Antisemitismus und Pogromnacht

Juden in Trier: "Wir fühlen uns allein gelassen"

Stand
Autor/in
Solveig Naber
Foto von Solveig Naber, Redakteurin bei SWR Aktuell im Studio Trier

Hassparolen, abgerissene Israel-Fahnen, antijüdische Schmierereien. Seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel wurden hunderte antisemitische Fälle in Deutschland registriert. Was heißt das für die Juden, die hier in der Region Trier leben?

Der Gesang der Männer hallt durch die Synagoge in Trier. Es ist der Gottesdienst zum Schabbat in der jüdischen Gemeinde. Die Männer singen und sprechen zusammen mit dem Rabbiner die Gebete. Auch einige Frauen sind zum Beten in die Synagoge gekommen.

Deborah ist Jüdin und lebt in Trier. Mit Sorge blickt sie auf den Jahrestag der Reichspogromnacht. Sie befürchtet Demonstrationen.
Deborah ist Jüdin und lebt in Trier. Die Studentin möchte unerkannt bleiben.

Eine von ihnen ist Deborah. Ihren vollen Namen möchte sie nicht nennen. Denn seit dem Terror-Angriff auf Israel hat sich für die 33-Jährige viel verändert. Der Großteil ihrer Familie lebt in Israel, ist betroffen von dem Terror der Hamas. Auch die antijüdischen Übergriffe der vergangenen Wochen in Deutschland haben bei ihr Spuren hinterlassen. "Ich fühle mich öfter hilflos und allein gelassen, vor allem von der Politik", erzählt die junge Frau.

Ich trage in der Öffentlichkeit keinen Davidstern oder irgendein anderes religiöses Symbol.

Und sie zieht für sich Konsequenzen. "Ich trage zum Beispiel in der Öffentlichkeit keinen Davidstern mehr oder irgendein anderes religiöses Symbol. Auf der Straße telefoniere ich nicht mehr mit meiner Familie, also nicht auf Hebräisch, weil ich mich total unsicher fühle."

Mit Sorge blickt die Jüdin auf den Jahrestag der Reichspogromnacht, dem heute gedacht wird. Die junge Frau befürchtet, dass es vor allem in den Großstädten anti-jüdische Ausschreitungen geben wird. "In Trier könnte ich mir auch vorstellen, dass es Demonstrationen gibt. Wir müssen vorsichtig sein und das ist ein sehr unsicheres Gefühl, nicht zu wissen, was auf einen zukommt."

Fast 100 Mitglieder hat die jüdische Gemeinde in Trier, sagt Mark Indig. Der Vorsitzende der Deutsch-Israelischen Gesellschaft Trier sieht keine große Gefahr für Jüdinnen und Juden in Trier. Er versteht allerdings die Ängste der Menschen hier.

Verändertes gesellschaftliches Klima gegenüber Juden

Einig sind sich beide darüber, dass sich das Klima gegenüber Jüdinnen und Juden verändert hat. Bekannte haben ihnen von antisemitischen Vorfällen erzählt. Freunde von Deborah berichten zum Beispiel, dass an ihre Klingelschilder antijüdische Symbole geschmiert worden seien, erzählt die 33-Jährige. Und sie fragt, wie es passieren kann, dass sich Menschen wie sie nach dem Holocaust in Deutschland wieder nicht sicher fühlen können.

Ich überlege mir das inzwischen dreimal, ob ich sage, dass ich Jude bin.

In die Trierer Synagoge ist auch der 21-jährige Student Daniel zum Beten gekommen. Auch für ihn hat sich in den letzten Wochen etwas verändert, erzählt er. "Vor den Angriff war ich schon etwas offener mit meiner Religion. Wenn man mich gefragt hat, ob ich Jude bin, habe ich das mit ja beantwortet. Aber inzwischen überlege ich mir das dreimal, ob ich das sage." 

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Daniel und Deborah hoffen, dass antijüdische Vorfälle künftig klarer verurteilt werden, auch und vor allem von der Politik. Auch dass antisemitische Parolen nicht toleriert und konsequenter bestraft werden. Von den Menschen hier wünschen sie sich mehr Beistand. Und eine klare Haltung. "Dass sie sagen, wir wissen, dass damals so viele geschwiegen haben. Wir sind jetzt aber laut, wir sagen etwas. Unsere Stimme ist zu leise. Wir können allein nicht gegen den Antisemitismus ankämpfen. Wir brauchen die Unterstützung der Mehrheitsgesellschaft."

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