Hyperaktiv und unaufmerksam – die Hauptmerkmale von ADHS
ADHS steht für Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitäts-Syndrom. Ungefähr fünf Prozent aller Kinder leiden darunter, wobei deutlich mehr Jungen als Mädchen davon betroffen zu sein scheinen.
Zu den typischen Symptomen bei ADHS zählen:
- Unaufmerksamkeit
- Konzentrationsschwierigkeiten
- Impulsivität
- starker Bewegungsdrang (Hyperaktivität)
Bei vielen Betroffenen bleibt ADHS auch im Erwachsenenalter bestehen
Lange Zeit dachte man, dass sich die Störung mit der Pubertät auswächst. Doch über die Hälfte aller Betroffenen weisen auch als Erwachsene noch ADHS-Symptome auf.
Zwar sind Erwachsene mit ADHS nicht mehr so hyperaktiv wie in der Kindheit, die Unaufmerksamkeit und die starke Impulsivität bleiben jedoch oft. Das beschreibt Alexandra Philipsen. Die Direktorin der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Universitätsklinikum Bonn forscht zur ADHS bei Erwachsenen.
Störung sorgt für Schwierigkeiten im Berufs- und Privatleben
Mit einer ADHS können alltägliche Aufgaben zur Herausforderung werden: Viele Betroffene berichten zum Beispiel, dass sie Deadlines nur schwer einhalten können oder Probleme haben, in der Wohnung für Ordnung zu sorgen.
Das alles kann eine massive Belastung für Partnerschaft und Berufsalltag darstellen. Deshalb geht ADHS häufig einher mit weiteren psychischen Problemen. Als typische Komorbiditäten zählt Alexandra Philipsen auf:
- Depression
- Suchterkrankungen oder
- Persönlichkeitsstörungen
ADHS-Diagnose verschafft Erwachsenen oft Erleichterung
Da ADHS erst seit den 1990er-Jahren bekannt ist, erhalten viele Betroffene die Diagnose sehr spät, teilweise erst im mittleren bis hohen Erwachsenenalter. Dann sorgt diese aber oftmals für Erleichterung: Betroffene verstehen plötzlich, warum ihnen alltägliche Aufgaben schwerer fallen als anderen.
In vielen Fällen bleibt das Syndrom jedoch unerkannt, insbesondere bei Frauen. Weil Mädchen mit ADHS eher nach innen gerichtet und verträumter sind, fallen sie in Diagnose-Verfahren schnell durchs Raster. Im Erwachsenenalter denkt dann kaum jemand mehr an eine mögliche ADHS.
Dieses Problem erklärt auch Magdalena Bossert. Sie ist Psychotherapeutin und stellvertretende Leiterin der Klinischen Psychologie und Neuropsychologie am Klinikum Karlsbad-Langensteinbach bei Karlsruhe:
Reizüberflutung bedeutet Dauerbelastung für das Gehirn
Die genauen Ursachen für ADHS sind zwar noch unklar, eines ist aber mittlerweile sicher: Betroffene verarbeiten Sinneseindrücke anders. Bei ihnen liegt eine gestörte Ausschüttung des Hormons Dopamin vor, weswegen bestimmte Hirnareale dauerhaft aktiviert sind, während andere nicht richtig hochfahren.
Die Folge: Das Gehirn kann unwichtige Reize nicht unterdrücken und sich auf bestimmte Dinge nicht konzentrieren.
Psychotherapie und körperliche Bewegung ergänzen medikamentöse Behandlung
Nach der Diagnose stellt sich für viele die Frage nach Behandlungsmöglichkeiten. Zwar können Psychopharmaka helfen, den Dopaminhaushalt im Gehirn auszugleichen, allerdings reichen Medikamente allein oft nicht aus, betont die Psychotherapeutin Magdalena Bossert.
Ihr zufolge ist es genauso wichtig, dass Patientinnen und Patienten lernen, wie sie Herausforderungen im Alltag selbstständig meistern können. Beispielsweise im Rahmen einer kognitiven Verhaltenstherapie oder in Selbsthilfegruppen für betroffene Erwachsene und Eltern.
Außerdem kann Sport gut tun: Körperliche Bewegung baut Hyperaktivität ab und hilft, das Konzentrationsvermögen zu steigern.
Neubewertung von ADHS: eher eine Form von Neurodiversität als ein Defizit?
Zwar gilt ADHS als krankhafte Störung, doch beginnt man allmählich, deren Eigenschaften in ein anderes Licht zu rücken.
Zurecht, findet auch Magdalena Bossert. Für sie geht ADHS nicht nur mit Schwierigkeiten einher. So sind Menschen mit ADHS oft sehr kreativ und experimentierfreudig. Außerdem haben viele die Fähigkeit zur Hyper-Fokussierung, d.h. sie können sich auf bestimmte Tätigkeiten, die ihnen Freude bereiten, überdurchschnittlich lang konzentrieren.
Zusammen mit bestehenden Behandlungsmöglichkeiten könnte auch diese Neubewertung des Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitäts-Syndroms dazu beitragen, ein Leben mit der Diagnose ADHS bestmöglich zu gestalten.