Deutschland rüstet auf

Reserve-Oberst aus BW befürchtet Ernstfall: Russland will NATO testen

Stand
Autor/in
Henning Otte
SWR-Reporter und -Redakteur Henning Otte, SWR Landespolitik

Deutschland rüstet auf, löst dafür die Schuldenbremse. Das ist dringend nötig, sagt der Chef des BW-Reservistenverbands. Putin könnte die NATO wohl in wenigen Jahren herausfordern.

Deutschland muss sich auf den Ernstfall vorbereiten und einen Krieg mit Russland an der Ostflanke der NATO einkalkulieren, sagt Joachim Fallert, Vorsitzender des Reservistenverbands in Baden-Württemberg. Im Falle eines Krieges zwischen Russland und der NATO wäre Fallert einer der Schlüsselakteure der Bundeswehr in Baden-Württemberg. Moskau rüstet ihm zufolge massiv auf, das gehe aus Informationen der westlichen Geheimdienste hervor.

"Das geht nicht alles in die Ukraine, sondern das geht in Depots. Und wenn man Depots füllt, macht man das nicht aus Spaß, sondern die wollen sich in eine Lage versetzen, die NATO zu testen", erklärt der Oberst im SWR-Videopodcast "Zur Sache intensiv". Und weiter: "Die NATO mit Trump lädt fast dazu ein zu testen." So befürchtet Fallert, dass die USA unter Präsident Donald Trump das westliche Militärbündnis verlassen könnten.

Riskiert Russland Krieg mit der NATO? | Zur Sache! intensiv

Oberst: Deutschland könnte sich aus Konflikt nicht heraushalten

Russlands Staatschef Wladimir Putin könne einen kleinen, regional begrenzten Konflikt vom Zaun brechen, mit der Argumentation, dass dort eine "behauptete russische Minderheit" unterdrückt werde. "Und zufällig ist das Land NATO-Land", sagte Fallert mit Blick auf die baltischen Staaten. "Und dann guckt man mal, wie die NATO reagiert. Das ist eine Befürchtung, die halte ich aktuell für gegeben."

Er geht fest davon aus, dass die NATO - und damit auch Deutschland - sich wehren müsste. "Wenn Deutschland als größte Wirtschaftsmacht in Europa sich da raushalten würde (…), dann werden wir wahrscheinlich nicht auf andere vertrauen können, die für uns kämpfen."

Warnung vor russischen Anschlägen auf strategische Ziele

Russland bereite sich auch anderweitig auf einen Krieg mit der NATO vor, vermutet Fallert. Er warnte davor, dass Moskau im Zuge seiner hybriden Kriegsführung gegen den Westen auch vor Sprengstoffanschlägen in Deutschland nicht zurückschrecken könnte. "Wenn Sprengstoff in der Nähe einer NATO-Pipeline gefunden wird, dann muss man sich die Frage stellen, wer den da vergräbt", so der Oberst. Damit spielt er auf den Fund bei Bauarbeiten im November 2023 im pfälzischen Bellheim (Kreis Germersheim) an. Dort ist eines der großen NATO-Tanklager in Deutschland. Die NATO-Pipeline versorgt die Luftwaffenstützpunkte im Westen Deutschlands mit Kraftstoff.

Es sei ausländischer Militärsprengstoff gewesen, der etwas länger als ein Jahr dort vergraben war. Angesichts der strategischen Bedeutung der Pipeline könne so ein Anschlag Deutschland destabilisieren, ist Fallert überzeugt. "Wer den vergraben hat, weiß keiner. Das sieht man dem Sprengstoff nicht an. Aber das sind Dinge, die müssen einen unruhig machen."

Bellheim

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Die Bundeswehr investiert in ein Kerosin-Tanklager im südpfälzischen Bellheim (Kreis Germersheim) mehrere hundert Millionen Euro. Das Lager soll künftig NATO- und Bundeswehrflugzeuge mit Kerosin versorgen.

Fallert: Deutsche Gesellschaft muss sich mit Ernstfall befassen

Deutschland und damit auch Baden-Württemberg wären im Kriegsfall Drehscheibe für Nachschub und Lazarett - das sieht der Operationsplan vor, den die Bundeswehr in Absprache mit der NATO erstellt hat: "Das muss der deutschen Gesellschaft auch klar sein, was es bedeutet, wenn an der Ostflanke der NATO eine kriegerische Auseinandersetzung geschehen würde. Da müssten Truppen in die eine Richtung und Tote und Verletzte in die andere." Darauf bauten die Planungen des Operationsplans auf. "Wobei: Die Planungen gehen immer noch davon aus, wir haben die Amerikaner an unserer Seite. Und die Europäer müssen es schaffen, auch einer großangelegten militärischen Offensive an der Ostflanke der NATO tatsächlich militärisch zu begegnen, um dann Zeit zu gewinnen."

Die US-Truppen müssten zunächst über den Atlantik kommen und dann durch Deutschland durch. "Und zwar an allen Hauptverkehrsachsen, das heißt Wasser, Straße, Luft, Schiene", sagte Fallert. "Dann würde es am Ende auch bedeuten, dass zum Beispiel Tankstellen nur noch Militär betanken, eine Autobahn auf längere Zeit gesperrt wird, weil dann nur noch Militärkonvois laufen." Der Oberst ist überzeugt, dass es die deutsche Gesellschaft in voller Breite treffen würde. Es müsse dafür gesorgt werden, dass das zivile Leben dennoch weitergehe, so Fallert. "Die Ukraine macht uns das seit drei Jahren vor. Auch da muss das Leben ja weitergehen. Die Menschen wollen essen, die müssen versorgt werden." Diese Szenarien sollten seiner Meinung nach geübt werden, auch mit der zivilen Seite.

Oberst: Deutschland unter US-Schutz zu "Wohlfühlparadies" entwickelt

Für den Chef des Reservistenverbands in Baden-Württemberg, mit seinen 11.000 Mitgliedern, ist es "höchste Zeit", dass die angehende Bundesregierung aus Union und SPD die Bundeswehr massiv stärken wolle. Deutschland habe die Warnungen aus den USA nie hören wollen. Schon US-Präsident Barack Obama habe die Europäer zu höheren Wehrausgaben aufgefordert. "Trump sagt es uns jetzt nur völlig brachial." Er könne den Vorwurf aus den USA verstehen. Auch relativ unpolitische Amerikaner sagten: "Ihr habt euren Wohlstand aufgebaut unter unserem Schutz." Die USA hätten noch immer 40.000 Soldaten in Deutschland stationiert. Die Deutschen glaubten, dass die Entsendung von 5.000 Kräften nach Litauen eine "Riesennummer" sei.

Unter dem Schutz der Amerikaner habe man das deutsche Sozialsystem "zu einem Wohlfühlparadies entwickelt", so Fallert. Das sei schön für die Deutschen. "Aber ich kann auch Amerikaner verstehen, die sagen, wir haben das alles nicht. Wir haben keine 30 Tage Urlaub und Krankenversicherung für jeden und so ein Wohlfühlparadies haben wir nicht. Und ihr lebt auf Pump quasi sicherheitstechnisch."

Verteidigungs-Soli für Besserverdienende wäre Option

Fallert ist dafür, nicht nur neue Schulden aufzunehmen, sondern auch Besserverdienende stärker zu belasten. "Einen Verteidigungs-Soli gerne", sagte der Oberst, der im zivilen Leben ein Ingenieurbüro im badischen Bühl führt. Als Besserverdienender habe er "null Probleme damit". Allerdings sei Sicherheit auch etwas, von dem alle profitierten, die jungen Menschen am längsten. "Ich werbe da für einen guten Mittelweg, aber es wird viel, viel Geld kosten."

Oberst verlangt Vollausstattung der Reserve - bisher nur Uniform

Zunächst bräuchten alle Soldatinnen und Soldaten laut Fallert eine Vollausstattung: "Das hat die Reserve nämlich größtenteils nicht. Die hat eine Uniform, und das war's. Kein Gewehr, kein Auto, keine Stube, das müssen wir uns leihen auf Pump, das kann es nicht sein." Um glaubhaft abschrecken zu können, wie zu Zeiten des Kalten Kriegs, müsse die Reserve voll funktionsfähig sein. Leider sei die Bundeswehr wegen der Aussicht auf Frieden in den vergangenen Jahrzehnten heruntergewirtschaftet worden.

Zurzeit leisten laut Bundeswehr etwa 34.000 Reservistinnen und Reservisten Dienst in regelmäßigen Übungen. Der Bedarf liege demnach aber bei rund 60.000. In Friedenszeiten ist der Dienst in der Reserve freiwillig. Im Verteidigungsfall könnten unter Umständen alle eingezogen werden, die einst ihren Dienst in der Bundeswehr geleistet haben. Fallert sieht zudem Bedarf an "viel mehr Munition" und sagt: "Eine Bundeswehr, die ein hochintensives Gefecht in der Landesverteidigung nur drei Tage aufrechterhalten kann, ist natürlich auch nicht glaubhaft."

Fallert ist "absoluter Fan" der Wehrpflicht

Der Oberst fordert die Reaktivierung der Wehrpflicht. "Ich bin ein absoluter Fan der Wehrpflicht, weil ich an mir selber gemerkt habe, wie es mich verändert, im Sinne von: Ich wurde reifer." Jeder müsse sich einbringen in die Gesellschaft, entweder bei der Armee oder im Zivildienst. "Das geht leider nicht mit Freiwilligkeit, also nur in geringem Maße." Es sei ihm unerklärlich, warum die Wehrpflicht so kritisch gesehen werde, wo doch die Vorteile so überwögen. "Und dieser vorgeschobene Freiheitsgedanke, da muss man sich schon echt, finde ich, sehr verbiegen, dass man das als geklautes Jahr sieht."

Auch die Gegenargumente, es fehlten Kasernen, Ausbildende und Kreiswehrersatzämter sowie Ärztinnen und Ärzte überzeugen Fallert nicht: "Als man die Wehrpflicht in Deutschland eingeführt hat, hatte man auch nichts. Man hat einfach angefangen." Den Oberst nervt die Diskussion: "Ich kann es nicht mehr hören." Und: "Ich kann es vor allen Dingen nicht von Aktiven hören, in höchstem Dienst." Klar sei, dass es nicht die alte Wehrpflicht sein dürfe, die sei aus der Zeit gefallen. Natürlich müssten es dann sowohl Männer als auch Frauen sein.

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