to Revolution“: Die Fabergé-Eier der Zaren 2021 im Londoner Victoria and Albert Museum
Weltruhm erlangt Fabergé auf der Pariser Weltausstellung
Auch in Russland haben Eier zu Ostern, dem wichtigsten Fest der russisch-orthodoxen Kirche, eine besondere Tradition. Spätestens seit dem 17. Jahrhundert ist es Sitte, sich zum Fest geschmückte Eier zu überreichen. Unter Adeligen und wohlhabenden Bürgern wird es Mode, statt gewöhnlicher Hühnereier eiförmige Gegenstände als Holz, Porzellan oder Glas zu verschenken.
Das Besondere an den Schmuckeiern aus dem Hause Fabergé: Die erlesenen Materialien, die Qualität der Schmuckarbeit und die meisterhaft ausgearbeiteten Überraschungen, die sich in jedem Ei verstecken. Sie erinnern teilweise an die ineinander schachtelbaren Matrjoschka-Puppen, die etwa zeitgleich in Russland in Mode kommen.
Fabergés Schmuckeier werden im Jahr 1900 auf der Pariser Weltausstellung ausgestellt. Sie sind dort so ein Erfolg, dass auch Superreiche außerhalb der Zarenfamilie beim Hofjuwelier Eier in Auftrag geben, unter ihnen Alfred Nobel und die Rothschild-Erbin Beatrice Ephrussi.
Mehr als 24.000 Rubel zahlt Nikolaus II. für das teuerste Fabergé-Ei
Zehn Eier gibt Alexander III. bis zu seinem Tod 1894 als Geschenke für seine Frau in Auftrag. Sein Sohn Nikolaus II. übernimmt die Geste und lässt von nun an zwei Eier pro Jahr fertigen: eines für seine Mutter und ein weiteres für seine junge Zarin Alexandra, Prinzessin von Hessen-Darmstadt.
Dabei wird der Pomp der kleinen Schmuckeier von Jahr zu Jahr exzessiver: Kostete das „Erste Hennen-Ei“ von 1885 bereits stattliche 4.115 Rubel, zahlt der Hof 1913 für das sogenannte „Winter-Ei“ aus Bergkristall 24.600 Rubel.
Zeitgleich leidet die russische Bevölkerung unter Hungersnöten, schlechten Arbeitsbedingungen in den Fabriken und den wirtschaftlichen Folgen des russisch-japanischen Krieges und des Ersten Weltkriegs. Der Prunk bei Hofe wird zum roten Tuch für die Arbeiterinnen und Arbeiter.
Die Russische Revolution verstreut die Zaren-Eier in die USA, nach London und nach Baden-Baden
Das zaristische Russland übersteht die Februarrevolution 1917 nicht. Nikolaus II., Alexandra und ihre Kinder werden in der Nacht zum 17. Juli 1918 im Keller des Ipatjew-Hauses in Jekaterinburg erschossen.
Das letzte Ei, das die Zarinmutter Maria Fjodorewna 1916 geschenkt bekommen hatte, nimmt sie auf ihre Flucht in die dänische Heimat mit. Die anderen Eier lässt Lenin beschlagnahmen und ab 1920 teilweise an westliche Kunsthändler verkaufen. So gelangen Fabergé-Eier in den Besitz der britischen Könige, verschiedener Museen und an private Sammler.
Die letzten beiden Eier, die 1917 für den Zarenhof gefertigt, aber nicht mehr übergeben wurden, sind das „Birken-Ei“ aus karelischer Birke, Gold und Smaragden und das unvollendete „Sternbild-des-Zarewitsch-Ei“ aus blauem Kobaltglas. Sie befinden sich heute im Fabergé-Museum Baden-Baden, das der russische Kunstsammler Alexander Iwanow 2009 eröffnete.
Peter Carl Fabergé flieht vor der Revolution über Finnland und Wiesbaden in die Schweiz. Die Zerstörung seiner Existenz und seines Lebenswerks durch die Bolschewisten setzen ihm schwer zu. Er stirbt am 24. September 1920 in der Nähe von Lausanne. Der Nachruhm seiner größten Kunstwerke, der kaiserlichen Fabergé-Eier, lebt bis heute fort.