- Wie viele Abschiebungen vollzieht RLP (nicht)?
- Was sagt Ministerpräsident Schweitzer zur aktuellen Abschiebungs-Diskussion?
- Wer darf bleiben, wer muss gehen?
- Wer entscheidet nach welchen Kriterien, wer abgeschoben wird?
- Dublin-Abkommen: Wer ist für Abschiebung zuständig?
- Was passiert, wenn jemand nicht bleiben darf?
- Wie soll die Abschiebung sichergestellt werden?
- Warum scheitern viele Abschiebungen trotzdem?
Wie viele Abschiebungen vollzieht RLP (nicht)?
Im ersten Halbjahr 2024 mussten laut Ministerium mehr als 1.000 Flüchtlinge Rheinland-Pfalz wieder verlassen. Knapp 400 davon seien abgeschoben worden, 279 seien mit finanzieller Unterstützung freiwillig ausgereist. In 381 Fällen sei die Ausreise gescheitert. Unter anderem, weil die Personen nicht angetroffen wurden oder sich gewehrt haben. Aber auch gesundheitliche Gründe hätten geplante Abschiebungen teilweise verhindert.
2023 wurden insgesamt 629 Personen abgeschoben. Gleichzeitig scheiterten 662 geplante Abschiebungen und sogenannte Dublin-Überstellungen, wie das Integrationsministerium mitteilte. Auch hier waren die Gründe vielfältig: Die ausreisepflichtige Person konnte nicht angetroffen werden, leistete Widerstand oder konnte aufgrund von gesundheitlichen Gründe nicht abgeschoben werden.
Was sagt Ministerpräsident Schweitzer zur aktuellen Abschiebungs-Diskussion?
Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Alexander Schweitzer (SPD) warnte nach dem Attentat in Solingen davor, in der Migrationspolitik vermeintliche Lösungen anzubieten, die nicht umsetzbar seien. Als Beispiel nannte Schweitzer die Forderung des CDU-Bundesvorsitzenden Friedrich Merz, keine Migranten mehr aus Syrien oder Afghanistan aufzunehmen. "Das sind nur dann Lösungen, wenn es juristisch möglich ist. Und nach dem, was uns Juristen sagen, ist das nicht möglich", sagte Schweitzer. Mit solchen Forderungen mache sich die Politik bei den Menschen unglaubwürdig.
Auch Abschiebungen nach Syrien und Afghanistan seien sehr schwierig, erklärte der Ministerpräsident. In der rheinland-pfälzischen Landesregierung sei aber die Bereitschaft da, auch in diese beiden Länder abzuschieben. Dafür müsse die Bundesregierung die Voraussetzungen schaffen. Dabei stoße man aber auf große Probleme. So gibt es laut Schweitzer derzeit im Grunde keinen Dialog der deutschen Behörden mit Syrien.
Wer darf bleiben, wer muss gehen?
In Deutschland bleiben dürfen Menschen, deren Herkunftsländer als nicht sicher gelten und die per Asylverfahren entweder anerkannte Asylbewerber geworden sind oder Menschen mit Bleiberecht, die aus anderen Gründen geduldet sind. Das Bleiberecht bekommen geflüchtete Menschen, wenn sie sich in Deutschland nachhaltig integriert haben. Wenn sie also zum Beispiel durch Deutschkurse und Fortbildungen einen sicheren Arbeitsplatz gefunden haben. Dann gelten sie als geduldet, haben also ein Bleiberecht, obwohl sie nicht als Asylbewerber anerkannt sind.
Abgeschoben werden Straftäter oder Menschen, die nach Deutschland geflohen sind und immer wieder gegen wichtige Regeln verstoßen haben. Im Prinzip können alle abgelehnten Asylbewerber abgeschoben werden, wenn sie nicht geduldet werden – also kein Bleiberecht haben. Theoretisch darf in alle Länder abgeschoben werden, die als sichere Herkunftsstaaten gelten. Das heißt, dass in diesen Ländern keine Verfolgungsgefahr für Rückkehrer bestehen darf.
Diskussion nach dem Attentat von Solingen Viele Abschiebungen in RLP scheitern - Land will Kommunen mehr unterstützen
In Rheinland-Pfalz sind in diesem Jahr bisher rund 40 Prozent der Rückführungen von abgelehnten Asylbewerbern gescheitert. Integrationsministerin Binz kündigte an, das Land wolle den Kommunen bei Abschiebungen stärker helfen.
Wer entscheidet nach welchen Kriterien, wer abgeschoben wird?
Über Asylanträge entscheidet das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf). Wenn das einen Asylantrag ablehnt, legen die allermeisten Asylsuchenden Widerspruch ein, über den dann ein Verwaltungsgericht entscheiden muss. In Rheinland-Pfalz entscheiden die Gerichte vergleichsweise schnell über Klagen abgelehnter Asylbewerber. Etwas über vier Monate dauert laut Integrationsministerium ein Verfahren im Durchschnitt - andere Bundesländer, wie zum Beispiel Hessen, brauchen bis zu drei Jahre.
Bundeskabinett beschließt schärfere Abschieberegeln Abschiebeverfahren in Rheinland-Pfalz gehen vergleichsweise schnell
Das Bundeskabinett hat am Mittwoch Regelungen für schnellere Abschiebungen beschlossen. Die Verfahrensdauer ist in den Bundesländern sehr unterschiedlich. RLP ist vergleichsweise schnell.
Dublin-Abkommen: Wer ist für Abschiebung zuständig?
Laut dem Dubliner Abkommen ist immer nur ein Staat der Europäischen Union für ein Asylverfahren zuständig, damit nicht in mehreren EU-Staaten Asylanträge gestellt werden oder gezielt Staaten zur Antragstellung ausgesucht werden können. Demnach hat derjenige Mitgliedstaat den Asylantrag zu prüfen, in den der Asylbewerber zuerst eingereist ist.
Im Kreis Bad Kreuznach beispielsweise befinden sich nach Angaben der Landrätin Bettina Dickes (CDU) derzeit etwa 250 Menschen, die ausreisen müssten. Bei etwa der Hälfte handele es sich um Dublin-Fälle. Länder wie Italien oder Griechenland nähmen aber aktuell gar keine Dublin-Fälle zurück, obwohl die geltende Regelung das vorsehe, so Dickes im ZDF.
Der mutmaßliche Messerangreifer von Solingen sollte gemäß des Dubliner Abkommens nach Bulgarien abgeschoben werden. Dort soll er laut Berichten 2022 in die EU eingereist sein. Warum es dann trotzdem nicht zur Überstellung kam, muss noch aufgeklärt werden.
Was passiert, wenn jemand nicht bleiben darf?
Menschen mit abgelehntem Asylantrag müssen Deutschland innerhalb kurzer Zeit verlassen. Sie sind dann ausreisepflichtig. Idealerweise erfolgt die Ausreise freiwillig innerhalb einer festgelegten Frist. Im vergangenen Jahr fanden laut Integrationsministerium 332 geförderte freiwillige Ausreisen statt. Geschieht das nicht, müssen die betroffenen Personen rückgeführt werden. Das ist Aufgabe der Bundesländer, die dabei oftmals mit der jeweiligen Landespolizei und der Bundespolizei zusammenarbeiten.
Allerdings kann Ausreisepflichtigen auch eine Duldung erteilt werden, wenn die Person zum Beispiel schwer krank ist oder bereits eine staatlich anerkannte Berufsausbildung aufgenommen hat. Dann wird die Abschiebung für eine gewisse Zeit nicht durchgeführt. Auch in Rheinland-Pfalz gibt es viele solcher Fälle: Im Herbst vergangenen Jahres gab die Landesregierung an, dass sich mehr als 2.000 Personen ohne Duldung in Rheinland-Pfalz befänden, über deren Aufenthaltsort der Landesregierung keine Angaben vorlägen.
Wie soll die Abschiebung sichergestellt werden?
Ausreisepflichtige Personen können in Ausreisegewahrsam genommen werden. Dafür muss keine Fluchtgefahr ausgehen. Es reicht schon aus, wenn die Ausreisefrist für den Ausreisepflichtigen abgelaufen ist oder der Ausreisepflichtige zum Beispiel über seine Identität oder seine Staatsangehörigkeit getäuscht hat. Zu Jahresbeginn war die gesetzliche Höchstdauer des Ausreisegewahrsams von bislang zehn Tagen auf 28 Tage verlängert worden.
Als Ultima Ratio gilt die Sicherungshaft: Diese darf richterlich angeordnet werden, wenn Fluchtgefahr besteht, wenn der Grund der Ausreisepflicht eine unerlaubte Einreise ist oder wenn durch die Abschiebung zum Beispiel eine terroristische Gefahr abgewehrt werden soll. Die Sicherungshaft kann bis zu 18 Monate dauern. In Rheinland-Pfalz befindet sich ein Abschiebegefägnis in Ingelheim. Dort wurden nach Angaben des Integrationsministeriums im Jahr 2023 insgesamt 314 Menschen aufgenommen, wie die Allgemeine Zeitung berichtete.
Warum scheitern viele Abschiebungen trotzdem?
Abschiebungen scheitern unter anderem, weil aus den Herkunftsländern keine Pässe für die Personen vorliegen, die Deutschland verlassen sollen. Andere Menschen verschleiern ihre Identität, sodass kein Kontakt zum Herkunftsland aufgenommen werden kann, um die Abschiebung zu organisieren. Häufig tauchen Betroffene ganz unter, sodass die Behörden gar nicht wissen, wo sie sich aufhalten. Manche Abschiebungen scheitern auch in letzter Sekunde, weil die Ausreisepflichtigen am Tag der geplanten Abschiebung von den Behörden oder der Polizei etwa in Asylunterkünften nicht angetroffen werden können. So soll es auch bei dem mutmaßlichen Täter von Solingen der Fall gewesen sein.