Im Prozess um ein mutmaßliches "Reichsbürger"-Netzwerk am Oberlandesgericht Stuttgart hat am Mittwoch ein SEK-Beamter als Zeuge ausgesagt. Er wurde bei einer Wohnungsdurchsuchung beim Angeklagten Markus L. durch einen Schusswechsel am Arm schwer verletzt. Um seine Identität zu schützen, wurde er als Zeuge per Videotelefonie zugeschaltet. Sein Gesicht war nur wie durch gebrochenes Glas zu sehen, seine Stimme wurde verfremdet.
SEK-Beamter: Eindrücke vom Schusswechsel
Im März 2023 wollte die Polizei die Wohnung von Markus L. in Reutlingen durchsuchen. SEK-Beamten sprengten seine Wohnungstür auf, danach fielen Schüsse. Der SEK-Beamte, der im Prozess anonymisiert als "Nr. 6" bezeichnet wird, wurde dabei am Ellenbogen getroffen und schwer verletzt. Markus L. ist deshalb auch wegen versuchten Mordes angeklagt.
Der Zeuge berichtete, dass, nachdem sein Kollege das Feuer eröffnet hatte, aus der Wohnung auf sein Schutzschild geschossen wurde. Dabei wurde er am rechten Arm getroffen, der Knochen wurde dadurch zertrümmert.
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Am Mittwoch hat es weitere Durchsuchungen im Landkreis Calw in der "Reichsbürger"-Szene gegeben. Beamte waren in einem Waldgebiet bei Bad Teinach-Zavelstein im Einsatz.
Notoperation nach dem Einsatz in Reutlingen
Auf Einsatzvideos, die im Gerichtssaal gezeigt wurden, war zu hören, wie er schreit: "Ich bin getroffen." Er habe sich zurückgezogen, wurde dann von Sanitätern behandelt und ins Krankenhaus gebracht. Dort wurde er notoperiert.
Auch hierzu wurden Bilder vom Beamten "Nr. 6" im Gericht gezeigt. Sie wurden von der Spurensicherung nach der Operation im Krankenhaus gemacht. Der rechte Arm des Angeklagten musste nach der OP mit Schrauben fixiert werden, später trug er einen Gips, war etwa ein halbes Jahr lang krankgeschrieben.
Polizist spürt heute noch die Folgen
Seit dem Einsatz in Reutlingen kann der Beamte nicht mehr seinem früheren Beruf nachgehen. "Als SEK-Beamter werde ich definitiv nicht mehr arbeiten können. Das ist ausgeschlossen", sagte er. Vielen seiner Hobbys - zum Beispiel Sporttreiben - könne er nicht mehr nachgehen.
Da ihm Teile des Knochens fehlen, könne er am ausgestreckten Arm maximal noch ein volles Wasserglas hochhalten. Eine Rechtsmedizinerin sagte vor Gericht: Konkrete Lebensgefahr hätte nicht bestanden, es sei aber großes Glück gewesen, dass die Schlagader nicht verletzt wurde.
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Recherche zu Telegram-Gruppen
Auch ein Kriminalkommissar des Bundeskriminalamts hat am Mittwoch im Oberlandesgericht Stuttgart-Stammheim als Zeuge ausgesagt. Er hat Internetrecherchen zu Markus L.s Handynummern gemacht. Dabei ist er auf Telegram-Kanäle gestoßen, in denen der Angeklagte möglicherweise Mitglied war. Nach Einschätzung des Kriminalkommissars handelte es sich bei manchen der Kanäle um Plattformen, in denen es um vermeintliche Verschwörungstheorien, die Corona-Pandemie und Impfungen ging. Einige der Gruppen gebe es inzwischen nicht mehr.
Der Prozess am Oberlandesgericht wird noch viele Monate bis Jahre weitergehen. Der Fall des Reutlingers Markus L. wird noch mehrere Wochen Thema sein. Unter anderem soll noch ein Bruder des Angeklagten als Zeuge aussagen.