Verpflichtende Übungen

Ebling will Katastrophenschutzgesetz in RLP rasch überarbeiten

Stand
Autor/in
Judith Brosel
Constantin Pläcking
SWR-Reporter Constantin Pläcking aus dem Studio Koblenz.

In Rheinland-Pfalz soll das Katastrophenschutzgesetz noch in dieser Legislaturperiode überarbeitet werden. Auch regelmäßige Übungen sollen dabei zur Pflicht werden.

Das rheinland-pfälzische Innenministerium will das Landesgesetz über den Brandschutz, die allgemeine Hilfe und den Katastrophenschutz (LBKG) überarbeiten. Im Interview mit dem SWR-Politikmagazin "Zur Sache Rheinland-Pfalz!" kündigte Innenminister Michael Ebling (SPD) eine Novellierung des Gesetzes sowie den Erlass einer Katastrophenschutzverordnung "noch in dieser Legislaturperiode" an. Der nächste Landtag wird in Rheinland-Pfalz 2026 gewählt.

Mit der Novelle des Gesetzes sowie dem Erlass einer Katastrophenschutzverordnung werde den Erkenntnissen aus der Flutkatastrophe im Juli 2021, dem Bericht der Enquete-Kommission sowie den Forderungen von Expertinnen und Experten aus dem Bereich des Katastrophenschutzes Rechnung getragen, so Ebling gegenüber dem SWR: "Aber dass auch regelmäßig zu üben ist, das muss eine Pflicht werden."

Enquete-Kommission empfiehlt Gesetzesänderung

Nach der Flutkatastrophe 2021 setzte der Landtag eine Enquete-Kommission ein, die sich unter anderem mit der Frage beschäftigen sollte, wie der Katastrophenschutz in Rheinland-Pfalz nach den Erfahrungen im Ahrtal besser aufgestellt werden müsse. Ende vergangenen Jahres stellte die Kommission im Landtag ihren Abschlussbericht vor. Darin heißt es, zur "Optimierung des ebenen-übergreifenden Katastrophen- und Bevölkerungsschutzes" seien "landesweit einheitliche und verbindliche Vorgaben notwendig".

Die Kommission empfiehlt eine Novellierung des Katastrophenschutzgesetzes zu prüfen und für "kurzfristig zu treffende Optimierungen und Präzisierungen" konkrete Angaben zur Umsetzung durch die kommunalen Aufgabenträger "im Rahmen einer Katastrophenschutz-Verordnung bzw. eines Landeskatastrophenschutzkonzeptes" zu machen. Hervorzuheben seien hier unter anderem "Angaben für verpflichtende und regelmäßige Übungen" sowie "die Aufstellung und Vorhaltung gleich strukturierter Einheiten wie schichtfähige Krisenstäbe (Technische Einsatzleitung und Verwaltungsstab)".

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Die Empfehlungen der Kommission speisen sich aus der Anhörung zahlreicher Experten und Erkenntnissen nach der Flutkatastrophe im Ahrtal. So gab es in der Kreisverwaltung Ahrweiler während der Flutnacht keinen Verwaltungsstab, aus anderen Bundesländern besser bekannt als Krisenstab.

Im Untersuchungsausschuss wurde zudem bekannt, dass der damalige Landrat in der Bundesakademie für Bevölkerungsschutz und Zivile Verteidigung (BABZ), die ihren Sitz in Bad Neuenahr-Ahrweiler hat und Landräte und Verwaltungsstäbe aus ganz Deutschland zum Katastrophenschutz ausbildet, nie selbst an einer Schulung teilgenommen hat.

Mitglied der technischen Einsatzleitung wollte Übungen anstoßen

Nach Recherchen des SWR-Politikmagazins "Zur Sache Rheinland-Pfalz!" organisierte der langjährige Leiter des Kreisverbindungskommandos der Bundeswehr im Kreis Ahrweiler, Harald Trinkaus, 2019 hinter dem Rücken des Landrats eine Veranstaltung in der BABZ, an der auch mindestens ein Mitglied der Technischen Einsatzleitung sowie mindestens ein Verantwortungsträger der Kreisverwaltung Ahrweiler teilgenommen haben sollen.

Das Ziel von Trinkaus: eine gemeinsame Katastrophenschutzübung von Landrat und Verwaltungsstab. Im Interview mit dem SWR sagte Trinkaus, er habe damit seine "Kompetenz weit überschritten", da es nicht Sache der Bundeswehr sei, "Organisationsstrukturen in Kreisverwaltungen zu kritisieren oder meinen, verbessern zu müssen".

Nach seinen Erfahrungen in der Kreisverwaltung beim sogenannten Jahrhunderthochwasser 2016 aber habe ihm das Thema keine Ruhe gelassen. Zu seinen Aufgaben als Leiter des Kreisverbindungskommandos der Bundeswehr gehörte es in Krisensituationen auch, den Landrat in einem Verwaltungsstab zu beraten - allerdings nur nach dessen Anforderung.

Die Staatsanwaltschaft Koblenz ermittelt aktuell noch gegen den damaligen Landrat wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung und fahrlässiger Körperverletzung im Amt durch Unterlassen. In den Ermittlungsakten, die SWR-Reporter in Teilen einsehen konnten, berichtet ein Zeuge der BABZ ebenfalls von dieser durch Trinkaus angeregten Veranstaltung. Hierbei habe sich bestätigt, heißt es sinngemäß in den Akten, dass der Kreis Ahrweiler in Sachen Katastrophenschutz bezogen auf Räumlichkeiten und Ausbildung nicht gut aufgestellt sei und es auch keinen Verwaltungsstab gegeben habe.

Ex-Landrat Pföhler nahm nicht an Seminaren der BABZ teil

Die Akademie habe dem Landrat konkrete Seminarangebote gemacht. Angenommen worden seien sie nicht. Auf SWR-Anfrage zu all diesen Vorwürfen antwortete Jürgen Pföhlers Anwalt dem SWR mit einem Schreiben, das auf keine der gestellten Fragen einging. Der Anwalt teilte mit, die "umfangreichen, wenn auch zum Nachteil meines Mandanten einseitigen und damit nicht objektiven Ermittlungen" hätten "keinerlei Tatsachen ergeben, die geeignet wären, den Vorwurf einer Strafbarkeit durch angebliche Unterlassungen zu begründen".

Für den damaligen Leiter des Kreisverbindungskommandos, der heute im Ruhestand lebt, ist die nun angekündigte Überarbeitung des Gesetzes schon lange überfällig. Im Interview mit dem SWR-Politikmagazin "Zur Sache Rheinland-Pfalz!" sagte er, aus seiner Sicht müsse gesetzlich wesentlich mehr vorgegeben werden, als das aktuell noch der Fall sei. "Wenn ich keine Vorgabe mache, dann muss auch ein Landrat oder Bürgermeister nicht unbedingt freiwillig irgendwas durchführen." Wozu das aber führen kann, hat der frühere Berufssoldat selbst während der Flutkatastrophe in den Räumen der technischen Einsatzleitung erlebt.

Experte Beckmann: Katastrophenschutz in RLP wurde “stiefmütterlich behandelt”

Auch Jörg Beckmann betont die Bedeutung von Übungen im Katastrophenschutz. Beckmann führte für die Landesfeuerwehr- und Katastrophenschutzschule, heute Feuerwehr- und Katastrophenschutzakademie Rheinland-Pfalz, 19 Jahre lang Übungen für Verwaltungsstäbe und Technische Einsatzleitungen durch. Seit 2019 leitet er nun die Abteilung Katastrophenschutz im zuständigen Landesamt in Mecklenburg-Vorpommern.

Im Interview mit dem SWR sagte er, "man sollte aber auch die Bandbreite lassen, was eine Übung ist". Das könne von einer Stabsbesprechung bis hin zu einer 24-Stunden-Übung gehen. "Da sollte man schon der Fantasie des jeweiligen Kreises freien Lauf lassen. Aber man sollte es kontrollieren." In Mecklenburg-Vorpommern, dem Bundesland, in dem er jetzt für den Katastrophenschutz zuständig ist, stehe nicht nur die Verpflichtung zu Übungen im Gesetz, sondern habe er beim Landesamt auch Geld zur Verfügung, um die Kreise bei den Kosten zu unterstützen.

Seine Erfahrung als langjähriger Ausbilder von Katastrophenschutzstäben in Rheinland-Pfalz: "Der Katastrophenschutz in Rheinland-Pfalz wurde eigentlich immer recht stiefmütterlich behandelt. Wenn ich das jetzt mit anderen Ländern vergleiche, war man dort schon immer bereit, richtig Geld in die Hand zu nehmen." Auch was das Thema Verwaltungsstab betrifft, sei es in Rheinland-Pfalz seiner Erfahrung nach lange "nicht so verbreitet gewesen, sich da Gedanken zu machen".

Eine Abfrage unter allen 36 Kreisen und kreisfreien Städten in Rheinland-Pfalz lässt immerhin hoffen, dass sich das seit der Flutkatastrophe im Ahrtal geändert haben könnte. Viele der Kreise und kreisfreien Städte gaben auf SWR-Nachfrage an, seit 2022 eine Übung mit dem Verwaltungsstab an der Bundesakademie für Bevölkerungsschutz und Zivile Verteidigung durchgeführt zu haben oder in diesem Jahr noch zu absolvieren. Einige von ihnen haben den Rückmeldungen zufolge außerdem ihren Verwaltungsstab überarbeitet oder neu aufgestellt.

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