Die Meldung traf die Belegschaft und den Oberbürgermeister von Schwäbisch Gmünd (Ostalbkreis) am Dienstag offenbar gleichermaßen unvorbereitet: Der Spielfigurenhersteller Schleich verlegt seinen Hauptsitz nach München.
Oberbürgermeister Richard Arnold (CDU) hat deswegen so richtig Puls: "In der Pressemitteilung wird etwas verschwurbelt davon gesprochen, dass der Standort verlegt werden soll nach München", sagt er am Telefon - und schiebt nach: "Nein, das ist eine Schließung des Traditionswerkes Schleich in Schwäbisch Gmünd."
Die bunten Spielzeugfiguren haben seit den 1950er Jahren viele Kinderzimmer erobert - und damit auch die Herzen der Kinder. Umso härter erscheint die jetzt getroffene Entscheidung des Managements. In der Realität gehe es um 241 Arbeitsplätze, sagt Arnold, um 241 Familien.
Mitarbeitende von Schleich "völlig überrascht" und "geschockt"
Die Mitarbeitenden wurden "von dieser Entscheidung völlig überrascht und sind von dieser Entscheidung geschockt", sagt Arnold. Die Frage ist tatsächlich: Wie viele nehmen das Angebot an, eine Stelle im zweieinhalb Stunden entfernten München anzutreten - oder gar in Prag?
Schleich ist in Schwäbisch Gmünd verwurzelt. Friedrich Schleich hat die Firma 1935 gegründet, verkaufte sie schließlich im Jahr 1977. Inzwischen gehört sie mehrheitlich einem schweizerischen Finanzinvestor und ist einer der größten deutschen Spielzeughersteller. Bislang werden dort noch immer Prototypen gefertigt, auch ein Teil des Marketings und des Vertriebs sitzen in der grauen Firmenzentrale im Stadtteil Herlikofen.
Schleich lange auf Erfolgskurs - bis 2023
Von dort aus war der Spielfigurenhersteller mit seinen Tier- und Fantasyfiguren in den letzten Jahren auf Erfolgskurs. Rund 35 Millionen Stück setzte Schleich zuletzt ab, immer mehr gingen im Ausland über die Ladentheke. Mehr als 60 Prozent erwirtschaftete Schleich zuletzt dort.
Im Jahr 2023 gab es nach acht Jahren erstmals einen ordentlichen Dämpfer. Der Umsatz sank um 15 Prozent auf 234 Millionen Euro. Als Gründe nannte das Unternehmen die Inflation, hohe Energiepreise, volle Lager im Handel und die geringe Nachfrage nach Spielwaren. Zum Gewinn äußert sich Schleich nicht.
Selbst der Betriebsrat hat erst am Dienstag von den Plänen erfahren. Weitere Informationen von Seiten der Geschäftsführung habe man bis jetzt nicht, sagte eine Sprecherin dem SWR.
Traditionsunternehmen zieht nach München Spielfigurenhersteller Schleich verlässt Schwäbisch Gmünd
Seit fast 90 Jahren ist der Spielwarenhersteller Schleich in Schwäbisch Gmünd zuhause. Jetzt macht das Unternehmen einen radikalen Schritt und verlegt seinen Hauptsitz nach München.
Im Wirtschaftsministerium habe man erst aus der Presse davon erfahren: "Dieser Schritt ist nach den bisher vorliegenden Informationen nicht nachzuvollziehen." Das Ministerium werde nun schnell versuchen, Kontakt zum Unternehmen herzustellen, um die genauen Gründe zur erfahren.
Neuer Chef beim Schwäbisch Gmünder Traditionsunternehmen
Anfang dieses Jahres kam mit Stefan de Loecker ein neuer Chef, ein gebürtiger Belgier, der zuvor beim Konsumgüterkonzern Beiersdorf tätig war. Er will das Traditionsunternehmen Schleich jetzt umkrempeln. Man wolle "Kernkompetenzen stärken, Funktionen bündeln und die Zusammenarbeit verbessern".
Das allerdings will Oberbürgermeister Arnold nicht einfach hinnehmen. Und - so viel sei gesagt - sein Puls legt sich im Laufe des Telefonats nicht. Er will kämpfen. Wer ihn kennt, der weiß, dass er das ernst meint. Schon als der Autozulieferer Bosch Automotive Steering vor einigen Jahren sein Werk in Schwäbisch Gmünd stutzen wollte, stand Arnold dem Management auf den Füßen.
Spielzeughersteller Schleich: Was steckt hinter Umzugsplänen nach München?
Arnold trägt sein Herz auf der Zunge - und dort sehr weit vorne. Der neue Geschäftsführer sei "kaum hier am Standort", kritisierte er im SWR, und wolle die Firma nun "nach München ins Schickimicki-Milieu" umsiedeln. Den Beteiligten sei ein "Konzept vorgeknallt worden" - mit der Begründung, sie kämen nur aus der Krise, wenn Schwäbisch Gmünd dichtgemacht werde.
Der Oberbürgermeister will jetzt mit der Belegschaft sprechen und gemeinsam mit Gewerkschaft und Betriebsrat ein Gegenkonzept entwickeln. Schwäbisch Gmünd trägt das Einhorn im Wappen, das stehe für Fantasie.
Unklar bleibt: Was will das Unternehmen mit dem Schritt wirklich erreichen? In München "bessere Mitarbeiter" finden, wie Arnold es formuliert. Oder Arbeitsplätze abbauen, wie die Gewerkschaft vermutet. Diese Vorstellungen treiben Arnolds Puls nur noch weiter nach oben: "So leicht geben wir uns nicht geschlagen."