Mitarbeitende aus 16 Nationen sichern Produktion

Stuttgarter Firma kann nur dank zugewanderter Beschäftigter den Standort halten

Stand
Autor/in
Michael Lehmann
Onlinefassung
Torsten Hansel-Engelhart

Was wäre die Industrie ohne zugewanderte Arbeitskräfte? Eine Firma aus Stuttgart sagt: Ohne diese Beschäftigten könnten wir in Deutschland nicht mehr produzieren.

Mitten in Stuttgart bei der Firma SMART TESTSOLUTIONS lässt sich erleben, wie 60 Mitarbeiter aus 16 Ländern eine Technik-Firma auf Wachstumskurs gebracht haben. Sie stellen wichtige elektronische Bauteile her, die auch in der Automobilindustrie dringend benötigt werden. Und sie kamen fast alle erst in den vergangenen Jahren nach Deutschland. Die Geschäftsführung sagt: Ohne die zugewanderten Arbeitskräfte könnten wir nicht mehr in Deutschland produzieren.

Firma profitiert von Raffinesse und Fleiß der zugewanderten Arbeitskräfte

Nur leise Maschinen sind in der umgebauten Jugendstil-Villa im Stuttgarter Westen zu hören. Im Erdgeschoss wird gecrimpt. So nennt man die Technik, mit der hochwertiges Kabel-Material in die korrekte Form gebracht wird. Die Kabel müssen hitzebeständig und besonders stabil sein. Millionenfach werden solche Kabel zum Beispiel in der Automobil-Industrie gebraucht.

An einem Stehtisch lernt ein erfahrener Mitarbeiter einen jungen Mann aus Sri Lanka am PC ein. Es geht um wichtige Arbeitsprozesse, die er am Bildschirm erklärt. Bereichsleiter Jörg Miller steht bereit, falls es Fragen zur Optimierung gibt. Er hat in den vergangenen Jahren Mitarbeiter aus 16 Nationen betreut. Menschen, die seiner Erfahrung nach Raffinesse und Fleiß mitbringen: "Im Finden von Lösungen sind unsere zugewanderten Mitarbeiter alle super. Wenn wir einen Fall haben, bei dem ein Crimp-Kontakt nicht zur Crimp-Zange passt, dann können wir unter 800 verschiedenen Zangen-Typen auswählen. Und wenn es trotzdem nicht geht, dann fangen unsere Leute an zu tüfteln. Das sind wir Deutschen so gar nicht mehr gewohnt. Da wird oft eine 800 oder gar 1.000 Euro teure neue Zange gekauft. Und unsere Menschen aus diesen ganz unterschiedlichen Ländern, die sagen uns dann, schaut mal, es geht auch so oder so. Und das ist das Tolle an ihnen."

Angst um die Familie in den Heimatländern ist immer da

Ein weiterer Kollege ist Achmad. Er ist alleine aus dem Iran nach Deutschland geflüchtet. Weil seine Familie noch in der Heimat lebt, hat er Angst um sie. Deshalb veröffentlichen wir zur Sicherheit nicht seinen richtigen Namen. Bei der Firma SMART TESTSOLUTIONS ist er einer der schon erfahrenen Kollegen: "Das Wichtigste für mich ist die Atmosphäre bei der Arbeit. Die Arbeit ist sauber, man hat seinen eigenen Arbeitsplatz. Und man weiß, wo man anfangen kann und wo die Arbeit enden soll. Das läuft alles aus einer Hand, nicht über verschiedene Hände."

Altbaugebäude in Stuttgart, in der ssich die Technik-Firma SMART TESTSOLUTIONS sich befindet.
In dieser Jugendstil-Villa in Stuttgart-West hat die Firma SMART TESTSOLUTIONS ihren Sitz.

Viele im Team der Firma schätzen das Arbeiten in eigener Verantwortung an einem ruhigen, sauberen Arbeitsplatz. Dazu die freundschaftlich wirkende Atmosphäre, das gute Klima im schön renovierten Erdgeschoss eines großen Jugendstil-Hauses im Stuttgarter Westen. "Manufaktur" steht auf dem Firmenschild. Feine Handarbeit ist nötig beim Crimpen oder Löten. Die nötige Grundruhe entsteht auch deshalb, weil es meistens freundschaftlich zugeht in der großen Werk- und Bastelstube der Firma.

Firma unterstützt Zugewanderte bei privaten Problemen

Mohammed, ein weiterer iranischer Kollege, lobt seinen Bereichsleiter: "Wenn wir zuhause Probleme haben oder in unserem Leben, kommt der Chef, redet mit uns und versucht, eine Lösung zu finden." Jörg Miller und andere langjährige deutsche Mitarbeiter im Team kümmern sich auch persönlich, wenn es im Asylverfahren oder beim täglichen Leben der neu zugewanderten Mitarbeiter hakt. "Ich war mit zwei Leuten schon beim Richter oder beim Anwalt", berichtet Miller. "Ich habe dann übersetzt, denn die Menschen haben oft Probleme." Aus der Sicht von Miller haben einige Mitarbeitende aus Sri Lanka, Syrien oder dem Iran es eigentlich längst verdient, auch einen deutschen Pass zu bekommen. Denn sie sicherten ihre Existenz über ein eigenes Einkommen ab - der Staat müsse sie längst nicht mehr finanziell unterstützen.

Das Kümmern auch in manchen privaten Angelegenheiten ihrer Mitarbeitenden ist für die Geschäftsführung bei SMART TESTSOLUTIONS eine Win-Win-Situation. Weil die nach Deutschland geflüchteten Mitarbeitenden spüren, dass sie auch mit ihren Nöten ernst genommen werden in der Firma, bleiben sie ihrem Arbeitgeber meist über lange Jahre treu. "Wir hatten auch schon den Fall, dass jemand seinen Pass nicht verlängert bekam. Oder seine Aufenthaltsgenehmigung. Der durfte eigentlich ein halbes Jahr dann bei uns nicht arbeiten. Dem haben wir dann sein Gehalt trotzdem weiter gezahlt, weil wir einfach nicht wollten, dass er vom Staat abhängig wird", erzählt Jörg Miller.

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Investieren in ein gutes Miteinander

Dass es besser ist, wenn möglichst viele der geflüchteten Menschen ordentlich bezahlte Arbeit haben, darüber sind sich die Mitarbeitenden der Firma einig. Investieren sollte ein Team auch immer mal wieder in ein gutes Miteinander, sagt Geschäftsführer Wolfgang Neu. Er lud im Dezember alle, also einheimische deutsche und zugewanderte Mitarbeitende zum Besuch in einen Weihnachtszauberwald mit Hotelübernachtung ein. "Das schafft eine tolle Gemeinschaft. Wir entwickeln die Menschen auch weiter. Manche arbeiten mittlerweile im Einkauf, im Bereich der Warenwirtschaft."

Politikerinnen und Politiker, die in Sachen Zuwanderung vor allem ablehnend argumentieren, würde Geschäftsführer Wolfgang Neu gerne mal zu sich in den Betrieb in Stuttgart einladen. Und auch das erzählt er: Auf tausende verteilte Flyer mit Stellenangeboten hätten sich bisher nur wenige deutsche Bewerberinnen und Bewerber gemeldet, die dann auch als zuverlässige Beschäftigte in der Elektronik-Manufaktur dauerhaft gearbeitet hätten.

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