Der Traum von glanzvollen Spielen

World Games als Zerreißprobe - Karlsruhe zwischen Finanzkrise und Großprojekten

Stand
Autor/in
Rebekka Plies
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Mathias Zurawski
Mathias Zurawski

Die World Games sollen 2029 in Karlsruhe stattfinden. Angesichts der Finanzkrise und steigender Kosten stehen die Stadträte vor einer weiteren Entscheidung massiv unter Druck.

Im April 2024 hatte sich der Karlsruher Gemeinderat mit großer Mehrheit für die World Games 2029 ausgesprochen. In der Zwischenzeit sind die geschätzten Gesamtkosten um rund 20 Prozent gestiegen. Die Finanzierung bleibt weiter unklar. Die Stadträte müssen am Dienstag erneut über die Ausrichtung entscheiden. Eine richtungweisende Abstimmung angesichts der sich deutlich zuspitzenden Finanzkrise der Stadt. Bei den Grünen, der größten Fraktion im Gemeinderat, ist die Mehrheit für die World Games in Gefahr.

Ausrichtung der World Games 2029 in Karlsruhe - darum geht es:

Finanzierung der World Games 2029 in Karlsruhe weiter nicht gesichert

Die Finanzierung der World Games 2029 ist auch ein Jahr nach der Vergabe an Karlsruhe nicht gesichert. 5.000 Sportlerinnen und Sportler sowie Hunderttausende Zuschauer werden zu den Spielen in vier Jahren erwartet. Karlsruhe wäre das zweite Mal nach 1989 Ausrichter der drittgrößten Sportveranstaltung der Welt.

Nach einer von Bund und Land geforderten Prüfung liegt der Kostenrahmen inzwischen bei rund 120 Millionen Euro. Vor einem Jahr war noch von knapp 100 Millionen die Rede. Auch der Eigenanteil der finanziell stark angeschlagenen Stadt Karlsruhe hat sich laut den vorliegenden Zahlen auf mindestens 22,6 Millionen Euro mehr als verdoppelt. Die Stadt setzt bei der Finanzplanung weiter auf Millionenzuschüsse von Bund und Land, die noch nicht bewilligt sind. Bislang gibt es lediglich die Zusage des Landes Baden-Württemberg, 33 Millionen beisteuern zu wollen, wenn der Bund ebenfalls zusagt. Von der Bundesregierung erhofft sich Karlsruhe einen Zuschuss von 55 Millionen Euro.

Karlsruhe

Prüfung der DOSB-Ethikkommission Abschlussbericht: Vergabe der World Games nach Karlsruhe war "unfair"

Die Vergabe der World Games 2029 nach Karlsruhe steht massiv in der Kritik. Die DOSB-Ethikkommission bestätigt Vorwürfe und bescheinigt ein unfaires Verfahren. Die Finanzierung bleibt unklar.

Die Bildung einer neuen Regierung in Berlin steht derweil noch am Anfang. An Haushaltsverhandlungen ist noch lange nicht zu denken. Mit einer Entscheidung über Zuschüsse für die World Games in Karlsruhe ist dementsprechend frühestens im Herbst zu rechnen. Die Finanzierung hängt bis dahin in der Luft. Ob der Zuschuss des Bundes überhaupt in der gewünschten Höhe von 55 Millionen Euro kommt, bleibt offen. Auch ein niedrigerer Zuschuss aus Berlin wäre denkbar, die Differenz müsste die Stadt tragen.

Bis zu einer Bewilligung von Bundes- sowie Landesmitteln, die u. a. eine gesicherte Gesamtfinanzierung voraussetzt, liegt das Finanzierungsrisiko alleine bei der Stadt Karlsruhe.

Das Dilemma: Bereits im August soll Karlsruhe den Staffelstab vom chinesischen Chengdu für die nächsten World Games übernehmen - ohne gesicherte Finanzierung für 2029. Ein Ausstieg ohne massiven Gesichtsverlust ist danach nur noch schwer vorstellbar.

Ausrichtergebühr für World Games 2029 in Karlsruhe wirft Fragen auf

Für den Kostenrahmen von 120 Millionen Euro sorgt unter anderem eine Ausrichtergebühr von 20 Millionen Schweizer Franken (laut Stadt 21,3 Millionen Euro, Stand Oktober 2024), die an den Weltverband gezahlt werden muss. So heißt es in der Beschlussvorlage für den Gemeinderat. Der Weltverband International World Games Association (IWGA) mit Sitz in Lausanne will sich gegenüber dem SWR dazu nicht genauer äußern.

Die Quelle dieser Zahl ist der IWGA nicht bekannt. Das Budget für die TWG [The World Games] 2029 ist Teil der laufenden Verhandlungen, zu denen wir uns nicht im Detail äußern.

Laut Stadt soll diese Gebühr ebenfalls von Land und Bund mitfinanziert werden. Was die Stadt Karlsruhe vom Weltverband für diese Summe bekommt, bleibt bislang unklar.

Die World Games werden in Deutschland als Blaupause für eine mögliche Bewerbung für Olympische Spiele gehandelt. Dadurch wächst der Erfolgsdruck. Laut Stadtverwaltung Karlsruhe soll Deutschland international als professioneller und zuverlässiger Ausrichter präsentiert werden.

Die Öffentlichkeit bleibt bislang weitgehend außen vor. Erst nach der Flaggenübernahme in Chengdu wolle man mit einem Marketingkonzept an die Öffentlichkeit gehen, um die Akzeptanz bei den Karlsruher Bürgerinnen und Bürgern zu steigern, so die Stadt.

Haushaltssperre und Doppelhaushalt 2026/27: Handlungsspielraum immer enger

Die erneute Diskussion über die Finanzierung der World Games kommt zu einer Zeit, in der die Stadt in einer historischen Haushaltskrise steckt. Seit Februar gilt in Karlsruhe eine Haushaltssperre. Das Minus für das laufende Jahr war um über 50 Millionen Euro gewachsen. Die verschiedenen Dezernate der Stadt müssen zügig Sparlisten erstellen. Die Sperre soll zunächst bis Mai gelten. Gleichzeitig ringt die Stadtverwaltung um die Aufstellung des Doppelhaushalts 2026/27.

Karlsruhe

Debatte ohne Emotionen 50 Millionen-Euro-Loch - Gemeinderat Karlsruhe beschließt Haushaltssperre

Die Stadt Karlsruhe steckt seit Jahren in einer finanziellen Krise. Jetzt haben die Stadträte im Gemeinderat die angekündigte Haushaltssperre beschlossen und mögliche Konsequenzen angedeutet.

Wenige Tage vor der Gemeinderatssitzung hat die Stadt offengelegt, dass sie bereits im vergangenen Jahr außerplanmäßig über 380.000 Euro für die World Games aufwenden musste. Bei einer Zustimmung des Gemeinderats zu den World Games würden in diesem Jahr außerplanmäßig zusätzlich 850.000 Euro fällig. Egal, ob die Veranstaltung letztendlich durchgeführt wird oder nicht. Und auch darüber hinaus sind die finanziellen Risiken für die Stadt enorm.

Sollten die Kosten, die zur Erfüllung dieser Verpflichtung entstehen, gleichgültig aus welchem Grund, höher sein als budgetiert, trägt die Stadt dieses Risiko alleine.

Bereits im Februar kündigte Finanzbürgermeisterin Gabriele Luczak-Schwarz (CDU) harte Einschnitte in Zusammenhang mit der Aufstellung des Doppelhaushalts an. Auf SWR-Anfrage bleibt die Stadtverwaltung bislang allerdings vage. Es werde mit deutlich höheren Kosten als bislang in den Bereichen Soziales und Jugend, Mobilität und Personal gerechnet.

Hinzu erwartet die Stadt Karlsruhe Einbußen bei den Steuererträgen bzw. den Finanzausgleichbeiträgen. Insoweit ist absehbar, dass der Finanzspielraum geringer ausfallen wird als in den vergangenen Haushaltsberatungen.

Die Stadträtinnen und Stadträte haben demzufolge zum Zeitpunkt der Entscheidung über die World Games keine genaue Kenntnis über die sich zuspitzenden finanziellen Rahmenbedingungen für die kommenden Jahre. Dabei müssen sie über ein weiteres Multimillionen-Projekt mit hohen Risiken und ungesicherter Finanzierung entscheiden.

Wacklige Mehrheitsentscheidung für die World Games mit unabsehbarem Risiko?

Im April 2024 hatten sich sechs von insgesamt 48 Stadträtinnen und Stadträte gegen die Ausrichtung der World Games in Karlsruhe ausgesprochen. Darunter vier Grüne. Ein Jahr später könnten es in deren Fraktion deutlich mehr werden. Die Grünen sind mit 12 Stadträtinnen und Stadträten die größte Fraktion im Karlsruher Gemeinderat.

Aljoscha Löffler, einer der Fraktionsvorsitzenden, sagte im SWR-Gespräch, man werde bis zum letzten Moment über die Entscheidung diskutieren. Außerdem habe man die Stadt aufgefordert, weitere Finanzierungsfragen vor der Sitzung zu beantworten. Wie die Grünen am Dienstag entscheiden werden, sei zum jetzigen Zeitpunkt vollkommen offen, auch eine mehrheitliche Absage sei denkbar.

Neben der SPD gilt auch die CDU bislang als große Befürworterin der World Games. Die Fraktionen verwiesen immer wieder auf die zu erwartende Strahlkraft über die Stadtgrenzen hinaus. Die Stadt und die Region könnten langfristig profitieren. Trotzdem wird auch bei den glühenden Verfechtern der World Games deutlich mehr diskutiert als vor einem Jahr. Man müsse genauer auf die Ausgaben und auf die Risiken schauen, heißt es aus der CDU-Fraktion.

Karlsruher Stadträte hadern vor der Entscheidung im Gemeinderat

Auch aus anderen Gemeinderatsfraktionen ist vor der Entscheidung zu hören, dass lange nicht mehr so intensiv über ein Thema diskutiert worden sei.

Friedemann Kalmbach von der Fraktion FÜR Karlsruhe schlägt vor, die World Games teilweise über die geplante neue "City-Tax" für Touristen zu finanzieren. Kalmbach kritisiert die intransparente Politik hinsichtlich der Vergabe und der weiteren Verhandlungen, will aber erneut für die World Games stimmen.

Die Stadt muss Ross und Reiter nennen.

Von Anfang an gegen die Spiele war Petra Lorenz von den Freien Wählern (FW). Auch ein Jahr später bekräftigt sie ihre Kritik. Es werde nicht bei diesem Stand der Kosten bleiben, sagte Lorenz dem SWR. Sie rechne mit mindestens 150 Millionen Euro Gesamtkosten und einer entsprechend höheren Eigenbeteiligung der Stadt.

Es ist ein Drama!

Angesichts der desaströsen Finanzsituation der Stadt könne man sich nicht für die Ausrichtung entscheiden, wenn in anderen Bereichen wie Schulen ein massiver Sanierungsstau herrsche, so Lorenz. Sie werde bei ihrer Entscheidung bleiben und gegen die World Games stimmen.

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