Zwischen dem Auftreten der ersten Symptome und der Diagnose vergehen oft viele Jahre. Das ist einfach eine zu lange Zeit. Deshalb ist Aufklärung wichtig. Wie wird die Krankheit diagnostiziert? Und wie sieht die Therapie aus? Ralf Caspary im Gespräch mit Dr. med. Juliane Grimm, Sprecherin des Endometriosezentrums an der Uniklinik Freiburg.
SWR2 Impuls: Warum dauert es oft so lange, bis eine endgültige Diagnose vorliegt?
Juliane Grimm: Das hat mehrere Aspekte. Ich glaube, das wird sich in den nächsten Jahren wesentlich verkürzen, weil heutzutage die Aufklärung für Endometriose schon eine ganz andere ist. Vor einigen Jahren war das Thema noch gar nicht so präsent, das heißt, selbst für die Patientinnen nicht und auch für die behandelnden Ärzte und Ärztinnen nicht.
Man hat es viel als „normal“ hingenommen, dass die Periodenblutung einfach wehtut. Heute ist da bereits viel mehr Aufklärung erfolgt. Nicht, dass nicht noch mehr Aufklärung erfolgen müsste. Aber ich glaube, im Bewusstsein aller Patientinnen, Ärztinnen und Ärzte ist das viel mehr im Kopf.
Ist das ein Fortschritt der letzten zehn, 20 Jahre?
Ja, ich würde eher sagen, der letzten fünf Jahre.
Das ist aber immerhin schon ein Erfolg. Woran liegt das? Hat man einfach mehr Forschungsergebnisse? Weiß man mehr? Sind die Ärzte sensibler?
Ja, es sind einfach mehr Informationen über Endometriose vorhanden, vor allem auch im Internet. Da informieren sich viele Patientinnen selbst auch erst mal. Und es hat natürlich dann dadurch viel Aufklärung stattgefunden. Und wie gesagt, es ist einfach dadurch im Bewusstsein, dass viel mehr in der Presse steht in den letzten Jahren und es ja auch prominente Beispiele gibt, die dann in der Presse ihr Leiden schildern.
Was sind die wichtigsten Symptome bei der Endometriose?
Ich würde mich jetzt wirklich auf die wichtigsten Symptome fokussieren. Es kann diverse Beschwerden machen und heißt nicht umsonst das „Chamäleon der Frauenheilkunde“. Aber die wichtigsten Symptome, wo man wirklich auch stutzig werden sollte, sind Schmerzen bei der Menstruationsblutung. Schmerz sollte man da nicht haben.
Auch Schmerzen beim Geschlechtsverkehr, so zum Teil, dass auch ein Abbruch des Verkehrs notwendig ist. Schmerzen beim Stuhlgang oder Wasserlassen, hauptsächlich während der Periode. Oder der sogenannte Mittelschmerz, Schmerzen beim Eisprung. Sehr selten, aber was auch ein wichtiges Symptom ist, sind Blutungen während der Periode, beim Wasserlassen oder beim Stuhlgang. Und nicht zuletzt leider auch eins der Symptome: die Sterilität, die ungewollte Kinderlosigkeit.
Aber das Schmerzphänomen ist schon dominierend?
Ja.
Was kann man gegen diese Endometriose machen, wenn sie mal sicher diagnostiziert ist? Muss man dieses Gewebe, was da wächst, herausnehmen oder was passiert?
Also man kann zwei Dinge tun. Man kann konservativ behandeln, das heißt mittels Medikamenten, in dem Fall eben, weil es eine hormonabhängige Erkrankung ist, eben mit Hormonen, das heißt mit einer Antibabypille oder mit reinen Gelbkörperhormonen. Oder das zweite ist der operative Ansatz, indem man eben per Bauchspiegelung alle Herde der Endometriose entfernt, um so eine Patientin hoffentlich schmerzfrei zu bekommen.
Wann ist welches Mittel das Mittel der Wahl? Oder welche Therapie?
Das wird ganz individuell auf jede Patientin zugeschnitten. Wenn eine Patientin, die 15 Jahre alt ist, noch nie eine Pille genommen hat, ist man mit einer OP eher zurückhaltend und versucht erst mal einen konservativen Therapieversuch.
Bei einer Patientin, die einen unerfüllten Kinderwunsch hatte oder hat, da sollte man auf jeden Fall die Bauchspiegelung favorisieren, weil nach einer Operation die Chancen für eine Fertilität deutlich erhöht sind.
Und diese Operation hat dann keine negativen Folgewirkungen, wenn das mal alles ausgeheilt ist?
Wie bei allen Verletzungen oder allen Operationen, kann es auch mal zu Vernarbungen im Körper kommen, das gibt es schon auch. Aber wenn die Herde weg sind, sollte die Patientin schmerzfrei sein.
Gibt es Faktoren, die diese Erkrankung begünstigen?
Ja, man sagt, ein frühes Einsetzen der Periodenblutung und ein spätes Aufhören, das heißt ein später Eintritt in die Menopause, sprich ein langer Zeitraum, in dem eine Frau ihre Periode oder Zyklen hatte, das ist einmal ein Risikofaktor, auch gewisse Vor-Operationen.
Man hat auch so ein bisschen eine positive Familienanamnese bei Familienangehörigen ersten Grades, also wirklich Mütter, Geschwister, jetzt nicht Großtante oder so. Man hat aber noch kein Gen gefunden, auf dem man jetzt die Endometriose findet, das nicht. Und es ist stressassoziiert.
Stress bedingt den Ausbruch dieser Krankheit?
Kann es, genau, weil das einfach zum körperlichen Stress führt, es führt auch zum oxidativen Zellstress, sage ich mal, und das kann alles auch eine Endometriose begünstigen.
Kann man auf irgendeine Weise vorbeugend tätig werden?
Leider nicht. Vielleicht irgendwann, wenn wir definitiv wissen, wie eine Endometriose denn entsteht.
Wenn eine junge Frau diese Symptome hat, oder auch eine etwas ältere. Sollte sie sofort zum Arzt gehen und die Diagnose wird dann relativ sicher gestellt?
Genau, also wenn eine Patientin eines dieser Symptome hat, dann sollte sie einen Arzt oder eine Ärztin aufsuchen. Jetzt ist es nicht so einfach, die Endometriose zu diagnostizieren. Im Ultraschall oder Kernspintomografie ist das nicht bei allen Endometriose-Arten möglich. Deswegen ist da der Goldstandard leider weiterhin die Bauchspiegelung. Das heißt eine Operation.