Junge Frau erzählt im SWR-Interview, dass sie in Kaiserslautern Opfer von K.o.-Tropfen wurde.

Sexueller Missbrauch

K.o.-Tropfen: Ein Opfer aus Kaiserslautern erzählt

Stand
Autor/in
Gelila Embaye
Viktoria Machleidt
Reporterin Viktoria Machleidt aus dem SWR-Studio in Kaiserslautern.

In einer Bar in der Kaiserslauterer Altstadt wurde eine junge Frau Opfer von K.o.-Tropfen. Im SWR-Interview erzählt sie, wie der Vorfall vor zwei Jahren ihr Leben verändert hat.

"Pass auf dein Getränk auf" - ein Satz, den vor allem Frauen immer wieder zu hören bekommen. Denn die Angst ist da, jemand könnte K.o.-Tropfen untermischen. Trotz Vorsicht passiert es immer wieder: Vor allem Frauen werden - wie der Name schon sagt - K.o. gemacht, um sie zu beklauen oder im schlimmsten Fall sexuell zu missbrauchen.

K.o.-Tropfen im Fritz-Walter-Stadion? Polizei Kaiserslautern ermittelt

Im Moment ermittelt die Polizei in Kaiserslautern wegen eines möglichen Falls von K.o.-Tropfen im Fritz-Walter-Stadion. Passiert sein soll das Anfang Mai, bei der Partie FCK gegen Magdeburg. Eine Frau hatte sich nach den Spiel bei der Polizei gemeldet, weil sie ihre Bauchtasche mit Geldbeutel und Dokumenten vermisste. Außerdem hatte sie Schmerzen im Fuß und Blutergüsse am Arm. Die Frau habe ausgesagt, dass sie sich nicht an den Abend erinnern könne, obwohl sie nicht viel Alkohol getrunken habe. Wurde die Frau möglicherweise Opfer von K.o.-Tropfen? Das soll eine Blutuntersuchung herausfinden. Laut Polizei liegt das Ergebnis bislang allerdings noch nicht vor.

Ich habe mich sehr schmutzig gefühlt. Ich habe mich sehr geschämt.

Als Opfer von K.o.-Tropfen über seine Erfahrungen zu sprechen, fällt vielen schwer. Oft schweigen Betroffene ein Leben lang - aus Scham. Die SWR-Reporterinnen Gelila Embaye und Viktoria Machleidt haben eine junge Frau getroffen, die allen Mut zusammengenommen und erzählt hat, dass sie nach einer Betäubung von K.o.-Tropfen Opfer sexueller Gewalt wurde. Sie möchte anonym bleiben, deshalb hat die Redaktion den Namen geändert.

SWR Aktuell: Wie hattest du die Gefahr durch K.o.-Tropfen früher eingeschätzt?

Betroffene: Ich wurde eigentlich echt gut aufgeklärt. Dass man das Getränk nicht einfach so rumstehen lässt, es immer bei sich hat und es am besten auch oben geschlossen ist. Ich habe mir auch nie irgendwelche Drinks geben lassen, bei denen ich nicht gesehen habe, wie sie von der Bar zu mir kamen. Ich habe da eigentlich echt immer gut aufgepasst, zumindest dachte ich das.

SWR Aktuell: Der besagte Abend ist jetzt schon fast zwei Jahre her. Welche Erinnerungen hast du noch an den Abend vor dem Vorfall?

Mein Mann hat mich an dem Abend in die Stadt gefahren. Dort habe ich mich mit Freundinnen getroffen und wir waren dann in einer Bar in der Altstadt. Wir haben hauptsächlich Shots getrunken. Ich habe sehr viel an dem Abend getrunken, war sehr betrunken. Irgendwann wurde mir sehr übel, auch schwindelig. Ich hatte ein komisches Gefühl und dann sind wir auch gegangen. Es war auch schon spät. Meine Freundin hat sich verabschiedet und meinte, ob ich nach Hause komme und alles gut ist. Und ich antwortete, ja es sei alles in Ordnung, obwohl es eigentlich nicht so war. Dann ist sie auch gegangen.

Ich habe dann oft versucht, meinen Mann zu erreichen, er ist aber nicht dran gegangen. Im Nachhinein kam raus, dass er geschlafen hatte und sein Handy nicht gehört hat. Immer mehr habe ich gemerkt, dass irgendwas nicht stimmt und konnte auch fast nicht mehr laufen. Das Gefühl kann man nur schwer beschreiben. Meine Finger und Füße haben gekribbelt. Mein Kopf war einfach komplett leer und sehr leicht. Dann weiß ich nur noch verwaschen, dass ich irgendwo da in dem Gebiet war, wo die Taxis immer halten. Und dann ist ein großer Cut.

SWR Aktuell: Erinnerst du dich noch an deine ersten Gedanken, als du wieder zu dir kamst?

Als ich wieder zu mir gekommen bin, habe ich gemerkt, dass meine Strumpfhose nicht mehr an mir war. Dann habe ich sofort mein Handy genommen und habe meinen Mann nochmal angerufen. Er ist dann auch dran gegangen und hat mich abgeholt. Wir sind zu uns an die Wohnung gefahren und ich hab gar nicht geredet, nur geweint. Als wir zuhause waren, habe ich versucht zu erzählen, was ich noch wusste. Dann hat er mich direkt ins Krankenhaus in Landstuhl gebracht. Ich habe sehr viel geweint. Ich wurde dort untersucht. Die haben dort diesen Check gemacht mit Befragungen und Abstrichen. Ich habe auch prophylaktisch was gegen HIV bekommen, falls dort irgendwas übertragen worden wäre.

SWR Aktuell: Was ging in dir vor, als du realisiert hast, was genau da passiert war?

Ich weiß noch, dass mein Mann zwei Tage später das Gespräch mit mir gesucht hat. Das war das erste Mal, dass ich realisiert habe, dass es nicht nur mir schlecht geht, sondern auch meinem Mann. Ich habe mich sehr schmutzig, eklig und angewidert gefühlt. Ich habe mich sehr geschämt. Ich hatte auch echt Angst, dass mein Mann vielleicht so ein großes Problem damit haben wird, dass er mich auch nicht mehr so anfassen kann wie davor, weil auch bei ihm sowas wie Ekel da ist. Heute setzt er sich auch auf der Arbeit gegen sexuellen Missbrauch ein.

SWR Aktuell: Hattest du dich auch an die Polizei gewandt?

Ja. Das erste, was ich schon nicht so gut fand, war, dass zwei Männer zu meiner Befragung kamen. Ich habe mich da echt sehr unwohl gefühlt. Auch wie mit mir geredet wurde, war nicht wirklich einfühlsam. Es war sehr schroff und irgendwie auch so von oben herab. Ich hatte die ganze Zeit das Gefühl, dass mir nicht geglaubt wird. Es war nicht so, wie ich es mir gewünscht hätte.

SWR Aktuell: Hast du versucht, therapeutische Hilfe zu bekommen und wie geht es dir heute damit - nach fast zwei Jahren?

Ich habe versucht, über die normalen Wege einen Therapeuten zu finden, weil ich gemerkt habe, ich komme mit der Situation alleine nicht zurecht. Aber das ist schnell gescheitert, weil die Therapieplätze zu knapp sind. Dann habe ich mich über das U.S. Military an einen Psychotherapeuten gewandt. Mein Mann ist beim amerikanischen Militär. Bis vor kurzem bin ich dann dort einmal die Woche in Therapie gegangen. Das hat mir auch echt geholfen. Es gibt immer Tage, an denen es schlimmer ist und welche, an denen man nicht dran denkt. Aber ich bin der Meinung, es wird immer Teil meines Lebens sein.

Es macht mich noch immer sehr wütend. Dadurch, dass nie wirklich aufgelöst wurde, wer es war, werde ich immer daran denken müssen. Ich kann meine Wut niemandem wirklich entgegenbringen und muss mein ganzes Leben lang selbst mit dieser Wut klarkommen. Es ist sehr belastend zu wissen, dass diese Person nie bestraft wurde. Und vor allem auch zu wissen, dass diese Person es eventuell auch bei anderen tut.

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