Chronischer Stress hemmt die Knochenheilung und die Knochenbildung. Ulmer Wissenschaftler haben den molekularen Mechanismus aufgedeckt, der dafür sorgt, dass massive Stresserfahrungen eine Heilung verzögern. In einer neuen Studie untersuchten sie Mäuse und Patienten, die am Universitätsklinikum Ulm an einer Sprunggelenksfraktur operiert wurden.
Die männlichen Mäuse in der Studie waren gestresst, weil dominante Männchen mit im Käfig saßen. Mit negativen Folgen für ihre gebrochenen Knochen, erklärt der Neurobiologe Stefan Reber: "Gestresste Mäuse hatten kürzere Röhrenknochen. Das heißt, dass das Längenwachstum eingeschränkt und die Frakturheilung ebenfalls negativ beeinträchtigt war. Frakturen heilten langsamer und waren danach instabiler."
Stress verhindert indirekt die Heilung von Brüchen
Die Erkenntnis der Studie: Dauerhafter Stress führt dazu, dass Immunzellen ein bestimmtes Enzym produzieren. Das wiederum bewirkt die Ausschüttung von Stresshormonen. Diese Katecholamine wirken direkt am Knochen. "Sie verhindern, dass sich Knorpelzellen in Knochenzellen umwandeln und die Fraktur ausheilen kann", so Stefan Reber. Er leitet die Sektion für Molekulare Psychosomatik an der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie in Ulm.
Nach 21 Tagen waren Knochenbrüche bei 100 Prozent der nicht gestressten Mäuse geheilt. Bei den gestressten Tieren war das nur bei 75 Prozent der Fall, erklärt Melanie Haffner-Luntzer vom Institut für Unfallchirurgische Forschung. Die Ulmer Studie, bei der auch Patienten mit Sprunggelenksbrüchen untersucht und nach ihren Stresserfahrungen befragt wurden, ist Grundlagenforschung.
Ulmer Studie könnte für Therapien interessant sein
Die Erkenntnisse könnten aber für die Behandlung von gestressten Patienten mit Knochenbrüchen interessant sein, so die Wissenschaftlerin: "Wir haben Mäusen einen Betablocker gespritzt. Das war Propranolol. Das ist ein unspezifischer Betablocker, der auch tatsächlich bei Patienten gegen Bluthochdruckstörungen zum Beispiel eingesetzt wird."
Bei der Maus sei eine einmalige Injektion von diesem Betablocker ausreichend gewesen, um die negativen Effekte des Stresses auf die Knochenheilung zu blocken, so die Wissenschaftlerin. Ob eine Therapie mit Betablockern bei chronisch gestressten Menschen mit Brüchen sinnvoll ist, müssten weitere klinische Studien zeigen.