SWR2 Wissen

Menstruation – Blut, Schmerzen und Tabus

Stand
Autor/in
Vera Pache
Vera Pache
Onlinefassung
Justina Bretzel
Candy Sauer

Die Monatsblutung betrifft rund die Hälfte der Gesellschaft. Dennoch scheint die Menstruation schambehaftet. Ein Stigma mit Folgen. Deshalb fordern immer mehr: Schluss mit der Perioden-Scham!

Angst vor Blutflecken, Versteckspiel um Tampons – warum das alles?

Die erste Periode bleibt vermutlich vielen Menstruierenden in Erinnerung. Irgendwann zwischen neun und sechzehn Jahren setzt sie ein – oft vollkommen unerwartet. Dann sorgt die Monatsblutung für Überforderung und Schamgefühle. Dabei ist die Menstruation etwas ganz Natürliches und nichts, was einem peinlich sein sollte. Dennoch scheint das Thema Regelblutung für viele nach wie vor mit Ekel verbunden. Etwas, das es unbedingt zu verstecken gilt.

Warum ist die Periode ein Tabuthema?

Diese Frage stellte sich auch die Autorin und Menstruations-Aktivistin Franka Frei. Auf der Suche nach einem Thema für ihre Bachelor-Arbeit stieß sie auf einen Text über den gesellschaftlichen Umgang mit der Menstruation. Dabei bemerkte Frei selbst eigene Vorbehalte und fragte sich: warum eigentlich?

Franka Frei muss einige Hürden überwinden, um ihre Arbeit über das Menstruations-Tabu schreiben zu können. Sie wundert sich: Fangen damit nicht schon die Probleme an, dass Menstruation bis heute ein in der Forschung vernachlässigtes Thema ist? In einem langen Facebook-Post teilt sie 2018 ihre Erfahrungen. Und schreibt auch über das Stigma der Monatsblutung. Dieser Post bekommt innerhalb kurzer Zeit so viel Aufmerksamkeit, dass Frei sogar ein Buch zu Menstruation schreibt.

"Finally, ich habe meine Bachelor-Arbeit zum Thema "Tabu und Menstruation" erfolgreich verteidigt. Nachdem mir die offensichtlich eher konservativ eingestellte Koordinatorin meiner Hochschule davon abgeraten hatte, über solch abstruse Widerlichkeiten wie die Periode zu schreiben, (…) mussten nun alle Beteiligten feststellen, dass die fehlende Kommunikation über das Thema Negativ-Folgen für Umwelt, Wirtschaft und die finanzielle und soziale Geschlechtergleichstellung hat."

Forschung zu Zyklusgesundheit bleibt lückenhaft

Ein Tabu nicht ohne Folgen. Denn obwohl die Hälfte der Gesellschaft betroffen ist, wird selten öffentlich darüber gesprochen. Daher besteht für die Autorin Franka Frei ein Zusammenhang zwischen dem Tabu und der Tatsache, dass bestimmte Krankheiten nicht ausreichend erforscht sind. So wie PMDS und Endometriose. Durch eine Enttabuisierung der Menstruation und allem, was mit dem Zyklus in Zusammenhang steht, könne sich das aber ändern.

So sieht es auch Patrick Diel. Der Professor für molekulare und zelluläre Sportmedizin an der Deutschen Sporthochschule in Köln beschäftigt sich mit der Wirkung von Sexualhormonen auf die Leistungsfähigkeit. Zum Beispiel, ob man das Training dem individuellen Zyklus anpassen sollte. Laut Diel besteht hier noch großer Forschungsbedarf.

Allerdings vernachlässigen die meisten Studien eben diese zyklusbedingten Effekte, häufig aus Zeit- und Kostengründen. Die Menstruation als statistischer Störfaktor sozusagen. Deshalb waren Männer lange die bevorzugten Versuchspersonen. Dass man die Ergebnisse der männlichen Probanden aber nicht einfach auf Frauen übertragen kann, scheint in der Forschung zunehmend anzukommen, so Diel:

"Es gibt bestimmte Themen, die auch deswegen so unterforscht sind, weil man sich früher damit nicht beschäftigen wollte. Dazu gehört dieses Thema der Menstruation, das immer noch tabuisiert ist in vielen Gesellschaftsformen. Es geht über alle Kulturkreise hinweg, dass Frauen in dieser Phase stigmatisiert werden, dass sie als unrein betrachtet werden, ausgeschlossen werden."

Tampons, Binden, Menstruationstassen: Soll Monatshygiene kostenlos sein?

Allerdings scheint sich etwas im Umgang mit der Menstruation zu tun. Auch Franka Frei nimmt gesellschaftliche Veränderungen wahr. Zum Beispiel hat die Bundesregierung den Steuersatz auf Menstruationsprodukte zum 1. Januar 2020 gesenkt.

"Von 19 Prozent auf 7 Prozent. Davor waren Tampons, Binden, Menstruationstassen höher versteuert als Lachskaviar und Schnittblumen."

Dennoch bedeutet der Kauf der Hygieneartikel für viele nach wie vor eine erhebliche finanzielle Belastung. Menstruationsprodukte sind unerlässliche Hygieneartikel und kein Luxus, auf den man einfach so verzichten kann. Deshalb wird die Forderung lauter, sie für alle kostenlos bereitzustellen.

Schottland hat hierbei Initiative gezeigt. Seit 2020 sind kostenlose Tampons und Binden auf öffentlichen Toiletten Standard. Und auch in Deutschland stellen inzwischen etliche Hochschulen Periodenprodukte zur Verfügung.

Ob arm oder reich, darauf nimmt die Monatsblutung keine Rücksicht. Wer sich eine gerechte Gesellschaft wünscht, muss auch auf die Periode schauen – ganz ohne Scham oder Tabu. Denn wenn öffentlich mehr darüber diskutiert wird, dann kann sich etwas ändern und die Menstruation sein, was sie ist: etwas vollkommen Natürliches.

SWR 2022

Menstruation

Gesundheit Blei, Arsen, Cadmium: 16 Schwermetalle in Tampons nachgewiesen

US-Forscherinnen haben Schwermetalle in allen gängigen Tampons gefunden. Noch ist unklar, wie sich die Giftstoffe in den Tampons auf den Körper auswirken. Die Haut der Vagina kann Chemikalien leicht aufnehmen. Deutsche Institute sehen keine Gesundheitsgefahr.

Impuls SWR Kultur

Gesundheit PMS und PMDS – Welche Menstruationsbeschwerden gibt es?

Unterleibsschmerzen, Stimmungsschwankungen, unreine Haut - viele Menstruierende klagen über zyklusbedingte Symptome. Gehören die zwangsläufig zur Periode dazu? Was steckt wirklich hinter PMS und PMDS?

Endometriose

Gynäkologie Mögliche Ursache für Endometriose: Bakterien könnten Auslöser sein

2022 erhielt eine aus 100 Mädchen und Frauen in Deutschland die Diagnose Endometriose. Forschende haben Hinweise auf bestimmte Bakterien als mögliche Ursache von Endometriose gefunden.

Blut

Medizin Blut – Lebensspender, Abwehrkraft und Jungbrunnen

Eine Blutspende kann Leben retten. Aber nur, weil die meisten seiner Bestandteile seit gut 100 Jahren konserviert werden können. Viele Kulturen geben ihm eine symbolische Bedeutung.

Das Wissen SWR Kultur

Gynäkologie

Gynäkologie Warum wir mehr über Brüste, Vulva und Sex sprechen müssen

Vulva, Penis und Brüste – darüber wissen viele von uns viel zu wenig, weil wir nur selten darüber sprechen. Wissen ist aber wichtig, nicht nur für eine bessere Gesundheit von Frauen und Männern – sondern auch für guten Sex in der Partnerschaft.
Jochen Steiner im Gespräch mit der Gynäkologin Prof. Mandy Mangler.

Impuls SWR Kultur

Medizin Endometriose: Neue Studie der Uni Tübingen soll offene Fragen klären

Endometriose ist eine chronisch-entzündliche, gynäkologische Krankheit mit starken Beschwerden wie heftigen Unterleibsschmerzen. Geschätzt ist jede sechste Frau davon betroffen und doch gibt es viele offene Fragen zur Krankheit. Ein neues Forschungsprojekt an der Uni Tübingen soll jetzt helfen.
Christine Langer im Gespräch mit Nina Kunze, SWR-Wissenschaft

Impuls SWR Kultur

Gendermedizin: aktuelle Beiträge

Medizin Warum Frauen seltener Schmerzmittel bekommen als Männer

Frauen leiden häufiger an Schmerzen und haben eine höhere Schmerzintensität als Männer. Doch die Schmerzbehandlung von Frauen und Männern verläuft oft unterschiedlich, Grund dafür: der sogenannte „sex bias“, wie eine aktuelle Studie zeigt.
Martin Gramlich im Gespräch mit Prof. Esther Pogatzki-Zahn, Leiterin Schmerzdienst Universitätsklinikum Münster

Impuls SWR Kultur

Gesundheit Schon recht wenig Sport nutzt Frauen eher als Männern

Laut einer Langzeitstudie aus den USA und China profitieren Frauen von Bewegung und Sport mehr und früher als Männer: Demnach stärken Männer ihre Gesundheit maximal, wenn sie sich rund 300 Minuten pro Woche bewegen. Frauen brauchen für den gleichen gesundheitlichen Benefit nur 140 Minuten.

SWR2 Impuls SWR2

Lebenswege

Stand
Autor/in
Vera Pache
Vera Pache
Onlinefassung
Justina Bretzel
Candy Sauer