Mehr als 800 Reden hat Adolf Hitler zwischen 1933 und 1945 gehalten, untersucht wurden sie bislang kaum. Dabei könnten sie uns zeigen, wie Sprache in Diktaturen funktioniert, sagt Henning Lobin vom Institut für deutsche Sprache Mannheim.
Originalreden und gedruckte Fassungen unterscheiden sich teils stark
Was heute fast parodistisch klingt, hatte auf Zeitgenossen eine ungeheure Wirkung. Und genau die versucht der Sprachwissenschaftler Henning Lobin zu verstehen. Zusammen mit Kolleginnen und Kollegen aus der Geschichtswissenschaft untersucht er die Reden Adolf Hitlers während der Nazi-Herrschaft.
Ein Teil davon sei überhaupt erst in den letzten Jahren aufgetaucht, erhalten auf Schellackplatten, die aus den Originalaufnahmen gepresst wurden. Die werden als Teil des Forschungsprojekts vom Deutschen Rundfunkarchiv digitalisiert.
Nur so habe man nachweisen können, dass die Originalreden und die später im Propagandablatt „Völkischer Beobachter" veröffentlichten Fassungen teils stark voneinander abweichten, betont Lobin. Warum und wie das geschah, ist noch unklar.
Ein Beitrag zum Verständnis von Sprache in Diktaturen
Es geht bei dem Forschungsprojekt aber nicht nur um den Inhalt der Reden, sondern auch um ihre Form. Denn daraus erkläre sich zumindest zum Teil auch die Faszination der Zeitgenossen, sagt Lobin.
Hitler rede zu Beginn leise und langsam, moduliere sehr präzise und steigere sich schließlich zu gebrüllten Aussagen. Begriffe wie „fanatisch“ oder „rücksichtslos“ würden umgewertet, positiv aufgeladen. Dass das Verfangen habe, ließe sich auch an Briefen und Tagebucheinträgen aus der Zeit nachverfolgen.
So will das Projekt auch einen Beitrag zum Verständnis von Sprache in Diktaturen allgemein leisten, hofft Lobin: „Inwieweit gelingt es durch solche Reden, in die Köpfe der Leute zu kommen, dass sie das neue Vokabular, die Formulierungen übernehmen? Mit dieser Hitler-Edition machen wir da einen entscheidenden Schritt, um solche Untersuchungen überhaupt anstellen zu können.“